Mercedes erhöht Entwicklungstempo

Während der Covid-Pandemie kamen über drei Jahre lang fast keine Nachrichten aus China nach Europa. Bei der Automesse in Schanghai waren daher viele deutsche Autohersteller erstaunt über das Tempo der Entwicklungen.

Vor allem bei elektrischen Antrieben, Digitalisierung und Infotainment sowie automatisiertem Fahren haben viele chinesische Hersteller einen großen Sprung gemacht, können mit westlichen Automarken inzwischen gut mithalten und verfolgen Expansionsstrategien nach Europa.

Angesichts der stärker werdenden Konkurrenz will auch Mercedes die eigene Entwicklung beschleunigen. "Wir müssen noch schneller sein, wenn wir das Tempo der Investitionen dort anschauen", sagte Finanzchef Harald Wilhelm in einer Telefonkonferenz zur Bilanz des ersten Quartals.

Obwohl die Ausgaben für Forschung eigentlich sinken sollten, werden sie nun kurzfristig deutlich erhöht, so Wilhelm. Schon in den ersten drei Monaten des Jahres lagen sie mit 2,5 Milliarden Euro um 500 Millionen Euro höher als im Vorjahreszeitraum.

Ziel sei es, die neuen Plattformen MMA für die Kompaktfahrzeuge sowie MB.EAM für die Elektrofahrzeuge im Segment der C-Klasse und AMG.EA für die sportlichen Fahrzeuge rechtzeitig an den Start zu bringen. Erste Anläufe sind für Ende 2024 geplant.

Lokale Kapazitäten in China sollen ausgebaut werden, um verstärkt von Subventionen profitieren zu können. Außerdem soll mehr Geld in das eigene Betriebssystem MB.OS gesteckt werden, um sämtliche Funktionen einbauen zu können.

Bisher ist Mercedes in China zwar mit einigen rein elektrischen Fahrzeugen wie EQA, EQB, EQE oder EQS vertreten, der Absatz hinkt aber weit hinter anderen Regionen und der chinesischen Konkurrenz hinterher. Dies liegt laut früheren Aussagen von Entwicklungschef Markus Schäfer auch daran, dass sich der Markt bei den BEVs in China hauptsächlich noch in den unterem Segmenten abspielt. Das Luxus-Segment müsse sich dagegen erst noch ausbilden.

In der Verbrennerwelt sei Mercedes nach wie vor Marktführer mit einem Anteil von 40 bis 50 Prozent bei den teuren Top-End-Fahrzeugen. "Unser Anspruch ist, dies auch auf die BEV-Welt zu übertragen", so Wilhelm. Die Transformation müsse dabei behutsam mit den richtigen Produktmerkmalen erfolgen. Als Beispiel nannte Wilhelm das in Schanghai vorgestellte Maybach EQS SUV. Dieses Fahrzeug erfülle die Kundenerwartungen insbesondere in China, aber auch in den USA.

Die wiederholten Preissenkungen bei Tesla kommentiert Wilhelma dagegen gelassen. Auf eine entsprechende Frage antwortete Wilhelm, Mercedes wolle sich nicht im unteren Segment tummeln und an Preiskämpfen teilnehmen, sondern verfolge eine völlig anderer Strategie.

Während andere Wettbewerber auf Volumen setzten, gehe es bei Mercedes in erster Linie um die Marge. "Wenn ich ein begehrenswertes Auto haben will, geht das auch mit Knappheit einher", so Wilhelm. Allerdings wolle Mercedes nicht schrumpfen, sondern nach wir vor wachsen.

Als Voraussetzung für eine gute Preisdurchsetzung nannte Wilhelm die Produktsubstanz. Die Fahrzeuge müssten stets auf dem neuesten Stand der Technik sein, dies sei der Anspruch von Mercedes. Auf diese Weise habe man die gestiegenen Kosten bei Energie, Rohstoffen oder Löhnen sogar überkompensieren können. "Die starke Preisdurchsetzung wollen wir in Zukunft auch in einem schwierigen Marktumfeld halten", kündigte Wilhelm an. Nicht zuletzt aus der Covid-Pandemie habe man gelernt, flexibler zu agieren.

Aus dem Markt in Russland hat sich Mercedes nun endgültig zurückgezogen. Sämtliche Tochtergesellschaften, zu denen auch das Werk bei St. Petersburg gehört, wurden inzwischen an Avtodom verkauft.

Zu den bereits 2022 verbuchten Abschreibungen in Höhe von 600 bis 700 Millionen Euro soll voraussichtlich im nächsten Quartal nochmals "ein niedriger dreistelliger Millionenbetrag" bei Mercedes Mobility hinzukommen. Zwar beinhalte der Vertrag mit Avtodom auch eine Rückkaufklausel. Wie lange diese gültig ist, wollte Wilhelm aber nicht sagen. "Ich gehe nicht davon aus, dass wir diese ziehen", so der Finanzchef.

Mercedes hat im ersten Quartal 2023 erneut glänzend verdient und die Prognosen übertroffen. Das bereinigte Ebit stieg um zwei Prozent auf 5,4 Milliarden Euro und lag damit etwas höher als im vergangenen Jahr. Der Umsatz stieg um acht Prozent auf 37,5 Milliarden Euro. Die bereinigte Umsatzrendite lag bei 14,8 Prozent und damit im sechsten Quartal in Folge im zweistelligen Bereich.

"Wir haben in einem herausfordernden Umfeld wieder Resilienz demonstriert", so Wilhelm. Der Ausblick für 2023 fällt daher etwas optimistischer aus. Der Gewinn soll nur leicht unter dem Vorjahr liegen, als es rund 20,5 Milliarden Euro waren.

Aus dem Datencenter:

Absatz von Mercedes-Benz 2021 und 2022