VW baut in China das eigene Forschungs- und Entwicklungszentrum VCTC auf. Es ist ein Novum für die Wolfsburger und spielt in der China-Strategie eine Schlüsselrolle.
Volkswagen China Technology Company in Hefei: Zentrale Rolle bei der Umsetzung des "China-Speed".
50 Millionen neue Pkw hat der Volkswagen-Konzern seit 1984 in China verkauft. Lange waren die Wolfsburger unangefochtener Marktführer im Reich der Mitte, jetzt aber bröckelt der Erfolg.
Bei den Verbrennern ist der Konzern mit 20 Prozent Marktanteil zwar weiter Spitzenreiter. Im Zukunftsmarkt der reinen Elektroautos sind es aber nur fünf Prozent. Zu teure und am Markt vorbei entwickelte Autos sind der Grund.
Jetzt aber will Volkswagen gegensteuern, mit lokaler und deutlich schnellerer Entwicklung in "China-Speed". Schließlich wollen die Wolfsburger 2030 weiter internationaler Hersteller Nummer eins in China sein. 15 Prozent Marktanteil sind weiter das Ziel.
Kernstück dieser "In China for China"-Strategie: die Volkswagen China Technology Company (VCTC) mit Sitz in Hefei. Mit derzeit 1500 und Ende 2024 rund 3000 Beschäftigten bündelt der Volkswagen-Konzern dort künftig alle Entwicklungs-Aktivitäten für den chinesischen Markt.
"China ist die erste Region, die eine eigene, individuell nach Marktbedürfnissen ausgerichtete Plattform lokal entwickelt", sagt Thomas Ulbrich, Leiter Technische Entwicklung des Volkswagen-Konzerns in China, zum VCTC.
Dort will der Konzern ausschließlich Elektroautos mit smarten Software-Funktionen entwickeln. Rund die Hälfte der chinesischen Neuzulassungen werden 2030 rein elektrisch sein, so die Wolfsburger Prognose.
"Schon in der Vergangenheit war unsere Wertschöpfungskette in China bis zu 90 Prozent lokal. Jetzt treiben wir auch die lokale Entwicklung voran", sagt Vorstandsmitglied und China-Chef Ralf Brandstätter mit Blick auf die Aufholjagd in China.
Während in Europa vom Entwicklungs- bis zum Produktionsstart 50 Monate vergehen, sind es in der VCTC, dem größten Forschungs- und Entwicklungszentrum des Konzerns außerhalb Deutschlands, 30 bis 36 Monate.
Nicht nur reduzierte Wintertests, die Komponenten-Entwicklung aus lokalen Ökosystemen oder der Wegfall von design- und Konstruktionsschleifen sollen für mehr Geschwindigkeit sorgen.
China-Entwicklungschef Ulbrich nennt einen weiteren wichtigen organisatorischen Grund: "Bei Forschung und Entwicklung ist das VCTC die One Voice gegenüber unseren Joint-Venture-Partnern."
Bedeutet: Volkswagens chinesische Entwicklungseinheit hat das letzte Wort gegenüber den derzeit rund 7000 und perspektivisch etwa 8000 Entwicklern des Konzerns und seinen Joint Ventures im Land.
Mit der günstigeren CMP, deren erste Serienmodelle 2026 auf den Markt kommen sollen, stellt sich Volkswagen auf ein anhaltend niedriges Preisniveau in China ein. "Wir gehen nicht davon aus, dass sich die Fahrzeugpreise wieder auf ein höheres Niveau bewegen werden", so Ralf Brandstätter.
Allein in den ersten fünf Monaten 2024 seien die Transaktionspreise für reine Elektroautos im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um fast 14 Prozent auf umgerechnet rund 25.300 Euro gefallen, so der Konzern.
Durch die hohe Lokalisierung könne Volkswagen künftig in China auch mit günstigen Produkten Geld verdienen, sagt Brandstätter. Und bringt es auf eine Formel: "China ist das Fitnesscenter für die internationale Automobilindustrie. Und Volkswagen hat eine Mitgliedskarte."
Kooperationen mit lokalen Partnern spielen dabei bekanntermaßen eine wichtige Rolle für Volkswagen – vor allem im Software-Bereich. So entwickelt Volkswagen seine neue chinesische Elektrik- und Elektronik-Architektur (E/E-Architektur) zusammen mit Xpeng.
Die eigene Software-Einheit Cariad China soll aber weiterhin eine wichtige Rolle spielen, sagt Thomas Ulbrich: "Cariad China ist wesentlicher Bestandteil unserer lokalen China-Strategie."
Die Einheit werde sich von einer rein adaptierenden Einheit zu einem auf das Coding fokussierten Produktlieferanten wandeln. Auch die Aufgabenverteilung zwischen Cariad und Xpeng ist laut Ulbrich klar: "In der aktuellen Kooperation mit Xpeng ist Cariad für die Integration der einzelnen System-Puzzleteile verantwortlich."
So will Volkswagen in China deutlich stärker auf die viel digitaleren Kunden eingehen. "Wir stimmen das Produktportfolio von Volkswagen in China ganz auf die Anforderungen der chinesischen Kunden ab, die im Schnitt deutlich jünger und technikaffiner als europäische Kunden sind", sagt Ulbrich.
Laut Volkswagen sind die Kunden von Plug-in-Hybriden und reinen Elektroautos in China durchschnittlich 34 Jahre alt, in Europa dagegen 56 Jahre. Zudem spielten die Sprachbedienung, KI-Avatare oder Over-the-Air-Updates für das gesamte Fahrzeug eine viel größere Rolle in China.
Dem wolle man sich stellen, so China-Chef Brandstätter: "Wir stärken bis 2026 schnell und kontinuierlich unsere lokale Produktsubstanz."
Bis 2026 will er bei Plug-in-Hybriden und reinen Elektroautos bei Entwicklungsgeschwindigkeit und Kostenstrukturen auf Augenhöhe sein mit den lokalen Marktführern. Eine Blaupause auch für die Entwicklung in Europa, wo Volkswagen ebenfalls schneller werden muss?
Nein, sagt Thomas Ulbrich: "Europa kann den 'China Speed' nicht eins zu eins übernehmen, denn dort findet auch die globale Entwicklung mit entsprechenden Abstimmungsschleifen statt“, so der China-Entwicklungschef. "Aber Europa kann sich trotzdem viel von den Prozessen in China abschauen, um schneller zu werden."
