Kabelspezialist GG Group will Industrie- und Nutzfahrzeuggeschäft ausbauen

Die österreichische GG Group, Zulieferer von Kabeln und Leitungssätzen, will sich breiter aufstellen und ihr Nutzfahrzeuggeschäft ausbauen. „Noch ist das ein zartes Pflänzchen, aber wir sehen gute Voraussetzungen, weil unsere Lösungen aus dem Pkw auch im Nutzfahrzeug gebraucht werden“, sagte CEO Holger Fastabend im Gespräch mit der Automobilwoche. Gefragt seien insbesondere Aluminium-Leichtbaulösungen, die günstig sind, wenig wiegen und damit positiv auf die CO2-Bilanz einzahlen. „Es gibt erste Aufträge“, so Fastabend.

Der Manager ist nicht nur CEO, sondern auch Chief Restructuring Officer und Technik-Chef. Fastabend begründete die Ämterhäufung damit, dass er nach acht Jahren bei der GG Group in verschiedenen Top-Management-Positionen einen sehr breiten und vielschichtigen Blick auf das Unternehmen gewonnen habe.

„Als neuer CEO sehe ich es als meine Hauptaufgabe sicherzustellen, dass die hohe Diversität innerhalb unserer Unternehmensgruppe gerade in Zeiten einer Transformation als Potenzial erkannt und genutzt wird.“ Bei der Übernahme der CEO-Position sei es ihm wichtig gewesen, „dass ich mich auch als CRO um die Restrukturierung kümmere, so lange die Transformation läuft. Und die ist eine Reise.“ Derzeit lasse sich nicht sagen, wann sie abgeschlossen ist. „Zudem bin ich Ingenieur und führe deshalb die CTO-Position sehr gerne weiter.“

Die GG Group befindet sich in einem Wettbewerbsumfeld mit etlichen, teilweise deutlich größeren Playern. Beim Bordnetz gehören Aptiv, Dräxlmaier, Leoni, Motherson Group, Sumitomo oder Yazaki zu den großen Anbietern. Aber auch Kabelspezialisten wie Coroplast, Huber +Suhner, Kromberg & Schubert oder TE Connectivity zählen zu den Wettbewerbern.

Die GG Group hat schwere Jahre hinter sich. Ende 2022 wurde ein Transformationsprozess eingeleitet. Nach einem „bereits zufriedenstellenden Halbjahresergebnis“ belege auch das Jahresergebnis des Ende März abgeschlossenen Geschäftsjahres (2023/2024), dass die Transformationsmaßnahmen wirken.

Wesentliche akute Risiken seien abgewendet, „wir sind auf Kurs und wissen sehr genau, worauf wir aktuell unseren Fokus richten müssen, damit das auch so bleibt“, sagt Fastabend. Die Transformation als kompromissloses Hinterfragen von bestehenden Strukturen, Abläufen und Traditionen habe sich bei GG mittlerweile quer über alle Standorte und alle Hierarchielevels etabliert.

Im vergangenen Geschäftsjahr wurden im Rahmen der Restrukturierung rund 35 Millionen Euro eingespart. Im laufenden Jahr sollen weitere 30 Millionen Euro hinzukommen. „Wir wissen aber noch nicht, wie stark der Gegenwind sein wird“, schränkt Fastabend ein. Der Zulieferer registriere mit Sorge, wie sich die Absatzzahlen entwickeln, insbesondere bei batterieelektrischen Fahrzeugen und Plug-in-Hybriden.

Die GG Group ist im Fahrzeug generell auf die Energie- und Datenübertragung fokussiert. Im Bereich der E-Mobilität versorge der Zulieferer 12- und 48-Volt-Applikationen, beispielsweise diverse Versorgungsleitungen wie für die elektrische Lenkung. Im Hochvoltbereich konzentriere sich das Unternehmen auf Umfänge für den Antriebsstrang, die Ladeleitung sowie die Versorgung der Hochvolt-Nebenaggregate. In Summe sei die GG Group bei allen Antrieben vertreten.

„Wir sind froh, dass wir nicht zu viele Produkte für BEV und Plug-in-Hybride im Portfolio haben. Es ist von Vorteil, dass wir hinter der Welle sind und nicht davor. Trotzdem glauben wir, dass sich BEV und Plug-in-Hybride durchsetzen werden“, sagt der CEO der GG Group. 

Sorgen bereitet dem Zulieferer auch der Investitionsgüterbereich. Dort beliefert die GG Group vor allem den Werkzeugmaschinenbau. Das hohe Zinsniveau und zurückhaltende Investitionen in Deutschland und anderen europäischen Ländern treffen diese Branche.

