Neue Werte bei VW

Wolfsburg. Mehr Spannung war nie. Die Bilanzkonferenz von VW für das Geschäftsjahr 2015, auf Deutsch, Englisch und Japanisch live im Internet übertragen, fand weltweit große Beachtung. Drängende Themen gab es zuhauf am 28. April in Wolfsburg: Die Auf­arbeitung von „Dieselgate“ etwa, ein auf Schlüssel­positionen neu besetzter Vorstand und nicht ­zuletzt die harsche Kritik an den Bezügen der Führungskräfte.

Überraschend war die Ankündigung von Vorstandschef Matthias Müller, „VW für neue Partnerschaften und für strategische Beteiligungen zu öffnen“. Doch Müller lieferte noch vier weitere Botschaften von zentraler Bedeutung – auch zwischen den Zeilen.

Ein kaum verhohlener Seitenhieb auf seinen Amtsvorgänger Martin Winterkorn war dieser Satz von Müller: „Für stolze technologiegetriebene Unternehmen wie unseres noch recht ungewohnt ist die Erkenntnis, dass man nicht alles selbst entwickeln kann.“

Daher fordert der neue VW-Lenker nun etwa „Mut zur Innovation und zur eigenen Meinung“. Es sieht so aus, als sei die Basta-Kultur der „Wiko“-Ära jetzt beendet. Er wolle einen „kon­struktiven Umgang mit Fehlern“.

Absolute Volumenziele und die Weltmarktführerschaft sind dem früheren Porsche-Chef Müller nicht sonderlich wichtig. Vielmehr sollen bei VW „neue Werte unser Handeln künftig leiten“. Im Mittelpunkt steht dabei „Integrität“, denn ein Debakel wie den Abgasskandal dürfe es nie wieder geben.

Müller lässt bereits einen Kodex der Zusammenarbeit erstellen, der Mitte dieses Jahres vorgestellt wird. Und mit Blick auf die bei VW dringend gebotene Versöhnung von Ökonomie und Ökologie will Müller bald einen Nachhaltigkeitsbeirat gründen.

Das Reich der Mitte ist der mit Abstand größte Einzelmarkt von VW. Entsprechend sorgenvoll blickt man auf das mögliche Szenario einer „deutlich nachlassenden konjunkturellen Dynamik dort“ (Müller). Käme es eines ­Tages dazu, entgegen aktuellen Erwartungen, drohten „gravierende Folgen“.

Deshalb treibt VW das Projekt „Budget Car“ voran. Wie China-Vorstand Jochem Heizmann auf Anfrage von Automobilwoche erklärte, kreiert VW für die in ­China gebauten Billigautos gerade die 13. Konzernmarke.

Der Konzernumsatz 2016 wird nach Einschätzung Müllers „unter Vorjahr liegen“. 2015 waren es 213,3 Milliarden Euro. Bei den Auslieferungen rechnet VW mit abermals zehn Millionen Einheiten.

„Zugegeben, diese Jahresprognose ist nicht das ‚Schneller-Höher-Weiter‘, das Sie von Volkswagen kannten“, so Müller. Die Rekordjagd sei zumindest unterbrochen. „Um es klar zu sagen“, legte der neue Chef nach, „das bekümmert mich nicht im Geringsten.“