Die mächtigste Frau in Wolfsburg

Der Unterschied zu Bernd Osterloh, der sie gezielt zur Nachfolgerin aufgebaut hatte, könnte kaum augenfälliger sein. Statt des hochgewachsenen 1,90-Meter-Manns, 64 Jahre alt und mit 44 Jahren VW-Erfahrung, steht seit April die neben Osterloh zierlich und jugendlich wirkende Daniela Cavallo an der Spitze der mächtigen Arbeitnehmervertretung.Doch wer glaubte, die Auseindersatzungen zwischen Vorstand und Betriebsrat hätten damit ein Ende, der hat sich getäuscht: Nachdem es einige Monate lang tatsächlich deutlich ruhiger geworden war, gibt Cavallo dem Konzernchef Herbert Diess inzwischen kräftig Contra.

Vor allem der Plan Diess, die erste Betriebsversammlung seit fast zwei Jahren zu schwänzen und stattdessen zu Investoren in die USA zu fliegen, hatte Cavallo erzürnt. "Dieses Verhalten ist beispiellos in der Geschichte unseres Konzerns und zeigt einmal mehr, dass der Konzernvorstandsvorsitzende selbst in dieser Krise weder Empathie noch Gespür für die Situation der Belegschaft hat", griff sie Diess öffentlich an.

Am Ende musste der VW-Chef zurückrudern und die USA-Reise absagen. Stattdessen trat er am Donnerstag in Wolfsburg an - und musste sich dort harte Attacken von Cavallo gefallen lassen. Sie sei "ruhiger, aber damit nicht weniger durchsetzungsstark", sagt sie über sich selbst. Und diesen Ruf hat sie sich auch in Wolfsburg längst erarbeitet: durchsetzungsstark, geradlinig und rhetorisch begabt.

Dass sie den Posten einmal von Osterloh übernehmen würde, stand schon lange fest. Osterloh selbst hatte die Deutsch-Italienerin gezielt zu seiner Nachfolgerin aufgebaut und sie Ende 2018 zu seiner Stellvertreterin gemacht. Doch mit dem Wechsel war eigentlich erst in zwei oder drei Jahren gerechnet worden. Im April gab Osterloh den Posten überraschend vorzeitig an Cavallo ab und wechselte als Personalvorstand zur Lkw-Tochter Traton nach München.

Cavallo, deren Vater einst mit der ersten Welle von Gastarbeitern aus Italien nach Wolfsburg gekommen war, ist seit 1994 bei VW. Sie machte zunächst eine Ausbildung zur Bürokauffrau, sattelte später noch berufsbegleitend ein Studium zur Betriebswirtin oben drauf. "Es war tatsächlich schon vor dem Abitur mein Ziel, einen Ausbildungsplatz bei Volkswagen zu bekommen", erzählt sie. "Denn dass VW erstklassig ausbildet, ist ja nicht nur in Wolfsburg bekannt." Über einen anderen Arbeitgeber habe sie daher nie nachgedacht. "Meine Bewerbung hat dann gleich im ersten Anlauf geklappt. Daher gab es nie einen Plan B."

2002 wurde die gebürtige Wolfsburgerin erstmals in den Betriebsrat gewählt. Hier sorgte sie dann wenig später für eine Premiere: 2004 war sie die erste VW-Betriebsrätin überhaupt, die während der Amtszeit in Elternzeit ging. Und das nicht nur einmal, sondern bei ihren beiden Kindern. "Ich war da wirklich komplett raus", erinnert sich Cavallo. "Und das hat so gut geklappt, weil ja jemand für meine Funktionen nachgerückt ist. Ich wusste meine Aufgaben also in besten Händen, und daher hat der Schnitt auch gut geklappt."

Den Rat, zu VW zu gehen, hatte ihr damals schon ihr Vater mit auf den Weg gegeben. Schließlich war er selbst bei VW. Ob sie ihren Kindern später denselben Rat geben wird? Cavallo will sich da noch nicht festlegen. "Denen empfehle ich vor allem, etwas zu machen, was ihren Neigungen und Talenten entspricht. Worauf das dann mal hinausläuft, wird sich zeigen, sie gehen ja beide noch einige Jahre zur Schule."

Vielleicht ist ihre Mutter dann immer noch Chefin des VW-Betriebsrats. Ihr Vorgänger Osterloh hatte die Position schließlich 16 Jahre lang inne. Und der war schon bei seinem Amtsantritt zwei Jahre älter als Cavallo heute.

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