So will Volvo die alte Auto-Welt hinter sich lassen

Sie haben sich als erstes von den großen Motoren verabschiedet, dann freiwillig das Tempo gedrosselt und schon früh die ersten Elektro-Umbauten eingeführt. Doch das war nur der Anfang. Denn jetzt erfindet sich Volvo ganz neu und will die alte Auto-Welt endgültig hinter sich lassen. Während Konkurrenten wie Audi, BMW und Mercedes noch zweigleisig fahren und neben den zukunftsgewanden E-Modellen noch pflichtschudlig oder prinzipienfest die Verbrenner pflegen, lässt die Lieblingsmarke der Lehrer und Weltverbesserer die alte Zeit von schwerfälligen Kombis und durstigen Fünfzylinder-Motoren endgültig hinter sich und setzt künftig allein auf das weltweit am stärksten wachsende Fahrzeugsegment: Elektroautos für Besserverdiener. 

Wie ernst es ihnen damit ist, beweisen sie nun mit dem Nachfolger ihres Bestsellers XC90, der gerade in Stockholm enthüllt wurde, im Sommer in zwei Fabriken in China und den USA in Produktion geht und im Herbst bei den Händlern erwartet wird: Der heißt künftig EX90 und wird ausschließlich als Stromer angeboten. Genau übrigens wie all die anderen Modellneuheiten, von denen Volvo künftig jedes Jahr mindestens eine präsentieren will. Schon 2025 sollen Akkuautos dann bei den Verkäufen einen Anteil von mehr als 50 Prozent ausmachen, und ab 2030 wird es gar keinen Verbrenner mehr bei Volvo geben, stecken die Schweden den Zeitplan ab.

Zwar ist der EX90 nagelneu, doch eine Überraschung ist er nicht. Teilt er sich doch die Plattform mit dem Polestar3, der schon vor ein paar Wochen präsentiert wurde, am Markt aber einen ähnlichen Zeitplan hat und mit einem Grundpreis von knapp 90.000 Euro zumindest eine vernünftige Indikation für die Volvo-Tarife gibt.

Wie sein Schwestermodell kommt der EX90 mit einem 111 kWh großen Akku, der Reichweiten von bis zu 600 Kilometern ermöglichen soll, an der Ladesäule mit bis zu 250 kW in 30 Minuten von 10 auf 80 Prozent kommt und seinen Strom an der Wallbox als erster Volvo auch wieder ins Netz speisen kann. Den Antrieb übernehmen immer zwei E-Motoren, die in der Basisversion 408 und im Top-Modell 517 PS leisten. Bei bestenfalls 910 Nm haben sie selbst mit den knapp drei Tonnen des schwedischen Hünen leichtes Spiel und katapultieren den Koloss in 4,9 Sekunden auf Tempo 100, nur um bei 180 Sachen wieder Schluss zu machen. Schneller soll schließlich künftig kein Volvo fahren.

Das Format bleibt mit gut fünf Metern Länge ähnlich wie beim Vorgänger und die Form kennen wir schon vom Polestar. Doch geben dem Volvo eine eigenständige Front und vor allem die Leuchten seinen typischen Look. Auch innen ist die Verwandtschaft unverkennbar und hier wie dort herrscht eine noble nordische Kühle mit einem großen senkrechten Tablet als zentralem Blickfang und Bedienelement. Allerdings beweist Volvo mehr Familiensinn als die sportliche Schwester mit der Start-up-Attitüde und bietet den EX90 auf Wunsch auch mit einer dritten Sitzreihe an. 

Und auch sonst halten sich die Schweden trotz ihres neuen Kurses an alte Tugenden und feiern den EX90 als sichersten Volvo aller Zeiten. Der schaut deshalb nicht nur weiter voraus, ist wachsamer und hat zumindest die nötige Hardware fürs autonome Fahren bereits an Bord. Sondern er behält auch seine Insassen besser im Auge als je zuvor und gibt zur Not sogar den Besserwisser, der aufs Handyverbot hinweist und mehr Aufmerksamkeit fordert. 

Aufmerksamkeit erbittet sich auch Volvo-Chef Jim Rowan. Denn der EX90 sei nicht allein "unsere Vision eines großen Familien-SUV für das Elektro-Zeitalter, elektrisch geboren und von der Software definiert." Sondern es zeige auch, wofür Volvo in Zukunft bei Sicherheit, Technologie, Nachhaltigkeit und Design stehen will. "Das ist deshalb der Beginn eines ganz neuen Kapitels für uns."

Aus dem Datencenter:

Entwicklung der reinen Elektroautos in Deutschland Januar 2020 bis Oktober 2022