Trend: Warum viele Manager von Herstellern zum Handel wechseln

Autohäuser gewinnen als Arbeitgeber für Top-Manager aus der Automobilbranche an Attraktivität. Führungskräfte aus den Vertriebssparten der Hersteller wechseln die Seiten und gehen in die Leitungsgremien der großen Gruppen.

Anfang nächsten Jahres startet Philipp Hempel bei der Wellergruppe. Hempel war in den vergangenen Jahren bei MG Deutschland und hat die Traditionsmarke aus dem SAIC-Konzern in Deutschland verankert.

Hempel ist nur das jüngste Beispiel. In den vergangenen Monaten wechselten diverse Top-Manager in den Handel:

• Jürgen Keller ist Vorstand Operations im Führungsgremium der AVAG Holding, zuvor war er Deutschlandchef von Hyundai und Opel.
• Christophe Mittelberger hat vor kurzem als COO die operative Führung der Volumenmarken bei der Wahl Group übernommen. Zuvor war er Dacia-Deutschlandchef und beratend in der Branche unterwegs.
• Ralph Kranz ist seit Frühjahr in der Geschäftsleitung des Aachener Mehrmarkenhändlers Moll, er war zuvor für Nio Deutschland verantwortlich.

Schon immer wechselten Top-Manager in den Handel. Prominentestes Beispiel: Christian Klingler. Der ehemalige VW-Vertriebsvorstand wechselte vor knapp zehn Jahren zum Handelsriesen Emil Frey als Nummer zwei hinter den Familienpatron. Blieb allerdings nur relativ kurz. Doch was früher die Ausnahme war, könnte bald zur Regel werden.

Die Wechselbereitschaft in den Handel hat aus Sicht von Burkhard Weller nichts mit der schwierigen Situation bei den Herstellern zu tun. „Wir haben in Deutschland immer größere Autohausgruppen. Ab einer gewissen Größe werden Händler auch für Manager aus der Industrie attraktiv. Diese kritische Masse erreichen derzeit immer mehr Autohausgruppen.“

Den Trend zur Größe bestätigt ein Blick auf die Top-100-Händler vom Institut für Automobilwirtschaft. Sie verkauften im vergangenen Jahr knapp 840.000 Pkw-Neuwagen, zehn Jahre zuvor waren es noch etwa 600.000. Im gleichen Zeitraum stieg ihr Anteil von 20 auf knapp 30 Prozent.

„Die Verantwortung bei einer großen Autohausgruppe ist deutlich größer als bei einem Importeur“, sagt Wahl-Manager Christophe Mittelberger. „Arbeiten bei einem Importeur in der Regel 200 oder 300 Mitarbeiter, sind es bei großen Handelsgruppen 1000 Mitarbeiter und mehr.“ Tendenz steigend.

Wie die Automobilindustrie ist auch der Handel in einer massiven Transformation. Auf die einen wirkt dies abschreckend, für die anderen ist es eine Herausforderung und bietet gute Chancen zu gestalten.

„Der Handel steht vor einem massiven Wandel, vor allem in Deutschland“, sagt Mittelberger. Große Handelsgruppen brauchen neue Strukturen und haben großartige Entwicklungspotenziale. „Das ist natürlich für eine Führungskraft attraktiv.“

Wie groß die Gestaltungsspielräume sind, hängt immer von der Situation im Unternehmen ab. „Grenzen gibt es überall: egal ob Aufsichtsrat, Vorstand oder Eigentümer, egal ob Hersteller, Importeur oder Händler“, ergänzt Mittelberger.  Doch das Aufgabenspektrum ist im Handel größer als bei einem Importeur.

Bleibt die Frage nach der Entlohnung: In der Regel zahlt das Kfz-Gewerbe niedrigere Gehälter als die Industrie – egal ob Azubi, Fachkraft oder Manager. Im vergangenen Jahr lag die Geschäftsführer-Vergütung im Kfz-Handel/-Handwerk laut BBE-Media-Umfrage 2023 bei durchschnittlich knapp 115.000 Euro, im Fahrzeugbau bei etwa 180.000 Euro.

Allerdings lassen sich die immensen Unterschiede nicht direkt übertragen. Denn während im Fahrzeugbau auch die Top-Gehälter großer Zulieferer einfließen, erhält der Geschäftsführer kleiner Handwerksbetriebe natürlich weniger.  

„Wir zahlen unsere Mitarbeiter gut. Das gilt besonders für Führungskräfte“, sagt Weller. Denn eines ist klar. „Für das halbe Gehalt kommt kein Manager vom Hersteller zum Händler.“