MEB und SSP: Was die Plattformen für die E-Autos von VW auszeichnet

Gleichteile-und Plattformstrategie? Im weitverzweigten Volkswagen-Konzern ist das nichts Neues. Schon die ersten VW Passat und Audi 80 teilten sich Anfang der 70er-Jahre dieselbe Technik.

Das sah man ihnen allerdings noch deutlich an. Und mit der Zeit ging es im Konzern um deutlich mehr Marken und Modelle, die auf nur einer technischen Basis aufbauen sollten. Die zunehmende Varianten-, Antriebs-und auch Markenvielfalt erforderte wie bei anderen Konzernen auch in Wolfsburg neue Lösungen. Unverwechselbares Design zum Beispiel.

Wo sich der Wolfsburger Passat und der Ingolstädter 80 vor rund 50 Jahren also auch optisch noch stark ähnelten, war in den 90er-Jahren bei VW Golf IV, Audi A3, Seat Toledo und Leon sowie Škoda Octavia die gemeinsame technische Basis von außen für den Laien kaum mehr erkennbar. Allerdings bildete die sogenannte PQ34-Plattform zunächst ausschließlich die Basis für Kompaktmodelle.

Eine Segmentfokussierung, die VW im Laufe der Jahre zurückfuhr - und 2012 mit dem Modularen Querbaukasten (MQB) endgültig beendete. Weil er mit individuell kombinierbaren Komponenten modular aufgebaut ist, eignet sich der MQB als Grundlage für verschiedenste Fahrzeuggrößen und -konzepte vom kleinen Polo über Golf, Tiguan und Passat bis zum Fünfmeter-SUV Atlas beziehungsweise Teramont für globale Märkte außerhalb Europas.

Der MQB steckt unter der Hülle vieler Volkswagen-Modelle, die (auch) einen quer eingebauten Verbrennungsmotor unter der Haube tragen. Bis auf die vollelektrischen ID-Modelle und das große SUV Touareg stehen in Deutschland und Europa derzeit alle Modelle der Marke Volkswagen Pkw auf der MQB-Basis.

Und auch global bildet sie die Architektur vieler volumenstarker Volkswagen-Modelle (siehe Tabelle weiter unten). Modelle wie den großen Van Viloran in China kennt zwar hierzulande praktisch niemand - aber auch er nutzt das MQB-Gerüst. Wie auch viele Autos der Marken Audi, Cupra, Seat, Škoda und Volkswagen Nutzfahrzeuge oder in China die dortige Einstiegsmarke Jetta.

Die Standard-Bausteine des MQB sollen nicht nur die Entwicklungszeiten für neue Modelle reduzieren, sondern auch die Produktionsprozesse standardisieren und so zu mehr Kosteneffizienz führen und neue Technologien für die breite Masse erschwinglich machen.

Dabei bietet der MQB bei der Kombination der Standard-Module durchaus die geforderte Flexibilität: Modellübergreifend einheitlich sind lediglich der Abstand zwischen Gaspedal und Radmitte vorn und die Einbaulage der Motoren. Karosseriemaße, Spurweite, Radstand, Rädergröße oder auch Sitz- und Lenkradposition dagegen sind frei variabel.

Auch bei den Antrieben haben die Ingenieure einige Freiheiten: Reine Benziner und Diesel sind möglich, außerdem Mild-und Plug-in-Hybride. Und vor dem Start des Modularen E-Antriebs-Baukastens (MEB) gab es mit dem E-Golf auch ein vollelektrisches Auto auf MQB-Basis.

Auch wenn sich Volkswagen langfristig voll und ganz auf die Elektromobilität fokussiert: Beim ursprünglichen MQB-Entwicklungsstand belassen es die Wolfsburger nicht. Mit dem MQB Evo erschien zu Jahresbeginn in Form von Passat und Tiguan erstmals die aktuelle Entwicklungsstufe des MQB. Über 450 Funktionen habe man im Zuge dessen angepasst, so der Wolfsburger Konzern.

Neue Plug-in-Hybride mit laut WLTP circa 120 Kilometer reiner Elektro-Reichweite und Schnelllademöglichkeit, das adaptive Fahrwerk DCC Pro, ein weiterentwickeltes Matrix-LED-Licht oder auch eine optimierte Sprachbedienung zählen zu den Neuerungen.

Die Mildhybride mit 48-Volt-Technik feierten zwar bereits vor dem Begriff MQB Evo Premiere, zählen aber ebenfalls zu den neuen Elementen des Technik-Baukastens. Auf dieser Basis will Volkswagen seine Verbrenner und Hybride bis zur vollständigen Ablösung durch vollelektrische Autos in die Zukunft führen und übrigens bald auch die Künstliche Intelligenz ChatGPT in seine Fahrzeuge integrieren.

In seiner Konzeption dient der MQB auch als Vorbild für eine weitere wichtige Plattform des Volkswagen-Konzerns, nämlich den bereits erwähnten MEB. Auch hier geht es um eine möglichst große Modellvielfalt auf einheitlicher Technik-Architektur.

