Cupra drängt aus der Nische und stiehlt Seat die Schau

Smart, Daewoo, Infiniti - es hat zumindest in Europa in den letzten Jahrzehnten nicht viele neue Marken gegeben, die es zu etwas gebracht haben. Doch keine Regel ohne Ausnahme. Denn während Daewoo und Infiniti bei uns wieder verschwunden sind und Smart gerade nach China verscherbelt wurde, stahlt Cupra mittlerweile gleißend hell: Was mal als Sportabzeichen der Seat-Modelle begonnen hat, ist mittlerweile zu einer veritablen Eigenmarke geworden, die ihren Umsatz mit rebellischem Gemüt und unkonventionellem Marketing binnen vier Jahren auf 2,2 Milliarden verfünffacht und seit dem Start im Jahr 2018 immerhin schon rund 200.000 Autos verkauft hat. Und damit ist Markenchef Wayne Griffiths nicht zufrieden. Sondern sportlicher zugeschnitten, höher positioniert und damit teurer verkauft als Seat und auf dem Globus weiter verstreut, will er mittelfristig auf 500.000 Autos im Jahr kommen.

Dafür treibt der Rebell seine Mission jetzt mit Macht voran – und mit jeder Menge Lärm. Während der große Rest der Autowelt noch immer in der post-pandemischen Schockstarre verharrt und sich der Öffentlichkeit vor allem digital präsentiert, haben die Spanier über 600 Gäste zu einem Gipfel nach Barcelona gelockt, bei dem sie sich nicht nur kräftig selbst beweihräuchert, für ihren Mut und ihren Erfolg gefeiert haben, sondern bei dem auch ein Fenster in die Zukunft geöffnet wurde. Denn Schlag auf Schlag hat Griffiths jene drei neuen Autos enthüllt, die ab 2024 zur weiteren Zugnummer des Aufstiegs werden sollen.

Den Anfang macht dabei der Tavascan, ein elektrisches SUV-Coupé auf MEB-Basis, das als elegante Version des VW ID.5 durchgeht und genau wie der Born als elektrischer Erstling in der Cupra-Familie all die anderen Elektroautos des Konzerns als brav und bieder erscheinen lässt.

Flankiert wird der auf Reichweiten von rund 500 Kilometer und Leistungen bis 300 PS ausgelegte Tavasacan vom Terramar. Benannt nach der alten Rennstrecke vor den Toren Barcelonas, auf der Cupra 2018 seinen Einstand gegeben und jetzt auch die Pläne für die Zukunft enthüllt hat, soll er die Marke als SUV von 4,50 Metern mit dem Gesicht eines Porsche Macan und der Silhouette eines Kia Sportage in höhere Klassen führen und so nicht zuletzt dem mittlerweile in die Jahre gekommenen Seat Tarraco das Wasser abgraben. Tatsächlich noch mit Dieseln und Benzinern geplant, markiert er zudem den letzten neuen Verbrenner für Cupra, bevor die Marke spätestens 2030 vollständig elektrisch wird. So ganz auf die Kraft der neuen Zeit muss allerdings auch der Terramar nicht verzichten: Sondern der Wagen kommt auch als Plug-in-Hybrid der nächsten Generation mit einer elektrischen Reichweite von mehr als 100 Kilometern, stellt Entwicklungsvorstand Werner Tietz in Aussicht.

Die größten Hoffnungen ruhen allerdings auf dem kleinsten Auto: Dem Urban Rebel. Auch in der Serie so sportlich und knackig wie die IAA-Studie aus München, nur ohne den riesigen Flügel am Heck und dem messerscharfen Splitter am Bug, soll er ab 2025 zum ersten halbwegs bezahlbaren Elektroauto aus dem VW-Konzern und zugleich zum Anführer einer ganzen Familie werden. Denn in Barcelona entwickeln sie nicht nur den Urban Rebel, sondern gleich eine ganze Konzern-Platform unterhalb des Modularen Elektrifizierungsbaukastens MEB, auf der auch Skoda einen elektrischen Kleinwagen baut und VW seine ID-Familie um einen Einser und einen Zweier ergänzen will. Und anders als bei Kleinstwagentrio Up, Mii und Citigo gibt’s zwar wieder gemeinsame Technik in der Unterwäsche, aber bei den Karosserieteilen, die das Design ausmachen, diesmal keine Gleichteile, verspricht Tietz.

Und nur weil VW den kleinen ID als Sparmodell angekündigt hat, mit dem der Preis für ein Elektroauto auf 20.000 Euro sinken soll, bleibt zumindest der Cupra der Spaß nicht auf der Strecke: "Wir kommen in der Top-Version mit 226 PS, schaffen den Sprint auf Tempo 100 in weniger als sieben Sekunden und fahren über 400 Kilometer weit", skizziert Tietz die Eckdaten für den 4.02 Meter langen Ibiza-Enkel, der anders als die bisherigen MEB-Modelle über Front- statt Heckantrieb verfügen wird.

Parallel zu den neuen Autos gibt es ein Update für die aktuelle Flotte, zu der künftig neben dem Born und dem Formentor nur noch der Leon als Fünftürer und als Kombi zählen wird. Der Ateca hat dagegen offenbar keine Cupra-Zukunft mehr. Dafür emanzipieren sich alle bisherigen Modelle weiter denn je von Seat, sagt Tietz und verspricht ein eigenständiges Design, das geprägt sein wird von der "Sharknose", die künftig zum Erkennungszeichen der Marke werden soll.

Zwar hat sich Cupra in den letzten Jahren prächtig entwickelt und hat zumindest in den Augen seiner Macher eine noch viel glänzendere Zukunft. Doch je heller die Tochter strahlt, desto blasser sieht die Mutter aus. Nachdem Elektroautos für Seat nach Einschätzung des Entwicklungschefs noch zu teuer sind und die erhofften Preissprünge bei wichtigsten Komponenten wie den Batterien noch ausstehen, zugleich aber der Druck auf die Verbrenner weiter steigt, wird die Luft für Seat zusehends dünner. Es ist deshalb schwer vorstellbar, dass sie in der Zentrale in Martorell genauso intensiv an neuen Seat-Modellen arbeiten, wie sie die Zukunft von Cupra gestalten. Und auch wenn sich Tietz weder eine Bestandsgarantie für Seat entlocken lässt, noch der Marke den Todesstoß geben will, muss man nicht tief zwischen den Zeilen lesen, wenn man die Gemengelage verstehen will. "Auch wir können unser Geld nur einmal ausgeben und unsere Kapazitäten nur einmal investieren. Deshalb müssen wir unsere Prioritäten setzen." Und es braucht nach diesem Abend nicht viel Phantasie um zu wissen, wo die liegen.

Aus dem Datencenter:

Modellvorschau Seat und Cupra 2023 bis 2025