VW-Konzernchef Oliver Blume stellt an diesem Mittwoch (21. Juni) Investoren und Analysten erstmals im Detail vor, wie er sich die kommenden Jahre im Hinblick auf Finanzen und Strategie vorstellt. Blume hat eine stärker auf den Kapitalmarkt ausgerichtete Gangart in Aussicht gestellt - Analysten erwarten daher viel vom VW-Lenker.
Das sind die aktuellen Probleme bei VW
Der Absatz steigt nach der Krise wieder, aber VW-Chef Oliver Blume hat noch diverse Probleme zu lösen. Eine Übersicht der aktuellen Baustellen vor dem Kapitalmarkttag.
Die Sorgen von Profiinvestoren und kleinen VW-Anlegern sind trotz ermutigender Geschäftszahlen groß. In China droht die Marke VW ihre jahrzehntelange Marktführerschaft zu verlieren, insbesondere weil billige heimische Anbieter von Elektroautos den Wolfsburgern den Rang ablaufen. Bei der Kernmarke zu Hause steht ein neues milliardenschweres Sparprogramm vor der Tür, um das Herzstück des Konzerns endlich rentabler zu machen. Im Vergleich mit anderen Massenherstellern steht VW nämlich bei der Profitabilität schwach da - und das trotz immer noch hoher Neu- und Gebrauchtwagenpreise.
Thema wird auf der Investorenveranstaltung daher auch die von Finanzanalysten immer wieder bemängelte Spardisziplin im Konzern sein. So will sich Konzern-Finanzchef Arno Antlitz künftig stärker auf den Barmittelzufluss konzentrieren, wenn es um die Steuerung der Geschäfte geht. Das heißt auch, dass Ausgaben für Sachinvestitionen und für Forschung und Entwicklung stärker in sein Blickfeld rücken.
Am stärksten dürfte es die Kernmarke der Wolfsburger treffen, und mit ihr den Verbund der Massenmarken im Konzern. In der sogenannten Markengruppe Volumen steht der Konzern mit den Marken VW Pkw, Seat, Skoda und den kleinen VW-Nutzfahrzeugen (VWN) vor den größten Herausforderungen - hier sind die Margen am geringsten, der Kostendruck durch den Schwenk zu den teureren Batterieelektroantrieben ist am höchsten.
Insbesondere die Marke VW Pkw hat auch nach mehreren großen Sparrunden und Umgruppierungen massive Probleme, eine auskömmliche Rendite zu erzielen. So kündigte VW-Markenchef Thomas Schäfer jüngst bereits an, bis 2026 das operative Ergebnis um zusammengenommen zehn Milliarden Euro verbessern zu wollen. Im ersten Quartal 2023 fuhr die Marke mit dem blauen VW-Logo nur eine Umsatzrendite von drei Prozent ein - von je 100 Euro Umsatz blieben also nur 3 Euro Betriebsgewinn. Schäfer will die Marge aber auf 6,5 Prozent bringen, um Ausgaben für Forschung und Entwicklung weiter bewältigen zu können - ohne dabei Gefahr zu laufen, in die roten Zahlen abzurutschen.
Vor allem hat Schäfer dabei die Produktion im Blick: So soll in den VW-Konzernwerken viel mehr markenübergreifend gebaut werden, um die derzeit schlecht ausgelasteten Fabriken wieder rentabler zu machen. Voraussichtlich wird es aber auch wie in vorherigen Sparrunden um den Wegfall von Stellen gehen - wenn auch die starke Arbeitnehmerschaft in Wolfsburg solchen Vorhaben enge Grenzen setzt.
Der Kapitalmarkttag ist vor allem auch für Blume ein wichtiges Puzzlestück seiner nun knapp ein Jahr währenden Regentschaft: Er hat den Anlegern quasi als sein Markenzeichen versprochen, schnelle Entscheidungen zu fällen und diese dann auch zügig und konsequent im Team umzusetzen. Daran hat es in den vergangenen Jahren in Wolfsburg oft gehapert: Sein Vorgänger Herbert Diess hatte ambitionierte Vorgaben in Sachen Elektro und Software gemacht, scheiterte aber letztlich an deren Abarbeitung im Tagesgeschäft und an konzerninternem Streit.
Blume will nun jeder Marke konkrete Renditeziele verordnen, wie sie VW, Audi und Porsche schon länger haben und wie es in größeren Konzernen für einzelne Sparten auch üblich ist. Derzeit steht VW als Gesamtgebilde bei den Finanzen noch gut da, weil vor allem Porsche und Audi viel Geld verdienen. Doch mit der Konjunkturschwäche könnte auch das bald weniger Schwung liefern. Zugleich pochen die unter hohen Kosten ächzenden Zulieferer auf höhere Teilepreise.
Den großen Profiinvestoren und den beratenden Investmentbankern drückte zuletzt auch wegen der Ämterfülle von Blume der Schuh, denn der Manager führt auch die wichtige Sportwagenmarke Porsche weiter. Ohnehin gilt unter Finanzexperten als ausgemacht, dass die Machtverschränkungen und Führungseigenheiten im Konzern die stärksten Bremsen für einen höheren VW-Aktienkurs sind. Anleger bewerten die Luxusmarke Porsche an der Börse alleine derzeit mit 102 Milliarden Euro. Volkswagen als Ganzes - inklusive des 75-prozentigen Anteils an Porsche - kommt nur auf 72 Milliarden Euro.
Die Premiummarken der Wolfsburger wie Porsche, Bentley, Lamborghini, Audi, Bugatti und Ducati stünden gut da im Wettbewerb auch hinsichtlich von Elektroantrieben und dem autonomen Fahren, schrieb JPMorgan-Analyst Jose Asumendi. Daher achte er insbesondere auf Details zu den Massenmarken VW, Skoda, Seat, Jetta und Cupra, die sich im Wettbewerb in Europa, Nord- und Lateinamerika sowie in China bewähren müssten. Die weltweite Konkurrenz heize sich auf und setze VW an dieser Stelle unter Druck. Insbesondere in China habe VW bereits an den Kosten angesetzt. In Europa und Nordamerika sei die Wettbewerbsfähigkeit rund um die Batteriekosten ein großes Thema, in Europa vor allem wegen des Hochlaufs der eigenen Zellfabriken. Auch Details zur angestrebten Kehrtwende der Softwaretochter Cariad liegen dem Experten am Herzen.
Philippe Houchois von Jefferies goutierte zwar die Absicht, die schlecht laufenden Massenmarken des Konzerns auf Vordermann bringen zu wollen. Angesichts bereits bekannter Margenziele könnte das bei Anlegern aber auf taube Ohren stoßen, solange die Führung nicht die Investitionsausgaben in den Blick nehme, die bisher keine sichtbaren Synergien in der Gruppe gebracht hätten. Der Konzern gebe für Forschung und Entwicklung sowie Sachinvestitionen zusammen 13,6 Prozent seines Umsatzes aus, was noch auf 14,5 Prozent steigen dürfte. Jede Sparte investiere entweder auf dem Niveau von Wettbewerbern oder sogar mehr als diese. Das sei in einem Konglomerat nur schwer zu rechtfertigen. (dpa/swi)
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