Aufsichtsrat plant neues Strategie-Gremium

Salzburg. Bei Volkswagen soll ein neues Strategie-Gremium eingerichtet werden. Einflussreiche Kontrolleure im Aufsichtsrat des Autobauers treiben nach dpa-Informationen die Schaffung eines neuen Gremiums für den Umbau bei der Kernmarke VW voran.

Die Marke soll demnach einen Beirat erhalten, ähnlich einem Aufsichtsrat. Das neue Gremium soll unter anderem strategische Weichenstellungen bei Zukunftsthemen wie Digitalisierung oder Elektromobilität begleiten. Aber auch Themen wie Stellenabbau oder Schwerpunkte einzelner Werke könnten in dem Beirat debattiert werden, bevor sie zur Abstimmung im 20-köpfigen Aufsichtsrat Volkswagens kommen. Der geplante Beirat steht vor dem Hintergrund einer stärkeren Trennung von Volkswagen-Konzern und Marke VW.

Das Unternehmen wollte sich zu Details der Pläne nicht äußern. Aus Konzernkreisen hieß es aber, die Debatte sei im Fluss, spruchreif sei nichts. Nach dpa-Informationen ist der Beirat umstritten. Auf Kapitalseite gebe es Bedenken grundsätzlicher Natur. Der Beirat hätte natürlich auch Auswirkungen auf die Arbeit von VW-Markenchef Herbert Diess. Das Thema soll Mitte April vom Aufsichtsrat erneut beraten werden.

VW hat keinen eigenen Aufsichtsrat, anders als die Schwestermarken Audi und Porsche. Den könnte es aktuell aber auch nicht geben, weil Marke und Konzern nicht genug getrennt sind. Zunächst müsste also der juristische Rahmen geklärt werden: Was darf der Beirat? Was soll er laut Geschäftsordnung leisten, mit wie vielen Mitgliedern?

Die Pkw-Kernmarke steht für fast die Hälfte vom Absatz und Umsatz des Volkswagen-Konzerns. Zudem ist sie führend für zentrale Entwicklungsthemen, von denen der Gesamtkonzern profitiert, besonders die Volumen-Marken Skoda und Seat. So hat die Kernmarke zum Beispiel die Federführung für die konzernweit baugleichen Teile, die es markenübergreifend etwa in der Golf-Klasse gibt. Bei Skoda profitiert das Modell Octavia, bei Seat etwa der Leon.

Die Marke VW-Pkw kämpft seit Jahren mit schwächelnder Rendite. Zuletzt lage die Marge bei nur zwei bis drei Prozent, und davon gingen noch Zinsen und Steuern ab. Ein Grund: Die Kernmarke tritt besonders stark in Vorleistung bei der Forschung, von der die Schwestermarken dann profitieren. Zudem tauchen die von VW-Pkw maßgeblich erwirtschafteten Gewinne aus China aus buchhalterischen Gründen vor Zinsen und Steuern nicht bei der Kernmarke auf. Dennoch hatte das Management vor Jahren angemahnt, dass die Rendite bei VW-Pkw noch viel besser werden müsse. Ex-Chef Martin Winterkorn hatte einen Milliardensparkurs eingeschlagen.

Das Sparprogramm wurde im Abgas-Skandal nochmals verschärft. Dies sorgt für heftige Auseinandersetzungen. Betriebsratschef Bernd Osterloh ging Markenchef Diess schon mehrfach scharf an, er fürchtet um den sozialen Frieden im Unternehmen und fühlt sich übergangen bei wichtigen Entscheidungen, die VW eigentlich traditionell in enger Abstimmung mit dem Betriebsrat fällt.

Zuletzt gab es den nächsten großen Aufreger: Bis Ende 2017 sollen über 3000 Stellen in der Verwaltung wegfallen. Die Beschäftigungssicherung macht Kündigungen zwar unmöglich, sie schließt Stellenabbau aber nicht aus - etwa über Altersteilzeit, weniger Neueinstellungen oder die Zuweisung neuer Aufgaben.

Für Missstimmung sorgen diese Pläne beim VW-Großeigner Niedersachsen und dem Betriebsrat. Sie beklagen schlechte Kommunikation und kündigen Widerstand an. Das Sparziel, das bei Diess angeblich den Namen "Wasserkopf" trägt, bedeutet das Aus für jeden zehnten Verwaltungs-Job.

Insider berichteten der dpa übereinstimmend, dass ein Beirat für die Kernmarke helfen könnte, Reibereien mit dem Land und Betriebsrat zu entschärfen. "Wenn Diess schlau ist, begreift er den Beirat als Chance und lehnt ihn nicht ab", sagt einer, der für das Gremium ist. Zudem könne der Beirat dem Konzern-Aufsichtsrat thematische Entlastung geben.

Und das Vermitteln wird wichtiger als je zuvor: Viele Fragezeichen stehen über den sogenannten Komponentenwerken. Der Standort in Salzgitter baut Verbrennungsmotoren, bei denen es in Richtung 2030 mit wachsender Elektromobilität ein Drittel Einbruch geben könnte. Die Komponentenwerke in Braunschweig und Kassel sind auch Kandidaten für Wandel - mit Risiko. Der geplante Beirat könnte Prozesse beschleunigen, Konflikte mildern, Wege verkürzen und Konsens fördern.

Im VW-Konzern sind satzungsgemäß Beschäftigungssicherung und Wirtschaftlichkeit gleichrangige Unternehmensziele. Und bisher zumindest genießen die Arbeitnehmer starke Mitbestimmungsmacht - und Jobsicherheit. (dpa/gem)