VW Hannover muss um Artemis-Produktion bangen

Eigentlich sollte beim Artemis-Projekt von Audi längst alles klar sein: Bereits vor einem Jahr hatte der Konzern dem Werk von Nutzfahrzeuge in Hannover den Zuschlag gegeben und Konzernchef Herbert Diess anschließend verkündet, dass alle drei Artemis-Modelle von Audi, Porsche und Bentley ab 2024 dort gebaut werden. Doch intern stieß der Vorstoß auf wenig Gegenliebe. Das Paket könnte nun noch einmal aufgeschnürt werden.

Vor allem Porsche-Chef Oliver Blume zeigt wenig Begeisterung für das Projekt. Artemis sieht er nur als Baukasten, aus dem sich Porsche bedient. Der elektrische Cayenne-Nachfolger soll zwar auf Artemis-Basis entstehen, bauen will Porsche ihn nach Information der Automobilwoche aber lieber nicht in Hannover, sondern an einem erprobten Cayenne-Standort. Die Wahl soll dabei aber nicht, wie zuletzt kolportiert, auf Leipzig fallen, wo einst der Cayenne I montiert wurde. Favorit von Porsche ist nach Informationen der Automobilwoche das VW-Werk in Bratislava, wo derzeit der Cayenne II entsteht.

Als sicher gilt inzwischen, dass der Bentley nicht komplett aus Hannover kommen wird. Die britische Edelschmiede war von Anfang an "not amused", dass ausgerechnet der erste Stromer der VW-Tochter, die 2030 zur reinen Elektromarkte werden will, nicht in England entstehen soll. Jetzt dürften zumindest Interieur und Lack in Crewe bleiben, Hannover nur die vormontierten Karossen samt Antrieb und Batterie liefern.

Der Zuschlag für Hannover war dort vor einem Jahr als großer Erfolg gefeiert worden, um die Auslastung des Werks zu sichern. Angesichts der neuen Diskussion sagte VWN-Betriebsratschefin Bertina Murkovic: "Mit dem Standortvertrag und der darin festgeschriebenen Beschäftigungssicherung bis 2029 haben wir Sicherheit im Werk Hannover. Es ist die Aufgabe des Managements dafür zu sorgen, dass unser Werk durch entsprechende Fahrzeugprojekte ausgelastet ist. Das ist aktuell der Fall. Sollte es hieran Änderungen geben, müssen diese mit der Arbeitnehmervertretung beraten und abgestimmt werden!"

Für das VW-Stammwerk Wolfsburg hingegen zeichnet sich im Streit der neuen Betriebsratschefin Daniela Cavallo mit VW-Chef Herbert Diess um ein E-Modell für den Standort ein Kompromiss ab. Sollte die Nachfrage nach den bisher in Zwickau gebauten Elektro-Modellen weiter anziehen, könnte nach Informationen der Automobilwoche das VW-Stammwerk eine Überlaufproduktion für ID.3 oder ID.4 erhalten, zusätzlich zu den bisherigen Produktionsstandorten. Das Nachsehen hätten dann Standorte wie Audi in Neckarsulm, wo man dem Blatt zufolge ebenfalls auf eine solche Überlaufproduktion hofft. Schließlich wird in Zwickau auch der Audi Q4 e-tron gebaut.

Cavallo hatte zuletzt gefordert, schneller als bisher geplant ein E-Modell nach Wolfsburg zu bringen, um die derzeit desolate Auslastung des Stammwerks zu heben. Am liebsten will sie schon 2024 ein Elektroauto in Wolfsburg bauen, zum Beispiel den ID.5, der gerade in Zwickau anläuft. Bisher ist erst mit Trinity 2026 ein E-Modell für Wolfsburg geplant. Cavallo hatte angekündigt, das auch zum Thema bei der anstehenden Planungsrunde des Konzerns machen zu wollen. Die eigentlich für 12. November geplante Sitzung wurde inzwischen auf 9. Dezember vertagt. Es gebe noch Klärungsbedarf, hieß es.

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