Im Einsatz ist der MEB derzeit bei Audi, Cupra, Škoda, Volkswagen Nutzfahrzeuge und natürlich Volkswagen Pkw. Heck- oder Allradantrieb sind möglich, dazu verschiedene Akkugrößen. Erstmals auf die Straße rollte der MEB in Form des VW ID.3 im Jahr 2019.

Aber auch beim MEB ist bereits eine Evolutionsstufe im Einsatz. Bausteine wie eine neue Software oder die "Plug &Charge"-Lademöglichkeit hat Volkswagen bereits mit dem ID.3-Facelift im Frühjahr 2023 eingeführt. Mit der Plattform MEB+ geht es aber noch einen Schritt weiter. Wie der MQB Evo ist auch MEB+ zwar als evolutionäre Weiterentwicklung zu sehen, doch geht diese teilweise ans Eingemachte.

Wichtige Änderungen werden die Antriebsbatterie und die E/E-Architektur - also die Elektrik und die Elektronik -betreffen. So soll etwa eine neue Zellchemie der Akkus für mehr Effizienz und Reichweite sorgen. Neben der elektrischen Effizienz will Volkswagen mit diesen Schritten aber auch die Kostenstruktur der Plattform optimieren und auf eine Kostenparität mit vergleichbaren Verbrennern hinarbeiten.

Bis ab 2028 die ersten Modelle auf der neuen Elektro-Plattform SSP in den verschiedenen Segmenten am Start sind, will Wolfsburg die MEB-Basis mit den "+"-Upgrades technisch auf der Höhe der Zeit halten.

Seine Einstiegs-Elektroautos ab 2025 will Volkswagen auf einer weiteren Variante des MEB aufbauen. Auf ihr - MEB Entry genannt - steht auch die Serienversion der 2023 präsentierten Studie ID 2all und ab 2027 der für 20.000 Euro geplante Einstiegsstromer ID.1, zu dem es noch keine bekannten Designs gibt.

Die Besonderheit des MEB Entry: Motor und Antrieb sitzen vorn. Einen zusätzlichen Frontantrieb besitzen bislang nur die allradgetriebenen MEB-Modelle. Sonst ist der Antrieb im Heck untergebracht.

Dabei sollen sich auch im MEB Entry Bausteine des aufgefrischten MEB+ wiederfinden. Beispiele sind die Batterie oder die E/E-Architektur. Einen eigenen Motor bekommen die elektrischen Einstiegsmodelle - auch Cupra und Škoda gehen mit Modellen auf Basis des Baukastens an den Start - dagegen sehr wohl.

Von bis zu 450 Kilometer Reichweite sprach VW bei der Präsentation der Studie ID 2all. Der Akku soll in 20 Minuten von zehn auf 80 Prozent geladen werden können.

Letztlich stehen die Zeichen aber auf SSP. Das Kürzel steht für Scalable Systems Platform, und wie der MQB oder der MEB soll auch dieser technische Baukasten konzernweit Verwendung finden. Zuerst eingesetzt wird er nach heutigen Planungen im Jahr 2028 für ein Modell der Marke Volkswagen.

Den Baukastenansatz als lang gelebte Stärke des VolkswagenKonzerns soll auch die SSP weiterführen. Der Weg zum fertigen System differenziert sich im Vergleich zu MQB und MEB aber an entscheidender Stelle: Aus der deutlich weiterentwickelten E/E- Architektur resultierende Vorgaben beeinflussen die SSP-Entwicklung in besonderem Maße. Praktisch um sie herum entwickeln die Ingenieure die traditionelle Hardware.

Auch die SSP wird technische Basis für Fahrzeuge verschiedener Segmente. Da unterscheidet sich ihr Anspruch nicht von MQB und MEB. Deutliche Entwicklungsschritte soll der neue Baukasten aber bei Fahrerassistenzsystemen und beim autonomen Fahren machen: Anders als beim MEB+, der auch künftig maximal die höheren Ausbaustufen des Levels 2 erreicht, sind für die SSP Level 3 und 4 vorgesehen.

Und mit Blick auf die Hardware will Volkswagen verglichen mit MEB und MEB+ spürbare Fortschritte bei Antriebsbatterie, Antrieben, Ladeleistungen und Effizienz erreichen.

Allerdings: Bei MQB, MEB und SSP allein bleibt es in Zukunft nicht bei Volkswagen. Speziell für China entwickeln die Wolfsburger im lokalen Forschungs-und Entwicklungszentrum VCTC (Volkswagen China Technology Company) eine eigene Plattform für kompakte elektrische Einstiegsmodelle. Auf der sogenannten China Main Platform (CMP) sollen ab 2026 mindestens vier Elektro-Kompaktwagen vom Band rollen.

In die CMP wird auch die Elektrik-und Elektronik-Plattform CEA (China Electrical Architecture) integriert, die Volkswagen zusammen mit seinem chinesischen Partner Xpeng auf die Straße bringen will. Insgesamt soll die CMP die Kosten um 40 Prozent senken.

Zusammen mit Xpeng arbeiten die Wolfsburger zudem an einem weiteren Projekt: Ebenfalls ab 2026 soll das erste von zwei Mittelklasse-Elektroautos auf einer Plattform der Chinesen erscheinen. Auch hier zeichnet die VCTC für die Entwicklung verantwortlich.