Schanghai. Nach dem anfänglichen Enthusiasmus über eine schnelle Einführung von Elektroautos macht sich Ernüchterung breit. Ein «neuer Realismus» setzt ein, sind sich Autobauer aus aller Welt zum Auftakt der internationalen Automesse am Samstag in Schanghai einig. «Wir alle wissen, dass wir auf einem Marathon unterwegs sind», sagt Audi-Chef Rupert Stadler. «Das ist kein 100-Meter-Sprint.» Vorerst seien Autos mit Plug-in-Hybrid-Technik, also sowohl Elektro- als auch Stromantrieb, die Lösung für den Übergang. «Wir müssen dann sehen, wie der Kunde auf die Technologie anspringt.»
Vor vier Jahren hat China den Rummel um die Elektromobilität weltweit mit angeschoben, doch gerade die Entwicklung auf dem größten Automarkt der Welt enttäuschte. Hatte die Regierung in Peking damals vollmundig angekündigt, bis 2012 in 25 Pilotstädten mehr als 50.000 Elektroautos auf die Straße bringen zu wollen, waren es am Ende weniger als die Hälfte. Nur 4400 wurden auch von privaten Kunden gekauft. Der Rest ging an Taxiunternehmen oder andere Flotten.Auch in Deutschland läuft der Start ins Elektro-Zeitalter holprig. 2012 entfielen nur 1,3 Prozent der Neuzulassungen auf alternative Antriebe, darunter waren nur knapp 3000 Elektro-Autos. Das Ziel der Bundesregierung von einer Million Elektrofahrzeuge bis zum Jahr 2020 ist in Gefahr. Zudem gibt es immer wieder Forderungen nach Subventionen - die die Bundesregierung bisher aber ablehnt.In China dagegen winken Käufern attraktive Zuschüsse bis zu 60.000 Yuan (mehr als 7000 Euro) und erleichterte Zulassungen in Millionen-Metropolen wie Peking, Schanghai oder Kanton, die sonst ihre Autozahl beschränken - bisher ohne Erfolg. Der China-Chef von Volkswagen, Jochem Heizmann, bescheinigt China «eine Diskrepanz zwischen Zielen und der wirklichen Situation». Es fehle die Infrastruktur. «Wo kann ich mein Auto aufladen?», frage der Kunde. «Für die private Nutzung ist es wirklich schwierig, ein rein elektrisches Auto zu benutzen.»Elektroträume der Autokonzerne geerdet
Chinas ehrgeizige Pläne für Elektromobilität haben die Autoindustrie elektrisiert. Die neue Technologie kommt aber langsamer voran als erwartet. Auch die elektrische Zukunft braucht vorerst einen Motor.
Deutsche Autobauer beklagen, dass es nicht einmal nationale Standards für die Aufladetechnologie gebe. Auch fördere jede Metropole ihre heimischen Autounternehmen - hinderlicher lokaler Protektionismus, wie sie meinen. Ungeachtet der Ernüchterung kurbeln die Autokonzerne aber die Entwicklung der Elektroautos an. Da alles Öl der Welt nicht ausreichen wird, wenn das Milliardenvolk in China eines Tages eine nur halbwegs ähnliche Motorisierung wie Europa haben sollte, geht ohnehin kein Weg an Elektromobilität vorbei.
Mercedes bringt Anfang des nächsten Jahres den gemeinsam mit dem chinesischen Batterie- und Autohersteller BYD (Build Your Dreams) entwickelten Modell Denza auf den Markt. Ähnlich BMW, die mit ihrem Joint Venture-Partner Brilliance ein voll elektrisches Oberklasseauto unter der neuen chinesischen Marke Zinoro entwickeln. Mehr als 100 Kilometer Reichweite wird es haben.«Ich bin es schon gefahren. Es macht Spaß», sagt der Leiter des BMW-Gemeinschaftsunternehmens in Shenyang, Olaf Kastner. Er will seiner Frau gleich einen Zinoro kaufen, «damit ich ihn dann am Wochenende fahren kann». 400 bis 500 Ingenieure heuert BMW in China an, um die Elektromobilität voranzubringen. «Wenn wir was machen, müssen wir es auch richtig machen», sagt Kastner.Isbrand Ho vom Daimler-Partner BYD sieht allerdings noch große Akzeptanzprobleme bei den Kunden, die längere Reichweiten wollten und sich um Aufladestationen sorgten. «Die Leute sind noch nicht bereit für allein elektrisch betriebene Autos», sagt Ho. Es bleibe nur der Weg über die Plug-in-Hybride, die notfalls ein Benzinmotor vorantreiben kann. Vielleicht merkten die Menschen beim Fahren, dass Reichweiten von 50 bis 100 Kilometern durchaus ausreichten. «So wird sich die Einstellung langsam ändern», sagt Ho. «Es fängt schon an», gibt er sich zuversichtlich. (dpa/swi)