Zukunft der Mobilität: Elektrische Mikro-Autos als Hoffnungsträger

Sind elektrische Mini-Autos die Zukunft der Mobilität – zumindest in den Städten? Mit kleinen Abmessungen, geringen Kosten und niedrigem Verbrauch scheinen sie perfekt geeignet zu sein für viele Alltagsaufgaben. Der europäische Herstellerverband ACEA jedenfalls ist davon überzeugt und hat schon im vergangenen Dezember die europäische Politik dazu aufgefordert, den regulatorischen Weg für die Schaffung einer neuen Gattung von Mikro-Fahrzeugen zu schaffen.

Maßgeblich angetrieben wird der Vorstoß von Renault-CEO Luca de Meo, der für die in Japan äußerst beliebten Kei-Cars auch in Europa einen Markt sieht. Dort hat diese Fahrzeuggattung einen Anteil von mehr als 30 Prozent an allen Neuzulassungen.

"Das ist das perfekte Beispiel dafür, was wir auch in Europa tun können sollten", rät der Italiener. "Ich sehe keinen Grund, warum die Europäer dazu verdammt sein sollten, diese Art von kollektivem, klugem und gewinnbringendem Spiel schlecht zu spielen."

De Meo listet sogleich auf, was in Japan zum Erfolg der Micro-Autos führte: "Finanzielle Unterstützung, natürlich, mit um ein Drittel niedrigeren Anschaffungspreisen für Autos im Vergleich zu normalen Privatfahrzeugen. 20 Prozent niedrigere Autobahngebühren, damit die Stadtzentren für die Bewohner im Umland zugänglich bleiben. Aber auch Unterstützung durch eine kluge Politik, als man beschloss, dass alle Fahrzeuge einen Stellplatznachweis erbringen müssen – außer dem Kei-Car."

Fest steht: In Japan war 2023 kein Toyota und auch kein Tesla das meistverkaufte E-Auto – es war der winzige Nissan Sakura ("Kirschblüte"). 35.099 Einheiten wurden verkauft. Inzwischen verdoppelte sich der Absatz bereits auf mehr als 70.000. Gebaut wird dieses Mini-Auto von Mitsubishi. Der japanische Hersteller verkauft unter dem Namen EK X ein baugleiches Modell.

Der Sakura ist nun Nissans erste E-Version eines Kei-Cars – bislang allerdings ausschließlich für den japanischen Markt. Für umgerechnet rund 14.000 Euro erhält der Kunde einen alltagstauglichen Viersitzer mit vier Türen, 180 Kilometer Reichweite und einer Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h. 2022 wurde der kleine Nissan in dem Land zum Auto des Jahres gewählt.

Kei steht für keijidōsha, das heißt "Leichtautomobil". Das Segment war 1949 geschaffen worden, um nach dem Krieg günstige Autos für die Massen zu ermöglichen. Ein klassisches Kei-Car darf maximal 3,4 Meter lang und 1,48 Meter breit sein, nicht mehr als 64 PS leisten und einen Verbrennungsmotor von maximal 660 Kubikzentimetern aufweisen.

Auch wenn Nissans Sakura wohl nie nach Europa kommen wird, so testet Nissan seit Kurzem ein anderes Micro-Car in Europa. Dank einer Partnerschaft mit dem spanischen Mischkonzern Acciona und dessen Mobilitätstochter Silence bieten die Japaner seit Juni den kleinen Stromer Silence S04 in Italien und Frankreich an.

Ab September will dann auch Nissan Deutschland ausgesuchte Händler dazu motivieren, das Thema Mikromobilität einmal auszuprobieren und den Silence S04 in den Showroom zu stellen, wie eine Sprecherin sagte.

Seine womöglich größten Chancen hat das Mikro-Segment im Bereich Mietgeschäft und Carsharing. Der Carsharing-Spezialist Invers ermittelte jüngst 17 Betreiber in acht europäischen Ländern, die bereits Erfahrungen mit Mikros machen.

Zum Einsatz kommen dabei führerscheinfreie Winzlinge aus den Klassen L7e und L6e, aber auch größere Modelle. "Das Interesse von Carsharing-Nutzern an Mikro-Cars wächst. Wir erhalten zunehmend Anfragen von Betreibern", sagt Invers-CEO Alexander Kirn.

Die Mobilitätsstrategen der Beratung McKinsey sagen den elektrischen Micros eine gute Zukunft voraus. Der Bereich zwischen E-Bikes und normalen E-Autos biete viele Möglichkeiten für neue und etablierte Anbieter, heißt es in der Studie "Minimobility: The next big thing in urban mobility?".

Bei einer weltweiten Befragung gaben demnach immerhin mehr als 30 Prozent der Befragten an, sie würden wahrscheinlich oder sehr wahrscheinlich ein Micro-Mobil nutzen, wenn es angeboten werde. Allerdings zeigten sich dabei große regionale Unterschiede. In China liegt die Akzeptanz am höchsten (57 Prozent Zustimmung), in Deutschland und Australien am niedrigsten (20 beziehungsweise 15 Prozent Zustimmung).

Von Vorteil speziell für Mobilitätsanbieter seien neben dem niedrigeren Fahrzeugpreis auch die deutlich geringeren Betriebskosten, rechnen die Berater vor. Alexander Grausam vom Münchner McKinsey-Büro sieht deshalb gute Perspektiven: "In vielen Fällen könnten die Fahrzeuge der Minimobilität zu einer wichtigen Erweiterung der Marke eines Herstellers werden, unabhängig davon, ob es sich um einen Automobilhersteller oder einen Hersteller von Mikromobilität handelt."

Andreas Herrmann vom Institut für Mobilität an der Universität St. Gallen macht allerdings eine wichtige Einschränkung: "Ohne Intervention der Städte sehe ich kaum Chancen für diese Fahrzeuge", sagte der Professor der Automobilwoche.

"Es sind immer noch genug Parkplätze in den Innenstädten vorhanden, und die Fahrbahnen sind immer noch breit genug. Man müsste wohl dem bisherigen Autoverkehr den Zugang in die Innenstädte deutlich erschweren und womöglich diese Mini-Fahrzeuge als Flotte für den Verkehr in die Innenstädte anbieten – als Alternativen oder Ergänzung zum Robotaxi-Konzept von Hamburg oder Oslo."

Auch in der Europäischen Union gebe es noch hohe Hürden, bevor die Minis eine echte Chance haben. "Auf EU-Ebene müsste man besondere Steuervergünstigungen und die entsprechenden Zulassungsregeln beschließen." Zudem bräuchte es Pilotprojekte in ausgewählten europäischen Städten, finanziert durch die EU.

Insgesamt sieht Herrmann für die Mini-Mobile mehr Chancen in Asien als in Europa: "Allenfalls Renault scheint sich ernsthaft mit der Herstellung von sehr kleinen Fahrzeugen zu befassen. Bei Volkswagen sieht man, wie schwer sich etablierte Hersteller tun, sehr kleine Fahrzeuge zu produzieren. Sie sind gefangen in ihren eigenen Ansprüchen an den Fahrzeugbau, den Komfort, das Design und andere Features."