Winterreifen bei 25 Grad

Ende Oktober nahm Helgard Fahrt auf. Von Island kommend schob sich das Tiefdruckgebiet machtvoll über Europa – und bescherte den Menschen in Deutschland von Flensburg bis zum Alpenrand Frühlingsgefühle. Vereinzelt wurde die Marke von 25 Grad geknackt – das gilt meteorologisch als Sommertag. Der Oktober 2022 war einer der wärmsten seit Beginn der Wetteraufzeichnungen.

Das gibt der Reifenbranche zu denken. "Von O bis O" heißt die Regel für Winterreifen. Von Oktober bis Ostern soll man mit speziell für verschneite Straßen konzipierten Pneus fahren. Doch wer kauft Winterreifen, wenn Ende Oktober noch T-Shirt-Wetter herrscht? "Wärmeanomalien gehören mittlerweile zum Alltag", heißt es auf Jörg Kachelmanns Wetterkanal. "Auffällig ist die Häufung eines milden Oktobers. Früher gab es solche Ausreißer alle zehn Jahre, heute kommen sie nahezu jährlich vor", sagt Andreas Friedrich, Meteorologe beim Deutschen Wetterdienst.

Das hat Auswirkungen aufs Reifengeschäft. Viele Autofahrer verzichten ganz auf den Reifenwechsel. "Der Absatz von Ganzjahresreifen in Deutschland wird 2022 rund zehn Prozent über dem Niveau von 2021 liegen, nach einem Wachstum von rund 20 Prozent zwischen 2019 und 2021", heißt es bei Goodyear.

Auch bei Bridgestone gewinnen die Alleskönner im Reifenportfolio an Bedeutung. "In bestimmten Regionen rücken Ganzjahresreifen stärker in den Fokus von Endverbrauchern", sagt Christian Mühlhäuser, Managing Director Bridgestone Central Europe. Auch wenn Ganzjahresreifen den saisonalen Reifenwechsel ersparten und deren Leistungseigenschaften oftmals nahe an die der Spezialisten herankämen, rät Bridgestone noch zum saisonalen Reifenwechsel: "Gerade im Winter müssen die Reifen auf die anspruchsvollen Bedingungen bei Nässe, Eis und Schnee ausgerichtet sein", sagt Mühlhäuser.

Trotz aller Wetterveränderungen hat der Winter viele Märkte noch im Griff. Reifenhersteller locken Kunden daher mit optimierten Winterreifen. Continental etwa stattet sein aktuelles Modell WinterContact TS 870 mit sogenannten 3D-Interlocking-Lamellen aus, sodass die Profil-Blöcke tiefer in den Schnee eindringen und sich besser verzahnen, um mehr Grip zu ermöglichen. Goodyear wiederum setzt eine "Traction Protect Technology" und einen "innovativen Harz" ein, um Brems- und Antriebskräfte schneller in Grip umzusetzen.

Ein weiterer Trend: speziell für SUVs entwickelte Kaltwetter-Pneus. "Der Markt für Premium-Winterreifen für SUVs ist einer der am schnellsten wachsenden in der Reifenindustrie, mit einem Wachstum von acht Prozent in den vergangenen zehn Jahren", heißt es bei Goodyear. "Der Reifenhandel konzentriert sich zunehmend auf diese hochwertigen und nachfragestarken Segmente."

Eine Gattung wird nur selten mit einer eigenen Winterkollektion versehen: E-Autos. Viele Hersteller entwickeln ihre Winterreifen zumeist so, dass sie unabhängig von der Antriebsart eingesetzt werden können. "Für ein besonders effizientes Elektrofahrzeug und ein emissionsarmes Verbrennerfahrzeug sind in Bezug auf die Reifen dieselben Kriterien von Bedeutung", heißt es bei Continental. "Unsere Hauptprodukte werden stets so entwickelt, dass sie auch für E-Fahrzeuge geeignet sind", sagt Bridgestone-Mann Mühlhäuser. Bei Bedarf würden E-Winterreifen bereitgestellt: "Für einige der neuesten E-Modelle von BMW und Mercedes-Benz haben wir individuell maßgeschneiderte Winterreifen für die Erstausrüstung entwickelt."

Aus dem Datencenter:

Preise von Reifen für Verbrenner und E-Autos im Vergleich