Aufstand gegen Abgasnorm Euro 7

Wenige Tage vor dem Auslaufen der Konsultationsphase versucht die europäische Autobranche noch, die neue Emissionsregulierung Euro 7 zu stoppen. Ein aktuelles Stimmungsbild der Automobilwoche bei den wichtigsten Autoherstellern in Europa ergab ein eindeutiges Bild: Teuer, wenig Nutzen für viel Aufwand und technisch teilweise kaum machbar, schon gar nicht in der geforderten kurzen Zeitspanne. Zu den Details:

Die neuen Auflagen würden neue Verbrenner-PKW kostspieliger machen, bei LKW wäre gar ein massiver Preisanstieg zu erwarten und einige Motorenvarianten im Nutzfahrzeugbereich würden vermutlich nicht mehr gebaut werden - so lautet der Tenor der Rückmeldungen aus der Branche.

Am Donnerstag läuft die sogenannte "Feedback period" aus. Die EU-Kommission hatte ihren Vorschlag für Euro 7 im vergangenen November vorgestellt. Wenn keine weiteren Verzögerungen eintreten, sollen die neuen Bestimmungen im Juli 2025 in Kraft treten.

Der neue Präsident des europäischen Automobil-Herstellerverbandes ACEA, Renault-Chef Luca de Meo, hatte in der vor Kurzem in einem offenen Brief an die EU-Institutionen vor einer Verabschiedung von Euro 7 gewarnt (die Automobilwoche berichtete). 

Seiner Kritik schließen sich nun wichtige Hersteller an. „Der Euro 7-Vorschlag der Kommission enthält in seiner gegenwärtigen Form völlig unrealistische zeitliche Zielvorgaben“, erklärte ein Sprecher des VW-Konzerns. Der Vorschlag sei auch terminlich für die Hersteller nicht "nicht umsetzbar." „Zudem würde der Vorschlag große personelle und finanzielle Ressourcen binden. Wir könnten sie sinnvoller zukunftsgerichtet für die Elektrifizierung einsetzen,“ so der VW-Sprecher. Nicht zuletzt sei auch mit "negativen Beschäftigungseffekten" auch für den VW-Konzern zu rechnen.

Die Autobauer stoßen sich vor allem an der Auflage, die strengeren Grenzwerte künftig in allen Fahrsituationen einhalten zu müssen. Bislang gab es zahlreiche Ausnahmen, die den Autobauern gestatteten, bei Extremsituationen wie Bergfahrten im Winter höhere Emissionswerte zeitweilig emittieren zu dürfen.

"Die Worst-Case-Szenarien in den sogenannten Testrandbedingungen beinhalten bewusstes und andauerndes Fahren unter extremen Bedingungen, großer Kälte, Steigung, Beschleunigung, Zuladung und so weiter," erklärte Volkswagen dazu. Sie hätten mit der realistischen Nutzung des Fahrzeugs wenig zu tun, erforderten aber viel zusätzliche Technik. "Gerade günstige Kleinwagen würden dadurch erheblich teurer. Die von Luca de Meo genannten Werte sind realistisch."

"Der Luftqualität ist nicht geholfen, wenn wir die Abgasemissionen eines neuen Verbrenners mit Vollgas und Pferdeanhänger im ersten Gang auf einem Bergpass in den Alpen zum Maß der Dinge machen, sondern wenn mehr Elektroautos auf vielbefahrene Straßen in Europas Innenstädten kommen", betont man bei VW.

Bei BMW sieht man Euro 7 ebenfalls sehr kritisch. "Euro 6 und im speziellen Euro 6d wirken und decken bereits 95 Prozent aller statistisch relevanten Fahrsituationen ab", teilte das Unternehmen der Automobilwoche mit. Dadurch sei die Luftqualität bereits messbar verbessert worden.

"Der Entwurf der EU-Kommission stellt aber genau solche Sonderfälle in den Vordergrund – statt die Grenzwerte für den alltäglichen Verkehr stärker zu senken, wie von ACEA vorgeschlagen", schüttelt man bei BMW den Kopf.

