Volkswagen zieht es durch! Deutschlands größter Autohersteller will im Alleingang ohne Partner ein Elektromodell im Preisbereich von 20.000 Euro bauen. Es ist eine der weitreichendsten strategischen Entscheidungen der Wolfsburger für die kommenden Jahre. Nach dem Beschluss des Vorstandes stellt sich die Branche zahlreiche Fragen zum ID.1. Die Automobilwoche hat die wichtigsten Antworten.
Volkswagen: Die sieben wichtigsten Fragen zum ID.1
VW will sein Elektroauto für 20.000 Euro im Alleingang bauen. Produktionsort, Stückzahl, Zulieferer: Die Automobilwoche beantwortet die wichtigsten Fragen.
Die Frage der Werksbelegung ist im Volkswagen-Universum traditionell kompliziert. Offen kommuniziert hat VW noch keinen Standort. Doch einiges ist bereits klar: Eine Produktion in Deutschland ist wegen des geplanten Verkaufspreises von 20.000 Euro nahezu ausgeschlossen. Die Lohnkosten in Deutschland sind zu hoch.
Schon der ID.2all im Preisbereich von 25.000 Euro kommt deswegen aus dem spanischen Martorell und wird nicht in einem der nicht voll ausgelasteten deutschen VW-Werke gefertigt. In den Diskussionen über eine Kooperation mit Renault brachten die Franzosen ihr Werk im slowenischen Novo Mesto ins Gespräch.
Bei Volkswagens Alleingang deutet jetzt ebenfalls vieles Richtung Osteuropa. Das VW-Werk im slowakischen Bratislava könne Thema werden. Auch natürlich das Skoda-Stammwerk im tschechischen Mlada Boleslav. Auch die VW-eigenen Werke im spanischen Pamplona und Palmela sind automatisch bei einer kostengünstigen Produktion mit in der Verlosung.
Die Kernmarke Volkswagen ist gesetzt. VW-Markenchef Thomas Schäfer: "Damit sich die Elektromobilität in der Breite durchsetzt, braucht es attraktive Fahrzeuge, gerade im Einstiegssegment. Unser Markenversprechen lautet: Elektromobilität für alle." Dazu dürfte sich Skoda gesellen – im Konzern die Experten für günstige Fahrzeuge und vor allem Synergien und Kostensenkungen. Auf die Expertise der Entwickler von Skoda-CEO Klaus Zellmer wird Konzernchef Oliver Blume nicht verzichten.
Auch Seat- und Cupra-Chef Wayne Griffiths schielt bereits auf den günstigen Stromer, um seine Marke Seat zu reanimieren. "Wenn dabei am Ende auch ein günstiges Elektroauto für Seat herausspringt, umso besser", sagte Griffiths jüngst im Automobilwoche-Interview zu den Diskussionen um den ID.1.
Bis zur Weltpremiere 2027 so einige. Günstige Elektroautos im Einstiegssegment werden für viele Hersteller das Thema der kommenden Jahre. Zwei stechen besonders heraus: BYD wird seinen Günstig-Stromer Seagull im Preissegment von 20.000 Euro 2025 nach Europa bringen. Die China-Version mit deutlich weniger Funktionsumfang als in Europa am Markt denkbar kostet sogar nur umgerechnet 9000 Euro.
Ebenfalls direkter Wettbewerber ist der Leapmotor T03. Der Stellantis-Konzern unterzeichnete für die Fahrzeuge eine Partnerschaft mit Leapmotor und übernimmt den Vertrieb in Europa. Noch in diesem Jahr soll es unter anderem in Frankreich, Italien und Deutschland losgehen. Weitere Player wie Tata aus Indien, sowie Chery und BAIC aus China, haben ebenfalls Pläne in diesem Segment, sind aber in Europa kaum nennenswert bekannt.
Nach Scheitern der Kooperation mit Renault haben die Franzosen ebenfalls einen eigenen Pfeil im Köcher: Der Nachfolger des aktuellen, elektrischen Twingo, bisher unter den Namen "Legend" geführt, wird ab 2025 für unter 20.000 Euro auf den Markt kommen.
