Der Autobauer Volkswagen legt an diesem Donnerstag (25. Juli) seine Zahlen zum zweiten Quartal vor. Und die Wolfsburger könnten nach Analystenmeinung deutlich aus der aktuellen Branchentristesse ausbrechen. Was bei VW los ist, was Analysten sagen und wie die Aktie läuft.
VW liefert Lichtblick in düsterer Branchenstimmung
Aktuell ist die Autobranche in keiner guten Verfassung: Reihenweise hagelt es Gewinnwarnungen von Herstellern und Zulieferern, weil die Produktion weltweit nach wie vor nicht an die Vorjahreswerte anknüpfen kann. Der Wolfsburger Mehrmarkenkonzern hat aber einige Asse im Ärmel, die ein ordentliches Abschneiden trotz der aktuellen Branchenflaute erlauben.
Auch wenn die Geschäfte in China für die massentaugliche VW-Marke trüber verlaufen und in Deutschland die Dieseldiskussion weitergeht, kann VW-Chef Herbert Diess unter anderem auf den wieder guten Lauf der Renditeperle Porsche setzen. Zudem brummt das Lkw-Geschäft der gerade erst an die Börse gebrachten Nutzfahrzeugtochter Traton. Und rund um die Welt kann VW davon zehren, den Anteil von SUVs an den gesamten Auslieferungen deutlich hochzufahren. Denn für die Stadtgeländewagen können höhere Preise verlangt werden.
Diess hat ohnehin schon weitere Eisen im Feuer. Mit der Strategie, öffentlichkeitswirksam in Zeiten verschärfter Klimadiskussionen mit voller Kraft auf rein batterieelektrische Autos zu setzen, treibt er die Branche vor sich her. Mit Ford ist er kürzlich nach vielen Monaten überein gekommen, dass die Amerikaner in Europa den VW-eigenen Elektrobaukasten MEB nutzen wollen. VW hat bisher mehr als 6 Milliarden Euro in dessen Entwicklung gesteckt und kann ihn nun zu Geld machen. Für zunächst 2,6 Milliarden Dollar, eine Milliarde davon als Finanzmittel, steigt VW bei der Ford-Tochter Argo für autonomes Fahren ein.
Über den Traton-Börsengang hinaus prüft der Konzern, ob der Maschinenbauer Renk und die Großmotorentochter MAN Energy Solutions nicht alleine oder mit Partnern besser aufgestellt sind als im VW-Reich. Analysten und Investoren erhoffen sich von einem Aufbrechen der Strukturen in Wolfsburg einen deutlich steigenden Marktwert des Konglomerats mit über 660.000 Mitarbeitern.
Ganz ohne Probleme läuft es aber bei VW wie gewohnt dann doch nicht. Die Premiumtochter Audi muss sparen, genauso die Kernmarke mit dem blauen VW-Logo, damit milliardenschwere Investitionen in Elektroautos und neue Technik bezahlbar werden.
Volkswagen rechnet in diesem Jahr dank leicht steigender Auslieferungen mit einem Umsatzplus von bis zu 5 Prozent (VJ: 235,8 Mrd Euro). Die um Sondereinflüsse bereinigte Marge des Ergebnisses vor Zinsen und Steuern soll zwischen 6,5 und 7,5 Prozent liegen. Inklusive Sondereinflüssen, die im ersten Quartal mit rund einer Milliarde Euro belasteten, dürfte das bereinigte operative Ergebnis am unteren Ende der Spanne landen.
Für die Zahlenexperten kommen die Wolfsburger derzeit ausgesprochen ordentlich mit der schwachen Marktlage in Europa und China klar. Analyst Marc-Rene Tonn von Warburg Research sprach von einer "soliden Bewältigung eines stürmischen Branchenumfelds" und erwartet für das gerade abgelaufene zweite Quartal weiter eine gute Ergebnisentwicklung. Die stelle unter Beweis, dass VW mit der Ausrichtung auf teurere SUVs richtig liege und dass das europäische Geschäft sehr profitabel sei. Dass VW den Anteil von Fahrzeugen auf Basis der Gleichteileplattform MQB weiter ausbaue, dürfte zudem Belastungen durch höhere Ausgaben für insbesondere Elektroautos abfedern.
Auch UBS-Experte Patrick Hummel sieht ein starkes zweites Quartal für VW wegen der steigenden SUV-Verkäufe. Womöglich werde der Konzern gar bei der Ergebnisprognose etwas optimistischer. Commerzbank-Analyst Demian Flowers rechnet bei der operativen Marge nochmal mit einer Verbesserung gegenüber dem ohnehin schon starken ersten Quartal. Vor allem bei der Entwicklung des Barmittelzuflusses stehe Volkswagen auf festen Füßen. VW sei gegenwärtig disziplinierter bei den Ausgaben als die Konkurrenten.
Die von der Nachrichtenagentur Bloomberg bis Mittwoch befragten zehn Analysten gehen im Schnitt davon aus, dass das operative Ergebnis vom außerordentlich hohen Vorjahreswert um knapp 12 Prozent auf 4,9 Milliarden Euro sinkt. Doch das wäre bei einem geschätzten Umsatzplus von fast 1,6 Prozent auf 62,1 Milliarden Euro noch immer eine operative Marge von 7,9 Prozent. Vor einem Jahr hatte VW im zweiten Quartal mit Blick auf den anstehenden neuen Abgas- und Verbrauchstest WLTP den Verkauf von Fahrzeugen mit alter Prüfzertifizierung angekurbelt, was das Ergebnis entsprechend aufgebläht hatte.
Insbesondere in der aktuellen Branchenkrise ist das für einen Autohersteller, der wie VW zu großen Teilen mit Massenmodellen unterwegs ist, ein hoher Wert. Unter dem Strich dürfte wegen den 1,6 Milliarden Euro Belastung für die Dieselaffäre vor einem Jahr diesmal sogar ein Anstieg von einem Sechstel auf 3,8 Milliarden Euro stehen. Wenn nicht wieder unerwartet Geld für die Dieselkrise an die Seite gelegt werden muss.
Im Zuge der Dieselkrise hatte sich die VW-Vorzugsaktie von einem Hoch Mitte März 2015 bei 262,45 Euro auf ein Tief von 86,36 Euro im Oktober 2015 gedrittelt. Nach dem dramatischen Einbruch ging es in den folgenden Jahren wieder langsam bergauf. Seit dem Zwischenhoch im Januar 2018 bei 192,46 Euro, dem höchsten Wert seit dem Bekanntwerden der Dieselmanipulationen, verlor die Aktie aber mit dem Ausbruch der Branchentristesse wieder. Seit Mitte vergangenen Jahres bewegt sie sich in einem vergleichsweise schmalen Korridor um die 150 Euro, aktuell rund 10 Euro darüber.
Im Vergleich zum europaweiten Index Stoxx Europe 600 Automobile & Parts, in dem die Hersteller wie Zulieferer Europas zusammengefasst sind, haben sich die VW-Vorzüge in den letzten zwölf Monaten jedoch deutlich besser entwickelt: Während der Index über 10 Prozent im Minus liegt, kommt VW auf ein Plus von rund 6 Prozent. Nur der Luxussportwagenbauer Ferrari steht besser da unter den größeren Herstellern und Zulieferern. (dpa-AFX/gem)
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