Peking. «Wir wollen die Diskussion über Henne und Ei beenden», sagt Hubertus Troska. Mit dem neuen Elektroauto Denza und individuell angepassten Auflademöglichkeiten will der China-Vorstand von Daimler eine Antwort auf die quälende Frage geben, was denn zuerst da sein muss: Überzeugende elektrische Autos oder ausreichende Infrastruktur mit Ladestationen. Mit viel Pomp wurde am Sonntag auf der Pekinger Automesse die Weltpremiere des fünfsitzigen Denza gefeiert, der eine beeindruckende Reichweite von bis zu 300 Kilometer hat.
Volkswagen hatte zuvor noch versucht, Daimler und seinem chinesischen Partner BYD (Build Your Dreams) etwas die Show zu stehlen. Vollmundig verkündete VW-Chef Martin Winterkorn auf der Messe die «größte Elektro-Offensive in Chinas automobiler Geschichte». Europas größter Autobauer setzt aber vielmehr auf seine bewährten Serienfahrzeuge, die nach Wahl einen Elektromotor mit niedrigerer Reichweite oder einen Plugin-Hybrid als Antrieb haben können - also sowohl mit Benzin als auch begrenzt mit Strom betrieben werden können.
Im neu entflammten Wettbewerb der Autobauer um die elektrische Zukunft Chinas konterte Daimler-Vorstand Troska mit einem Trumpf: Der Denza soll nur 369.000 Yuan kosten, umgerechnet 42.800 Euro, was die Zuschauer auf dem Messestand spontan mit Beifall quittierten. Chinesische Fachjournalisten hatten mit 400.000 bis 500.000 Yuan gerechnet. Mit den Zuschüssen fallen die Kosten auf weniger als 30.000 Euro - und ein Nummernschild winkt, wo Käufer von Benzinern noch Monate, teils auch Jahre warten oder viel Geld bezahlen müssen.
Nach Jahren der Euphorie und Ernüchterung wird aber auch 2014 noch nicht den Durchbruch des Elektroautos bringen. Nach dem Wechsel der Regierung in Peking kommt immerhin etwas Fahrt in den Elektromarkt. «Der Nebel hat sich gelichtet», sagt Arno Röhringer, Chef des Gemeinschaftsunternehmens von Daimler mit BYD, die 300 Millionen Euro in die Entwicklung des Denza gesteckt haben. «Die Signale sind positiv», sagt Röhringer. «Der Markt wird sich entwickeln.»
Damit China wirklich der Vorreiter für Elektromobilität wird, müssen aber bürokratische Hürden überwunden und lokaler Protektionismus beseitigt werden. Denn Kunden bekommen für einen höheren Preis ein Auto mit geringerer Reichweite und ungewisser Auflademöglichkeit. «Es ist in China nicht so einfach wie in anderen Ländern», weiß BMW-Vertriebsvorstand Ian Robertson. «Viele Probleme gibt es zu lösen», stimmt Jia Xinguang von China Automotive Consulting zu.
«Es ist ein Mix aus verschiedenen Problemen», sagt Ferdinand Dudenhöffer vom Center Automotive Research (CAR) an der Universität Duisburg-Essen. Eine Lösung sei aber die Preisgestaltung - Subventionen, geringere Steuern und teurere Kraftstoffe. «Wenn der Preisabstand zwischen konventionellen und elektrischen Autos verkleinert wird, sind da durchaus Chancen.»
«Um die Elektromobilität für den Kunden attraktiv zu machen, wird letzten Endes ein flächendeckendes Netz von Ladestationen nötig sein», sagt Julian Schwabe, Analyst von China Greentech Initiative in Peking. Das Ziel mit fünf Millionen Fahrzeugen bis 2020 in China sei ehrgeizig, aber es brauche dafür eine «schlüssige Strategie», die China bis heute noch vermissen lasse. Bis dahin kommt das E-Auto eher in Taxis, Carsharing, Vermietung, Postdiensten oder Stadtreinigung voran - überall da, wo der Einsatz planbar und häufiger ist. «Denn je mehr ein Elektroauto fährt, umso eher lohnt sich der Aufpreis.»
Der dichte Smog in Chinas Millionenstädten erhöht die Notwendigkeit. Zwar werden sie gerne «emissionsfrei» genannt, aber Energie wird in China zu zwei Drittel aus Kohle gewonnen. Elektromobilität heißt somit auch nur: Die dreckige Luft kommt nicht in der Stadt aus dem Auto, sondern anderswo aus dem Kohlekraftwerk - und das Klima kann auch nicht aufatmen. «Wenn E-Mobilität wirklich sauber sein soll, muss der Strom aus regenerativen Quellen kommen, was den weiteren Ausbau von Wind- und Solarkraft, Speichertechnologie und ein intelligentes Stromnetz erfordert», sagt Schwabe. (dpa/gem)