„Euro 7 sollte vor allem Schadstoffe regeln und nicht für ein früheres Ende des Verbrenners instrumentalisiert werden“, meinen die Münchener. „Damit würde das Produktangebot unnötig verteuert und führt womöglich zu einer weiteren Angebotsverknappung, gerade im Kleinwagensegment.“

Stellantis-Chef Carlos Tavares ist seit langem ein erklärter Gegner der neuen Verbrenner-Emissionsregelung. "Euro 7 ist eine Abzweigung wichtiger Ressourcen von diesem Übergang zur Elektrifizierung", betonte er jüngst. Zudem werde das wichtige Ziel einer erschwingliche Mobilität gefährdet. Auch der Stellantis-Chef hält das Einführungsdatum 1. Juli 2025 für verfrüht. "Das lässt keine ausreichende Vorlaufzeit für die Entwicklung und Zulassung von Produkten zu.“

Auch Bosch-CEO Stefan Hartung hat große Zweifel an Euro 7, obwohl er eine noch strengere Emissionsregelung für richtig hält. Er sagt auf Nachfrage: „Die Zeitschiene ist vor allem bei Lkw sehr hart und könnte dazu führen, dass es manche Produkte dann für eine bestimmte Zeit einfach nicht zu kaufen gibt.“

Es könne sein, dass bestimmte Motoren nicht mehr gebaut würden. „Es darf nicht sein, dass die Anforderungen technisch nicht machbar sind und ein Motor mit Abgassystem gar nicht mehr gebaut werden kann. Das gilt zum Beispiel dann, wenn dort ein Sensor aufgeführt ist, den es überhaupt nicht gibt.“ Es gehe darum, die Regelung vernünftig auszugestalten, so der Bosch-Chef.

Die EU-Kommission ist dagegen überzeugt, dass der Nutzen von Euro 7 die Kosten weit übersteigt. Der Vorschlag für Euro 7 beziehe sich vor allem auf die so genannten "Real driving"-Situationen, also realistische und häufig vorkommende Fahrsituationen, nicht auf einige wenige Extremlagen wie Bergfahrten im Winter, so ein Sprecher der Kommission gegenüber der Automobilwoche.

Die Autobranche habe den Vorschlag in diesem Punkt falsch interpretiert. Es bleibe unter Euro 7 ausdrücklich möglich, wie bisher bei extremen Fahrlagen mehr Emissionen auszustoßen als dies regulär der Fall sein dürfe. "Das gilt zum Beispiel für Fahrten in großer Höhe, unter heißen Temperaturen oder beim Ziehen von Anhängern."

Zudem sei sich die Kommission der großen Bedeutung klar, die erschwingliche Mobilität für die Menschen habe. Nach Berechnungen der Kommission würde ein neuer PKW unter Euro-7-Regulierung aber nur 90 bis 150 Euro teurer, dies sei weniger als ein Prozent des Fahrzeugwertes.

Ein LKW oder Bus, der künftig stärker umgebaut werden muss, würde "etwa 2600 Euro" kostspieliger, räumte der Sprecher aber ein. Doch stelle auch diese Kostensteigerung nur rund drei Prozent des Wertes eines kleinen LKW und 1,6 Prozent des Wertes eines kleinen Busses dar.

Die Leiterin des Bereichs Fahrzeuge bei der europäischen Nichtregierungsorganisation Transport & Environment, Julia Poliscanova, zeigte sich gegenüber der Automobilwoche entrüstet über die neuen Einwände der Autoindustrie gegen Euro 7. Sie sagt: "Die EU-Regulierungen sind der Motor für Investitionen in saubere Autos und nachhaltige Lieferketten auf dem Kontinent. Ihre Abschaffung führt nur zu einem globalen Wettlauf an den Abgrund", so Poliscanova.   

Die Autobranche rufe nach mehr staatlicher Unterstützung und will die Regulierung abbauen. "Das ist keine seriöse Forderung und reicht sicher nicht aus, um Europas Autoindustrie zum grünen Cleantech-Vorreiter der Zukunft zu machen." Der Kampf um Euro 7 hat gerade erst begonnen.

Dies ist ein Text aus der neuen Ausgabe der Automobilwoche, die Sie HIER bequem bestellen können.

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