"Letzte Chance, in der Welt der Datenökonomie eine Rolle zu spielen"

Was das nächste große Ding in der Automobilindustrie sein wird, weiß VW-Chef Herbert Diess sicher: Software, autonomes Fahren und vor allem die Daten, die von den Autos gesammelt werden. Und wenn es Europa noch gelingen soll, im Geschäft mit Big Data mitzumischen, dann hier. "Wir haben jetzt die - vielleicht letzte - Chance, in der Welt der Datenökonomie eine bedeutende Rolle zu spielen", sagte er der Automobilwoche. "Das Auto ist auf absehbare Zeit die wahrscheinlich letzte große Software-Domäne, die es noch zu erschließen gilt."

Um das Thema voranzutreiben, wollen die Hersteller nun erstmals auch ihre Daten miteinander teilen. Mobility Data Space (MDS) heißt die neue Plattform zum Austauschen. Angeschoben wurde das Projekt zwar schon vor zwei Jahren von der Bundesregierung, doch lange hatten sich die Autobauer zurückhaltend gezeigt, ihre Datenschätze mit der Konkurrenz zu teilen. Im Oktober gab es nun einen Durchbruch: Acht Gründungsgesellschafter machen mit, neben dem Volkswagen-Konzern auch Mercedes-Benz, BMW und der gemeinsame Kartendienst Here. Starten soll der neue Datenraum am 1. Januar 2022.

Die Idee: Über die neue Plattform sollen Informationen zur Verkehrslage, zu Baustellen und freien Parkplätzen, aber auch zum Wetter leichter zwischen den Partnern ausgetauscht werden. Denn solche Daten werden vor allem für das autonome Fahren und für neue Mobilitäts- dienste gebraucht, zwei Bereiche, die Diess zu tragenden Säulen seiner neuen Konzernstrategie "New Auto" erklärt hat. Die größere Datenmenge der Allianz soll nun helfen, hier schneller voranzukommen. Und vor allem soll damit den US-Tech-Riesen wie Google und Apple etwas entgegengesetzt werden.

Der Vorstoß des VW- Chefs kommt nicht von ungefähr. Schließlich will Diess den Wolfsburger Autobauer bis 2030 zum technologiegetriebenen Mobilitätskonzern umbauen. Daten spielen dabei eine zentrale Rolle. "Wenn Autos autonom fahren und zum Internet-Device wer- den, dann entsteht großer Mehr- wert für Kunden und Hersteller", verspricht Diess. Diesen Mehrwert will er in neues Geschäft ummünzen: zubuchbare Functions on Demand, Apps over the air und neue Mobilitätsdienste, die rund um den zugekauften Autovermieter Europcar entstehen sollen. Die Hoheit über die Daten sei dafür unerlässlich.

Das Potenzial ist gewaltig, ist sich Diess sicher: "Das Auto ist der größte Sammler von Informationen und Daten, den man sich vorstellen kann. Die Informationsverarbeitung im Auto wird alles übertreffen, was wir bisher etwa vom Smartphone kennen." Jetzt müsse es darum gehen, diese Daten in Europa zu halten und nicht wie in den anderen Bereichen an Technologie-Giganten aus den USA zu verlieren.

Dabei setzt Diess auch auf Rückendeckung aus der Politik. Mit dem im Mai vom Bund verabschiedeten Gesetz zum autonomen Fahren habe Deutschland stark vorgelegt. Diess: "Das datengetriebene Auto mit all seinen zukünftigen Funktionen und Möglichkeiten hat durch die neue Gesetzgebung zum autonomen Fahren Rückenwind erhalten." Hier gebe es nun eine echte Chance, ganz vorn mitzuspielen. "Mein klarer Appell lautet daher: Lasst uns die Chance ergreifen und uns als Europa in diesem Wettbewerb behaupten."

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