Porsche muss sich für Problemjahr rechtfertigen

Vor gut eineinhalb Jahren feierten Porsche-Chef Oliver Blume sowie Finanzvorstand Lutz Meschke in Frankfurt den geglückten Börsengang des Sportwagenbauers. Den Ausgabekurs von 82,50 Euro ließ das Wertpapier schnell hinter sich und kletterte im April 2023 bis auf 118,90 Euro. Die Anleger waren begeistert.

Seither ging es aber stetig bergab. Nach schlechten Quartalszahlen steht der Kurs aktuell bei nur noch knapp 77 Euro. Die Kursentwicklung ist auch einer Problemhäufung beim Stuttgarter Autobauer geschuldet.

Von Januar bis März 2024 hat Porsche 77.640 Fahrzeuge ausgeliefert, im Vergleich zum Vorjahreszeitraum bedeutet dies ein Minus von vier Prozent.

Als Hauptgrund nennt Porsche die Vielzahl der Modellwechsel. So starten in diesem Jahr mit Panamera und elektrischem Macan in Leipzig zwei vollständig neue Modellgenerationen, zudem bekommt der Taycan eine Modellpflege, der 911 geht mit neuen Hybridvarianten an den Start.

Zwar sind Absatzeinbrüche bei Modellwechseln nicht unüblich, doch ein Teil der Probleme ist auch hausgemacht. So sollte der elektrische Macan schon deutlich früher auf den Markt kommen, was den Hochlauf in Leipzig, wo auch der Panamera gebaut wird, vereinfacht hätte.

Zwar hat Porsche für den E-Macan bereits 12.000 Bestellungen erhalten, wie Finanzchef Meschke im Analysten-Call zum ersten Quartal erläuterte. Trotzdem könnte beim bisherigen Bestseller im Portfolio eine Lücke entstehen. Denn in Europa darf der Verbrenner aufgrund neuer Regularien zur Cybersicherheit ab Juli nicht mehr verkauft werden.

Bis aber die ersten elektrischen Modelle an die Kunden ausgeliefert werden, dürfte es noch bis weit in die zweite Hälfte des Jahres dauern. Hinzukommt, dass wegen der anstehenden Modellpflege des Taycans kaum mehr Exemplare der alten Generation verkauft wurden, da Kunden lieber auf die zahlreichen technische Neuerungen warten wollen. Eine derartige Lücke war bei den Verbrennermodellen bei Porsche bisher nicht zu beobachten.

Für Porsche wird die Schwäche in China langsam zum ernsthaften Problem. Im ersten Quartal sind die Verkäufe im lange Zeit wichtigsten Markt um fast ein Viertel eingebrochen. Porsche verweist zwar regelmäßig auf die allgemeine wirtschaftliche Lage in China.

Fakt ist, dass der Einbruch deutlich stärker ausfällt als bei anderen deutschen Premiumherstellern. Hinzu kommt, dass im Luxus-Segment in China bislang praktisch keine elektrischen Fahrzeuge verkauft werden.

Dies muss für Porsche ein Alarmzeichen sein, da der Autobauer konsequenter als jeder andere auf eine Elektrifizierung seiner Modellpalette setzt. Für Meschke kommt es daher jetzt darauf an, auch ein „entsprechendes Ökosystem mit einem exklusiven Kundenerlebnis“ aufzubauen.

Die Unzufriedenheit der chinesischen Händler wächst offenbar. Zuletzt war in lokalen Medienberichten gar von „Rebellion“ und „Palastrevolte“ zu lesen angesichts der schwachen Zahlen. So sollen einzelne Händler sogar Entschädigungen gefordert haben.

Porsche-Vertriebschef Detlev von Platen musste nach China reisen, um die Situation zu beruhigen. Zusammen mit seinem Händlernetz analysiere der Konzern zurzeit die Situation und definiere „Maßnahmen, die unseren wertorientierten Absatz für die Zukunft absichern“, hieß es in einer Mitteilung des Unternehmens. Scheitert dieses Unterfangen, wäre dies eine Katastrophe für Porsche.

Den schwachen Verkaufszahlen stehen ungewöhnlich hohe Ausgaben für Forschung und Entwicklung entgegen. So erreichte die F&E-Quote bezogen auf den Umsatz im ersten Quartal rekordverdächtige 13,4 Prozent, während es im Vorjahresquartal noch 8,1 Prozent waren.

