Hannover. In den USA ist so manches anders, das gilt auch für die Welt der Autobauer. Bei leichten Nutzfahrzeugen, so wie sie etwa in der Stadt zum Einsatz kommen, beobachtet Volkswagen nun aber neue Vorzeichen. Denn Konzepte aus Europa seien auf dem Vormarsch, sagt Volkswagen-Nutzfahrzeuge-Chef Eckhard Scholz im dpa-Interview:
Frage: Die Schwäche des VW-Konzerns in den USA, dem nach China zweitgrößten Automarkt der Welt, ist bekannt. Inwieweit könnte da ein Markteintritt der Volkswagen-Nutzfahrzeuge helfen, gegenzusteuern?
Antwort: Auf dem US-Markt der leichten Nutzfahrzeuge gibt es praktisch nur ein dominierendes Produktportfolio: Pick-ups. Bei großen Pick-ups ist das eine amerikanische Veranstaltung, dominiert von amerikanischen Herstellern. Bei mittleren und kleineren Pick-ups herrscht zwar mehr Wettbewerb. Aber diese Segmente sind auch viel kleiner - und ausländische Wettbewerber nicht wirklich erfolgreich.
Also kaum eine Chance für leichte Nutzfahrzeugmodelle, so wie wir sie hierzulande kennen, etwa aus dem Alltag der Handwerksfirmen?
Doch. Wir verfolgen in den USA intensiv eine Veränderung hin auch zu europäischen Konzepten für leichte Nutzfahrzeuge. Wir sehen zum Beispiel erste Stadtlieferwagen - durchaus mit interessantem Vertriebsvolumen. Und wir sehen mittelgroße und große Transporter.
Wenn das tatsächlich ein Wandel ist, wie erklären Sie den?
Diese europäischen Fahrzeugkonzepte haben einfach deutliche technische Vorteile. Sie sind für bestimmte Transportaufgaben besser geeignet als Pick-ups. Das heißt nicht, dass sich die Amerikaner vom Pick-up abwenden. Aber es entwickeln sich zunehmend auch Segmente, wie wir sie aus Europa kennen. Und das wird zunehmen, allein schon, weil sich immer mehr in Städten abspielt. Das gibt uns die Chance, uns mit dem Thema USA intensiv zu beschäftigen. Ein Stadtlieferwagen bringt den Laderaum mit seinem Konzept schon mit, der braucht keinen Aufbau als Zusatz auf der Ladefläche, so wie es Pick-ups nötig haben.
Sie analysieren den Markt also noch - oder ist da schon mehr?
Wir haben den Markt soweit verstanden. Unser weiteres Vorgehen beim Thema USA diskutieren wir derzeit sehr, sehr ernsthaft.
Sind Amerikaner nicht viel zu patriotisch beim Autokauf?
Im Segment der großen und mittelgroßen Pick-ups ist das so. Das ist Emotionalität, aber auch gewachsene Loyalität. Dabei muss man aber auch wissen, dass die meisten gerade der größeren Pick-ups zu sogenannten Upfittern gehen. Das sind Aufbaudienstleister, die die Pick-ups für die Speziallösungen ertüchtigen, die die Kunden brauchen. Es gilt also, eine häufig über Jahre gewachsene Verbindung der Kunden zu den Upfittern und zu den Herstellern zu erobern.
Das klingt nicht nach einer leichten und schnellen Aufgabe.
Stellen Sie sich das einmal umgekehrt vor: Ein unbekannter Hersteller will hier bei uns in Europa in unsere über Jahre hinweg etablierten Verbindungen zu unseren Kunden. Eine toughe Aufgabe.
Zur Person: Dr. Eckhard Scholz (50) ist Vorstandsvorsitzender bei der Marke Volkswagen-Nutzfahrzeuge (VWN), zu der Modelle wie Transporter und Caddy gehören. Der Diplom-Ingenieur kam 1991 zum VW-Konzern und machte in der technischen Entwicklung Karriere. 2007 ging er als Entwicklungschef zur tschechischen Pkw-Tochter Skoda. 2012 wechselte Scholz zu VWN, zunächst in Personalunion als Vorstandssprecher und Entwicklungschef. Seit Juli 2014 ist er Vorsitzender des Vorstands. (dpa-AFX/gem)