Am Donnerstag stellt der VW-Konzern seine Zahlen für das zweite Quartal vor. Bisher liegt das Unternehmen leicht unter seinem Plan - um die Ziele noch zu erreichen, müsste der Absatz im zweiten Halbjahr steigen. Doch Experten sind skeptisch, ob das passieren wird.
VW kämpft mit einem schwachen Markt
Was die Wolfsburger für dieses Jahr erwarten - und was Experten davon halten.
Die Wolfsburger kalkulieren bisher für dieses Jahr mit einem Umsatzanstieg um 10 bis 15 Prozent gegenüber dem Vorjahreswert von 279,2 Milliarden Euro. Das wären 307 bis 321 Milliarden Euro. Dazu beitragen sollen höhere Verkaufszahlen: Der Konzern rechnete bisher dank eines vollen Auftragsbuchs mit einem deutlichen Anstieg der Auslieferungen an Kunden im Vergleich zum Vorjahr von 8,3 auf rund 9,5 Millionen Fahrzeuge. Die Quote der reinen Elektroautos plant VW bei rund zehn Prozent ein und damit drei Prozentpunkte höher als 2022. Die bereinigte operative Umsatzrendite soll bei 7,5 bis 8,5 Prozent landen - wie sie es im Vorjahr mit 8,1 Prozent auch tat.
Bislang hinkt VW bei den Auslieferungen nach sechs Monaten trotz eines ordentlichen Zuwachses von fast 13 Prozent leicht hinter dem Plan her. So wurden bislang knapp 4,4 Millionen Fahrzeuge an die Kunden übergeben. Um im Gesamtjahr auf 9,5 Millionen zu kommen, braucht es daher im zweiten Halbjahr noch etwas mehr Tempo.
Grundlage der angepeilten Zuwächse ist, dass sich die vormals schwache Teileversorgung deutlich bessern soll. Doch in der Branche mehren sich die Anzeichen, dass in der aufziehenden Wirtschaftsflaute die Nachfrage und damit die Aufträge schwächeln, vor allem bei Elektroautos dürften die internen Planungen von VW höher gelegen haben. Im wichtigen Werk in Emden drosselte der Konzern jüngst die Fertigung von E-Autos der Modelle ID.4 und des vor der Markteinführung stehenden ID.7. So wird insbesondere der Blick auf die Auftragseingänge für Investoren interessant - auch mit Blick auf die Jahresprognose.
Neben aktuellen Problemen beschäftigen Europas größten Autokonzern vor allem Zukunftssorgen: So verliert VW im wichtigsten Einzelmarkt China mit der Elektrowende zusehends an Schlagkraft - die Kernmarke VW Pkw hat erstmals seit Jahrzehnten die Marktführerschaft verloren, und zwar an den lokalen Elektrorivalen BYD.
VW hat Probleme, die Elektromodelle des Konzerns an die digital affinen chinesischen Kunden zu verkaufen, auch weil Rivalen mit starken Rabatten nachhelfen und VW auf diese möglichst verzichten will. Die Wolfsburger wollen neue Modelle und mehr Investitionen vor Ort dagegensetzen. Auch im Rest der Welt kämpft VW gegen Preissenkungen etwa von Tesla an.
Die Kernmarke VW Pkw strich vor kurzem ihre schon länger angestrebten Renditeziele für dieses Jahr zusammen. Markenchef Thomas Schäfer hat ein milliardenschweres Ergebnisprogramm angekündigt, dessen Details bis zum Herbst ausgearbeitet werden sollen. Bislang hat sich die mächtige Arbeitnehmerseite im Konzern zur gemeinsamen Arbeit daran bereiterklärt - ob die Details des Sparprogramms die oft so fragile Harmonie in Wolfsburg nicht doch noch stören, wird für die Anleger interessant.
Gleichzeitig treiben Softwareprobleme den Konzern weiter um. Die Nobeltöchter Porsche und Audi gehen bei den wichtigen neuen Elektromodellen vom Macan und dem Q6 E-tron vorerst weiter eigene Wege. Bei Audi tauschte VW-Konzernchef Oliver Blume jüngst den Chef Markus Duesmann aus und besetzt den Posten mit seinem Vertrauten Gernot Döllner, der den Problemstau auflösen und die geplante Modelloffensive der Ingolstädter zum Erfolg machen soll.
Experte George Galliers von Goldman Sachs rechnet für das zweite Quartal im operativen Ergebnis erneut mit einer Belastung aus Sicherungsgeschäften für Rohstoffe (Hedging) des Konzerns. VW sichert sich gegen Preisanstiege ab, muss aber Veränderungen im Wert der Absicherungsverträge oft im Ergebnis buchen. Im vergangenen Jahr waren die Verträge angesichts anziehender Energie- und Rohmaterialpreise viel wert und lieferten Rückenwind - der sich aber nun mit sinkenden Einkaufspreisen in Gegenwind verwandelt. Die Effekte dürften ähnlich hoch sein wie im Vorquartal mit 1,3 Milliarden Euro, schrieb Galliers.
Trotz Zusatzkosten für den Verkauf der russischen Geschäfte dürfte VW bereinigt um Dieselaltlasten und Hedging-Belastungen eine operative Marge von 8,9 Prozent ausweisen, glaubt der Fachmann. Galliers rechnet auch damit, dass VW zum aktuellen Zeitpunkt seine Jahresprognosen aufrechterhalten wird.
In Europa habe VW mit der Entwicklung bei den Verkäufen im zweiten Quartal besser abschnitten als der Markt, schrieb Tom Narayan von der kanadischen Bank RBC. In China hingegen laufe es schlechter.
Jose Asumendi von JPMorgan geht von soliden Resultaten aus. Bei den Massenmarken dürften sich die operativen Margen zum Vorquartal stabil gehalten haben. In China sollte es trotz des herausfordernden Marktumfelds beim Ergebnis im zweiten Jahresviertel etwas besser ausgesehen haben als im ersten.
Im Schnitt erwarten die von Bloomberg befragten Analysten einen Quartalsumsatz von 79,5 Milliarden Euro und damit 14 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Der bereinigte operative Gewinn dürfte demnach um rund 29 Prozent auf rund 6,1 Milliarden Euro anschwellen - allerdings könnten hier die Hedging-Kosten für Schwankungen sorgen.
Die Renditeperle Porsche (legt die Zahlen bereits an diesem Mittwoch einen Tag früher vor) sowie auch die Premiumtochter Audi sollten weiter die großen Gewinnbringer sein. Der Marke VW Pkw - dem Herzstück des Konzerns - trauen die Fachleute gegenüber dem ersten Quartal eine nur wenig von 3,0 auf 3,8 Prozent verbesserte Umsatzrendite zu.
Im Gesamtjahr liegen die Experten mit ihrer durchschnittlichen Umsatzschätzung von gut 307 Milliarden gerade noch im Bereich der Prognosespanne. Auch die im Schnitt auf 7,5 Prozent geschätzte operative Marge deutet Risiken für den Jahresausblick an. (dpa/swi)
Aus dem Datencenter: