Es war ein heftiges Ringen: Erst im dritten Anlauf bekam Herbert Diess vor einem Jahr seine ersehne Vertragsverlängerung. Noch bis zu seinem 67. Geburtstag im Oktober 2025 steht er nun an der Spitze des Konzerns. Im Interview mit dem "Spiegel" sprach er nun über mögliche Nachfolger, die sein Amt dann übernehmen könnten. "Ich habe schon drei, vier interne Personen im Auge", sagte Diess, ohne Namen zu nennen. Die Automobilwoche stellt die vier möglichen Kronzprinzen vor.
Die vier Kronprinzen von Herbert Diess
Sein Vertrag läuft noch bis Oktober 2025. Im Interview sprach Herbert Diess jetzt erstmals von drei, vier möglichen Nachfolgern. Die Automobilwoche stellt die Kronprinzen vor.
Oliver Blume: Der Porsche.Chef wird bereits seit einigen Jahren als Kronprinz für die Nachfolge von Diess gehandelt. Das liegt nicht nur an der Erfolgsgeschichte, die der 54-Jährige mit dem Sportwagenbauer geschrieben hat. Es liegt auch dran, dass er bei Wolfgang Porsche als einem der einflussreichsten Haupteigner des Volkswagen-Konzerns hohes Ansehen genießt. Während noch vor einem Jahr selbst ein kurzfristiger Wechsel bei einem Abgang von Diess möglich schien, ist dieser deutlich weniger wahrscheinlich geworden.
Mit der Ankündigung des Börsengangs von Porsche ist eine stabile Führung in Stuttgart von höchster Bedeutung, zumal die für die Investoren so wichtige Erfolgsgeschichte verbunden mit der Elektrfizierung der Modellpalette eng mit dem Namen Blume verbunden ist. Bevor der Börsengang nicht vollzogen ist, dürften personelle Veränderungen in Stuttgart Tabu sein. Blume selbst hat auf die Frage nach Wolfsburg stets diplomatisch geantwortet, dass ihm sein Job in Stuttgart Spaß mache und dies andere zu entscheiden hätten.
Markus Duesmann: Sein Name fällt stets, wenn es um die Diess-Nachfolge geht. Seit April 2020 ist der frühere Formel-1-Ingenieur Vorstandsvorsitzender von Audi und hat damit schon Kraft seines Postens naturgemäß eine Kronprinzenrolle inne. Wer die wichtige Premiummarke führen kann, muss sich perspektivisch auch den Chefsessel bei Konzernmutter Volkswagen zutrauen. Duesmann selbst hatte zwar kurz nach seinem Antritt als Audi-Chef alle Ambitionen noch weit von sich gewiesen und erklärt, sein Platz sei in Ingolstadt. Dass er sich den Chefsessel in Wolfsburg zutrauen würde, galt intern aber als sicher.
Doch zwischen Duesmann und Diess knirschte es zuletzt rund um die Probleme bei Software-Tochter Cariad. Anfang des Jahres hatte Herbert Diess sich die Zuständigkeit für die zukünftigen Betriebssysteme des Konzerns selbst gesichert und Duesmann, den der VW-Chef selbst bei seinem früheren Arbeitgeber BMW loseiste, damit brüskiert. Duesmanns Manko: Er ist kein Lautsprecher, keine klassische Rampensau.
Audi führt der Diplom-Ingenieur seit seinem Amtsantritt geräuschlos und störungsfrei. Viele finden: Zu geräuschlos. Für den wichtigsten Job im Volkswagen-Imperium müsste Duesmann zwingend mehr in die Öffentlichkeit, was dem ruhigen Westfalen vermutlich weniger schmecken dürfte. Zudem läuft es bei den wichtigen Zukunftsprojektes wie Cariad und Artemis, die Diess Duesmann mit auf den Weg gegeben hatte, alles andere als rund. In Wolfsburg werden Duesmann daher kaum noch Chancen eingeräumt, jemals an die Konzernspitze aufzusteigen.
Ralf Brandstätter: Im jüngsten Machtkampf zwischen Diess und Betrjebsratschefin Daniela Cavallo wurde Brandstätter bereits als heißer Anwärter für eine mögliche Diess-Nachfolge gehandelt. Bereits 2020 hatte er nach dem damaligen Machtkampf zwischen Diess und dem Aufsichtsrat dem Konzernchef die Leitung der Kernmarke Volkswagen abgeommen. Anders als Diess gilt der 53-Jährige als Liebling des Betriebsrats. So gelang es ihm, Konflikthemen wie die neue Trinity-Fabrik und eine zügige E-Auto-produktion im Stammwerk gemeinsam mit Cavallo geräuschlos vom Tisch zu räumen. Dabei steht er in der Sache, etwa beim Thema Elektrifizierung, Software und Umbau in Wolfsburg, dem Konzernchef in nichts nach und drückt hier ebenso aufs Tempo.
Seine Nähe zum Betriebsrat ist zugleich aber sein größtes Manko: Bei den Arbeitnehmervertretern und auch beim Land Niedersachsen kommt das zwar gut an, für die Familien Porsche und Piech ist das aber ein No-Go. Und die kontrollieren bei VW die Mehrheit der Stimmrechte. Dass Brandstätter dann am Ende des Machtkampfs als China-Vorstand nach Peking geschickt wurde, sahen viele daher als Signal, dass er für die Diess-Nachfolge nun aus dem Rennen sei.
Doch das Gegenteil könnte der Fall sein. Sollte es Brandstätter gelingen, auf dem für VW wichtigsten Absatzmarkt das Steuer herumzureißen, könnte er 2025 zum heißen Anwärter werden. Zumal er bis dahin die Chance hat, abseits von Wolfsburg und weit weg von Konzernvorstand und Betreibsrat selbst an Statur zu gewinnen. China könnte so zur Eintrittskarte werden, mit der sich Brandstätter für höhere Weihen empfiehlt.
Thomas Schäfer: Den Namen des neuen VW-Markenchefs hatte bis vor kurzem in Wolfsburg noch niemand auf dem Zettel. Doch mit dem überraschenden Wechsel des bisherigen Skoda-Chefs an die Spitze der Kernmarke wächst Schäfer zum ernsthaften Aspiranten für die Diess-Nachfolge heran. Denn anders als sein Vorgänger sitzt Schäfer von Anfang an auch im Konzernvorstand und ist dort nicht nur für die Marke Volkswagen sondern für die gesamte Volumengruppe inklusive Skoda, Seat/Cupra und VW Nutzfahrzeuge zuständig.
Damit ist der 52-Jährige in Wolfsburg schon jetzt der neue starke Mann, der für mehr als 80 Prozent des gesamten Konzernabsatzes verantwortlich zeichnet. Dass er zuvor Skoda-Chef war und auch schon mehrere Jahre für VW in Südafrika, aber vor Jahren auch schon einmal in Wolfsburg wirkte, sind weitere Pluspunkte: Schäfer kennt Wolfsburg und die Kernmarke, aber auch die Perspektive einer Konzerntochter und das Geschäft in anderen Ländern - was beim Ziel, weltweit enger zusammenzuarbeiten und Synergien zu heben, helfen wird. Sollte Schäfer hier Erfolg haben, dürfte er voll 2025 Top-Anwärter für die Diess-Nachfolge werden.