Peking. Sigmar Gabriel will es genau wissen. Im Trubel der Pekinger Automesse steht er vor einem orangefarbenen BMW i3. «Wie ist die Reichweite?», fragt der Bundeswirtschaftsminister am Mittwoch bei seinem Rundgang über die Ausstellung in der chinesischen Hauptstadt. Das Fahrzeug, mit dem der bayerische Autobauer vorne mitfahren will, falls der Elektroauto-Boom in der Volksrepublik einmal richtig losgehen sollte, schafft mit einer Lithium-Batterie 150 Kilometer.
Eine noch größere Batterie hätte den Wagen zu schwerfällig gemacht, erklärt BMW-China-Chef Karsten Engel. Aber so garantiere der 1250 Kilogramm wiegende i3 den Käufern ein sportliches Fahrgefühl. Mit den Aussagen des Automanagers zu den Kundenwünschen gibt sich Gabriel aber nicht zufrieden: «Wo haben Sie die Batterie her?» Die liefert Samsung aus Korea. Das wurmt Gabriel. Die Fertigung von Batterien sei ja mal eine Kernkompetenz der deutschen Industrie gewesen.
In der Autowelt kennt sich der SPD-Chef aus. Als niedersächsischer Ministerpräsident war er im Aufsichtsrat des Dax-Konzerns VW und erlebte als Politiker immer wieder, dass sich beim Zauberwort Volkswagen bei ausländischen Regierungen manche Tür von allein öffnet. Zu seinem Ministeramt im Bund gehört es nun auch, die Rolle des Autoministers zu spielen.
So bürstet Gabriel Kritik ab, dass sein Auftritt bei VW, BMW und Daimler auf der Autoshow wohl kaum mit seinen Appellen für mehr Energieeffizienz und Klimaschutz zusammenpasse. Er hält dagegen, nirgendwo sei Energieeffizienz so wichtig und so schnell erreichbar wie auf dem chinesischen Automarkt, der weltweit die Nummer eins ist.
Das Elektroauto i3, das sich Gabriel anschaut, kostet 50.000 Euro. «Teurer Spaß, was?», raunt er dem BMW-Manager zu. Wer es sich in Chinas Mittelschicht leisten kann, kauft - wie in allen Schwellenländern - sowieso lieber einen großen, protzigen Wagen, meist mit Verbrennungsmotor, obwohl in China lokal gefertigte E-Autos bei der Zulassung bevorzugt werden.
Der Preis ist bislang eines der größten Hindernisse für einen Erfolg der Elektromobilität in China, sagt auch Julian Schwabe, Analyst der China Greentech Initiative in Peking: «In der Regel liegt der Kaufpreis bei Autos mindestens bei dem anderthalbfachen des gleichen Modells mit Benzinmotor.» Bei Bussen könne der Preis sogar vielmal so hoch liegen.
Genau dieses Problem wollen Daimler und der chinesischen Partner BYD (Build Your Dreams) angehen. Am Sonntag feierten sie in Peking die Weltpremiere des fünfsitzigen E-Autos Denza. Der Denza soll 369.000 Yuan kosten - umgerechnet 42.800 Euro - und hat eine Reichweite von 300 Kilometern. Kein Schnäppchen, aber viel weniger als chinesische Fachjournalisten befürchtet hatten.
Mit staatlichen Zuschüssen fallen die Kosten für den Denza auf weniger als 30.000 Euro, denn für das in China produzierte Auto gewährt die Regierung eine Förderung. Auch Volkswagen kündigte eine E-Offensive für das Reich der Mitte an. Kunden sollen sich bei den bewährten Serienfahrzeugen für einen Elektromotor mit niedrigerer Reichweite oder einen Plug-In-Hybrid als Antrieb entscheiden können.
Aber noch fehlt in China das Netz, um die neuen E-Autos auch aufladen zu können. Daimler will mit dem Denza ein Zeichen setzen und hofft, dass mit dem neuen Auto auch das entsprechende Netz ausgebaut wird. Doch oft vermiesen Auflagen von Behörden stolzen Neukunden die Freude an ihren Elektroautos. «Es dauert mitunter ein halbes Jahr, um eine Ladesäule am eigenen Parkplatz im Wohnblock installieren zu lassen», sagt Schwabe.
Gabriel empfiehlt, den Wunsch der Chinesen nach dem Statussymbol Auto ernst zu nehmen: «Die Vorstellung eines gut verdienenden kleinstädtischen deutschen Verbrauchers, der nun 50 Jahre Automobil fahren durfte, man könne doch jetzt einem Land wie China empfehlen, sie mögen auf die Automobilisierung ihrer Gesellschaft zu verzichten, ist eine illusorische und auch ein bisschen eine imperialistische.» (dpa/gem)