„Mit einer Besserung rechnen wir nicht vor Mitte des Jahres." Fastabend hält das Geschäftsfeld aber zukünftig für „sehr interessant“ und will das Industriegeschäft weiter ausbauen. Aktuell erwirtschaftet das Unternehmen damit noch weniger als zehn Prozent seines Umsatzes. „Mittelfristig peilen wir 15 bis 20 Prozent an."

Beim Umsatz landete das Unternehmen im Geschäftsjahr 2023/2024 bei 654 Millionen Euro – das waren rund 50 Millionen Euro über dem Vorjahr. Die Umsatzsteigerung führt der Zulieferer insbesondere auf das Geschäftsfeld Energy Transmission zurück. Die Hauptgründe für die Steigerung waren Produktan- und -hochläufe vor allem an den Standorten in Mexiko, der Republik Moldau und in China. Im laufenden Geschäftsjahr sollen die Erlöse um drei Prozent steigen. Fastabend: „Das liegt auch daran, dass bestimmte Projekte gerade erst anlaufen. Für das nächste Jahr erwarten wir wieder einen deutlichen Zuwachs.“

Beim operativen Ergebnis habe der Zulieferer die Zielsetzung erreicht beziehungsweise im EBIT sogar übertroffen, sagt der CEO. „Das macht mich persönlich wirklich stolz, weil es zeigt, wozu die Organisation und damit meine ich unser globales Team bei GG fähig ist.“ Aber es habe noch Sondereffekte gegeben, „die unseren Net Profit ins Minus drückten“. Ziel sei es im laufenden Jahr, inklusive aller außerordentlichen Aufwendungen „schwarz zu sein“. Als Zielrendite nennt er sechs Prozent. Diese Zahl berücksichtige auch „unsere künftigen Aufwände, um unser geplantes Wachstum vorfinanzieren zu können“.

In Zeiten der Transformation seien neue Technologien gefragt. Das bedeute Projekte, die zwei oder drei Jahre erstmal nur Kosten für das Engineering, Investitionen und Maschinen und Anlagen verursachen, bevor die ersten Umsätze kommen. „Bis es dann einen Return gibt, dauert es noch länger. Wenn ein Unternehmen dann nicht regelmäßig mindestens sechs Prozent EBIT hat, ist das Geschäftsmodell eigentlich nicht tragfähig“, erklärt Fastabend.
 
Ein wichtiger Eckpfeiler im Werkeverbund des Zulieferers ist das neue Werk im bulgarischen Ruse. „Ende Juli werden wir den Aufbau unserer eigenen Infrastruktur abschließen und beginnen dann gemeinsam mit unseren Lieferanten aus Deutschland, Ungarn und Tschechien, die Produktionsanlagen aufzubauen und in Betrieb zu nehmen.“ Der Manager rechnet damit im Spätsommer. Parallel dazu werden die Mitarbeiter im moldawischen Werk in Bălți sowie im Entwicklungszentrum im österreichischen Poysdorf geschult.

Auch das mexikanische Werk in San Juan del Río wird ausgebaut. Dort kommt eine Produktionshalle mit 5000 Quadratmetern Fläche hinzu. Im September soll sie fertig sein. Ein Teil der bisherigen Produktion wird dann aus dem alten Werk umziehen, um dort Platz für den Ausbau der Datenkabel-Produktion für den amerikanischen Markt zu schaffen.

In China startete der Zulieferer ein Joint Venture, um Aluminiumleitungen für den Nutzfahrzeugbereich zu produzieren. „Für uns ist die Zusammenarbeit eine Art Testballon. Bislang fehlen uns die Erfahrungen mit solchen Gemeinschaftsunternehmen in China“, sagt Fastabend.

Sollten die Produkte in China gut ankommen, kann sich die GG Group weitere Joint Ventures vorstellen. Ein gutes Beispiel sieht Fastabend in der Zusammenarbeit mit der Firma Amphenol Tuchel Automotive.

Mit dem Tochterunternehmen des US-Konzerns Amphenol, einem Hersteller von elektrischen Steckverbindern, will die GG Group Lösungen für gekühlte Ladeleitungen entwickeln. Diese werden benötigt, um ein E-Fahrzeug schneller laden zu können.

„An den Ladestationen werden die Leitungen bereits jetzt schon gekühlt. Aber die Strecke von der Ladedose bis zur Fahrzeugbatterie ist noch eine Schwachstelle“, sagt Fastabend. Wenn der Ladestrom bei deutlich geringeren Temperaturen übertragen werden kann, bedeute dies natürlich weniger Verluste.