Diese 5 Probleme muss Oliver Blume jetzt angehen

Es klingt nach einem mehr als gelungenen Einstand: Gut sechs Monate nach seinem Antritt als VW-Konzernchef kann Oliver Blume eine Bilanz vorlegen, die mehr als solide klingt: Trotz Krise konnte VW Umsatz, Betriebsgewinn und auch die operative Marge steigern. Und auch die Kasse des Konzerns ist gut gefüllt wie lange nicht mehr. Die Auftragsbücher ebenso.
Die ansonsten an sich guten Zahlen zeigen aber nur die halbe Wahrheit. Ausruhen darf sich Blume darauf nicht. Und das nicht nur, weil das Gros davon nicht seiner Arbeit zu verdanken ist. Schließlich hieß der Chef bis Ende August noch Herbert Diess.

Blume nutzt die Bilanzvorlage am Dienstag in Berlin denn auch vor allem, um nach vorn zu blicken. Und da warten noch einige Baustellen auf ihn, die es nun abzuarbeiten gilt.

Es ist weiter die größte Baustelle im Konzern: die Softwareschmiede Cariad. 2022 hatte Blume hier die Prioritäten neu gesetzt: Die Supersoftware 2.0 wurde auf 2028 verschoben, Vorrang hat nun die Software 1.2 für Audi und Porsche. Eigentlich sollte sie schon 2021 fertig sein, im Herbst soll sie nun laufen, damit Porsche Elektro-Macan und Audi Q6 e-tron endlich in Serie gehen können.

Das ist bitter nötig. Denn in Leipzig und Ingolstadt laufen beide Modelle längst in Vorserie, noch ohne den dringend benötigten Programmcode von Cariad. Die Hardware sei top, nur die Software fehlt weiter, heißt es an beiden Standorten,
Schon fast alarmierend wirkte hier, dass Blume in seiner Aufzählung der anstehenden Neuheiten genau diese beiden Modelle aussparte. Doch gegenüber der Automobilwoche wollte Blume von Angst vor weiterem Verzug nichts wissen. Noch sei man dabei, die Termine für die Weltpremieren festzuzurren, sagte er. "Aber wir sind fest entschlossen, dass die Fahrzeuge 2024 im Markt sind." Fast drei Jahre später, als ursprünglich geplant.

Einziger Makel der ansonsten blendenden Bilanz für 2022: der Mittelzufluss bereitet Sorgen. Doch das dürfte angesichts der Versorgungsprobleme zu verzeihen sein. Schließlich binden vollere Lager und halbfertige Autos, die nicht ausgeliefert werden können, Kapital, das dann in der Kasse fehlt. Vor allem Ende 2022 habe das voll durchgeschlagen, sagte Finanzvorstand Arno Antlitz.

Einziger Schönheitsfehler: Das hätte VW eigentlich schon im Oktober ahnen können, als man das bisherige Cashflow-Ziel ausdrücklich bestätigte hatte – und es nun klar verfehlte. Immerhin: Im Laufe des Jahres, so hofft Antlitz, soll sich der Rückstau dank sich bessernder Versorgungslage auflösen. Der negative Effekt des Vorjahres würde dann ins Gegenteil umschwenken. Schließlich würden die halbfertigen Autos, wenn sie denn mal ausgeliefert werden können, plötzlich Zusatzeinnahmen in die Kasse spülen. Allerdings: Das muss nun auch klappen.

Voraussetzung dafür wäre allerdings, dass sich die angespannte Versorgungslage vor allem bei Halbleitern endlich entspannt. Genau darauf setzen Blume und Antlitz. Noch ist ein Ende der Chipkrise aber nicht in Sicht. Und gerade VW kam bisher auffallend schlecht durch den Engpass. Hier wird der neue Beschaffungsvorstand Dirk Große-Loheide nun zügig liefern müssen. Sonst wird aus dem Plan, mit den auf Halde stehenden halbfertigen Autos endlich Geld zu verdienen, am Ende nichts werden.

Dass VW zuletzt, um überhaupt Autos bauen zu können, einfach aus den verfügbaren Teilen die einzig möglichen Konfiguration zusammenschraubte, ohne dass es dafür im prall gefüllt Orderbuch Kundenbestellungen gab, ist hier eher ein alarmierendes Zeichen. Am Ende gingen die nicht bestellten Autos mit Rabatt an eine Autovermietung.

Und das Geld wird von VW dringend benötigt. 180 Milliarden Euro will der Konzern bis 2027 in neue Projekte, Modelle und Anlagen investieren, zwei Drittel davon in Elektrifizierung und Digitalisierung. Und der größte Brocken solle dabei 2025 anfallen, sagte Antlitz. Das ist auch für VW eine gewaltige Investition, die erst erwirtschaftet werden muss.

Selbst die gut gefüllte Konzernkasse Ende 2022 hilft hier wenig. Denn das war nur eine Momentaufnahme. Der üppige Zuwachs von gut 16 Milliarden Euro war fast komplett dem Teilbörsengang von Porsche im September zu verdanken, der genau diese Summe in die Kasse spülte. Rund die Hälfte davon wurde Anfang Januar aber schon wieder als Sonderdividende an die eigenen Aktionäre ausgeschüttet, allen voran an die Porsche SE. Die gut gefüllte Kasse war damit nur eine kurze Momentaufnahme zum Jahreswechsel.

Und die eigentlichen Kosten für die Neuausrichtung kommen erst noch. Allein 1,5 Milliarden Euro müssen wegen des Softwarechaos bei Cariad nun noch einmal in die alte MEB-Plattform investiert werden müssen, damit sie als MEB+ länger durchhält. 15 Milliarden kostet allein der Aufbau der ersten drei Batteriezellfabriken in Salzgitter, Spanien und Kanada. Und weitere zwei Milliarden das neue Scout-Werk in den USA.

Auch der kräftige Anstieg des Konzerngewinns bei sinkender Auslieferung ist noch kein Rezept für die Zukunft. Denn steigern konnte VW Umsatz und Gewinn nur deshalb, weil angesichts knapper Teile die teuren und margenstarken Fahrzeuge von Porsche und Audi bevorzugt beliefert wurden – auf Kosten der Volumenmarken. Rein rechnerisch erlöste der Konzern mit jedem Auto im Schnitt fast 34.000 Euro, 20 Prozent mehr als im Vorjahr. Und machte rein rechnerisch mit im Schnitt gut 2700 Euro sogar 21 Prozent mehr Gewinn pro Fahrzeug.

Gelungen ist das aber eben nicht durch kräftige Preiserhöhungen oder einen dramatischen Absatzschub bei den teuren Modellen. Sondern dadurch, dass weniger billige Modelle gebaut und dann auch verkauft wurden. Doch das funktioniert nur, solange man die Kosten für die Produktionsausfälle wie die in Wolfsburg auslagern kann, etwa über Kurzarbeitergeld. Ein Modell für die Zukunft ist das aber nicht. Es sei denn, man wollte den Konzern gezielt gesundschrumpfen.

Doch davon kann angesichts der starken Stellung von Land und Betriebsrat in Wolfsburg wohl keine Rede sein. Im Gegenteil: 2023 soll der Absatz wieder kräftig wachsen, kündigte Antlitz an: auf 9,5 Millionen Fahrzeuge. Das wären 1,3 Millionen mehr als 2022. Die Messlatte ist damit hoch angelegt.

Aus dem Datencenter:

Ergebnisse der Marken des VW-Konzerns im ersten Halbjahr 2022