Meschke begründet dies mit den vielen Anläufen und Investitionen ind die Zukunft. Dies führte zu einer außergewöhnlich schwachen Umsatzrendite von 14,2 Prozent. Vor allem die Softwareprobleme des Macan haben das Unternehmen viel Geld gekostet. Gleichzeitig müssen die Produktionsanlagen auf die neuen Modelle angepasst werden.

Im Analysten-Call zum ersten Quartal dämpfte Meschke die Erwartungen auf eine baldige Besserung der Kostensituation. Neben einem intensivierten Marketing für die Einführung der neuen Modelle sei mit anhaltend hohen Forschungsausgaben zu rechnen.

So steht Porsche beispielsweise vor der Einführung der elektrischen Generation der Baureihe 718 mit Boxster und Cayman, die für Mitte des Jahrzehnts vorgesehen ist.

In Leipzig haben zudem bereits die Bauarbeiten der Fabrikerweiterung für das neue Modell K1 begonnen, das im Jahr 2027 auf den Markt kommen dürfte. Außerdem muss Porsche angesichts des schleppenden Elektrohochlaufs mehr in die Modernisierung von Verbrennern investieren als zunächst geplant.

Immer wieder hatte Porsche in den vergangenen Jahren mit der Verfügbarkeit von Teilen zu kämpfen. Dies galt lange Zeit etwa für den Porsche Taycan, wo beispielsweise Hochvoltheizer fehlten.

Betroffen ist aber beispielsweise auch die neue Generation von Batterien für den Porsche Cayenne Plug-In-Hybrid, der zu verzögerten Auslieferungen geführt hat. Beim neuen Panamera spricht Meschke von einem „qualitätsorientierten Hochlauf in Leipzig“, der die volle Verfügbarkeit des Modells ebenfalls erst später ermöglicht.

In den USA hatte Porsche mit einem ganz anderen Problem zu kämpfen. Hier durften Tausende Fahrzeuge nicht eingeführt werden, weil darin Elektronik-Komponenten aus China verbaut sind.

Sie stammen aus der westchinesischen Region Xinjiang, die bekannt ist für die Unterdrückung der Minderheit der Uiguren. Porsche musste die Teile eilends durch andere Zulieferer ersetzen lassen, um die Autos in den USA verkaufen zu können. Wochenlange Verzögerungen waren die Folge.

Angesichts der schwierigen Phase dürfte bei den Aktionärsvertretern auch die Frage nach der Doppelrolle von Porsche-Chef Oliver Blume wieder verstärkt auftauchen. Blume lenkt parallel auch den VW-Konzern.

So forderte Ingo Speich, Leiter Nachhaltigkeit und Corporate Governance bei Deka Investment, jüngst im Gespräch mit der Automobilwoche die Aufgabe eines Amts. „Es sind seit dem ­Börsengang eine Menge neuer Herausforderungen aufgetaucht wie eine wackelige Konjunktur, geopolitische Unsicherheiten, Lieferkettenprobleme“, gibt er zu bedenken.

Auch Analysten sehen Zielkonflikte im Management. „Ein Beispiel ist die Elek­trostrategie, bei der sich die Frage stellt, wie sehr sie in den Konzern eingebettet werden soll“, sagte etwa Frank Biller von der LBBW jüngst der Automobilwoche. So wollte Porsche längst über eine eigene Gigafabrik zur Produktion von Hochleistungszellen für künftige E-Sportwagen entschieden haben. Doch offenbar ist noch nicht klar, wie viel Alleingang Blume Porsche genehmigen will.

Mit dem ersten Quartal soll der Tiefpunkt des Jahres bereits hinter dem Sportwagenbauer liegen. Die Verfügbarkeit der neuen Modelle werde im Lauf des Jahres ansteigen – und damit auch die Verkaufszahlen. Meschke bestätigte gegenüber Analysten den Ausblick für das Jahr 2024, wonach der Umsatz stagniert und die Marge mit 15 bis 17 Prozent etwas niedriger liegt als im Vorjahr.

2025 dürfte dann im Zeichen der Erholung stehen, da sich das frische Produktportfolio im Volumen bemerkbar machen dürfte. Auch der Aktienkurs dürfte dann wieder Fahrt aufnehmen.

Dies alles steht aber unter der Voraussetzung, dass China seine Zölle nicht in einer möglichen Reaktion auf die ausstehende Entscheidung der Europäischen Union anhebt. Ein Handelskrieg würde Porsche besonders hart treffen, da das Unternehmen ausschließlich in Europa fertigt.