Offiziell bekannt ist noch nichts. Lieferant für ein Elektrofahrzeug im Preissegment von 20.000 Euro klingt aber nicht gerade nach einer Traumaufgabe für die Volkswagen-Zulieferer. Groß Geld zu verdienen gibt es hier nur in ganz hohen Stückzahlen.
Einen ersten Hinweis über das Lieferantennetzwerk für den ID.1 gibt Volkswagen in seiner Mitteilung: "Volkswagen setzt bei diesem Projekt auf einen hohen europäischen Lokalisierungsgrad, der wiederum dem Industriestandort Europa zugutekommt. Weiterer Vorteil: Lange Transportwege von Komponenten werden verringert und folglich CO2-Belastungen vermieden."
Vieles wird sich also bei den Zulieferern mit der Standortfestlegung der Produktion entscheiden. Und: Nominiert wird von VW in jedem Fall derjenige, der schnell viel und günstig liefern kann. Wer beim ID.2all mit im Boot sitzt, hat auch für den ID.1 die besten Karten.
Im Kern zwei Stück: Die Batterie und den Funktionsumfang. Der ID.1 wird die prismatischen Volkswagen-Einheitszellen der Tochter PowerCo nutzen. Die Produktion in Europa soll im niedersächsischen Salzgitter 2025 und im spanischen Valencia ein Jahr später anlaufen.
Bei der Zellchemie plant VW mit unterschiedlichen Varianten, wobei für den günstigen ID.1 nur die kostengünstigeren Lithium-Eisenphosphat-Batterien infrage kommen. Die Zelle wird nach Konzernangaben die Batteriekosten um bis zu 50 Prozent reduzieren. Sie ist die Basis, überhaupt ein Modell im Preissegment von 20.000 Euro anbieten zu können. Die Reichweite dürfte bei höchstens 350 Kilometern liegen. Zum Einsatz kommt wohl wie beim ID.2all auch der VW-typische Frontantrieb.
Ansonsten gilt: Kunden müssen sich im ID.1 mit den Kernfunktionen anfreunden: Extravaganzen beim Design und der Ausstattung wird es kaum geben. Das nüchterne Cockpit der ID.2all-Studie gibt einen ersten Eindruck, wie VW auch beim ID.1 planen dürfte. Fahrassistenzsysteme und digitale Funktionen werden reduzierter sein als bei anderen VW-Modellen mit Marktstart 2027. Auch beim Bildschirm in der Fahrzeugmitte und dem digitalen Tacho wird es kleine, kostengünstige Lösungen geben müssen, um den Preis zu halten.
Eine der spannendsten Fragen nach der Vorstandsentscheidung am Dienstag. Vom größeren ID.3 produzierte VW im vergangenen Jahr 142.216 Fahrzeuge. Durch das Auslaufen des VW up! fehlt im Portfolio der Wolfsburger aber ein zum ID.1 vergleichbares Verbrennermodell als Orientierung.
Der ID-2all im Preissegment von 25.000 Euro hat bei den Abmessungen eher Ähnlichkeiten mit dem Dauerbrenner Polo, der im vergangenen Jahr 591.668 Mal weltweit vom Band lief. Durch den Hochlauf der Elektromobilität in den kommenden Jahren bis zur Weltpremiere 2027 ist schwer abzuschätzen, welches Volumen für ein Einstiegsmodell von Volkswagen erreichbar ist. Fakt ist: Um das Auto wirtschaftlich zu bauen, müssen hohe Stückzahlen her.
In seiner Mitteilung spricht Volkswagen von einer Weltpremiere 2027. Das bedeutet aber nicht, dass Kunden das Fahrzeug auch bereits in drei Jahren über europäische Straßen pilotieren werden. Einen Fingerzeig gibt erneut der größere ID.2all. Dort plant Volkswagen Ende 2025 die Premiere und nicht vor Mitte 2026 hohe Stückzahlen in der Produktion. Bis zu großen Auslieferungszahlen dürfte es daher Ende 2026 werden.
Ein ähnliches Muster ist jetzt auch beim ID.1 zu erwarten: Weltpremiere Ende 2027, Serien-Produktionsstart 2028, danach werden die VW- und Skoda-Händler mit den neuen Modellen ausgerüstet.