Werkstatt und Teilegeschäft: Weniger lukrativ durch E-Autos

Die Transformation des Automobilvertriebs kommt Hersteller und Markenwerkstätten in Deutschland teuer zu stehen. Bis zum Ende des Jahrzehnts entgehen ihnen Milliarden-Gewinne, die sie anderweitig kompensieren müssen. Bis 2030 kumulieren sich die entgangenen Gewinne auf rund sieben Milliarden Euro. Das trifft die großen Betriebe mit starken Umsätzen hart: Allein etwa 750 Millionen Euro davon entfallen auf die Top-20-Händlergruppen.

Zu diesem Ergebnis kommen die Unternehmensberatung Berylls in einer aktuellen Untersuchung. Entscheidender Faktor ist der zunehmende Anteil von Elektroautos, die im Vergleich zum Verbrenner weniger Wartungsaufwand haben.

„In Kombination mit anderen Marktentwicklungen, wie den Bestrebungen vieler Hersteller ihr Vertriebsmodell auf ein Agenturmodell umzustellen, sowie dem steigenden Einfluss von Versicherungen, die immer mehr Reparaturen zu unabhängigen Werkstätten lenken, führen die rückläufigen Neuzulassungen zu einer wirtschaftlich bedrohlichen Situation für die etablierten Markenhändler“, sagt Florian Tauschek, Associate Partner bei Berylls.

Der aktuelle Dämpfer für Elektroautos könnte die Entwicklung etwas verzögern. Aufgrund der schwierigen Rahmenbedingungen rechnet die Automobilwoche im laufenden Jahr mit einem Rückgang der Neuzulassungen von Elektroautos in Deutschland auf rund 350.000 E-Pkw. Das entspricht dem Niveau von 2021 (356.000 E-Pkw-Neuzulassungen).

Doch bereits im nächsten Jahr zieht die Nachfrage wieder an: Nach Berechnungen von Dataforce ist im nächsten Jahr europaweit bereits knapp jede vierte Pkw-Neuzulassung mit einem reinen Elektroantrieb ausgestattet. Im Jahr 2029 ist knapp jedes zweite verkaufte Auto (48 Prozent) ein BEV. Dann sinkt der Anteil von Benziner und Diesel auf gut ein Drittel (34 Prozent).

Doch der Verbrenner bringt Umsätze und Gewinne in die Werkstätten. Ein Beispiel: Für den Service eines VW ID.3 ist eine Arbeitsdauer von 1,8 Stunden vorgesehen, ein aktueller Golf steht dagegen drei Stunden auf der Bühne.

„Solange wir denken können, war das Aftersales-Geschäft der große Gewinnbringer für die Autoindustrie“, Berylls-Partner Paul Kummer. „Für die OEMs fuhr es zwischen 30 und 45 Prozent der Profite ein, für deren Händler sogar bis zu 90 Prozent.“ Wenn keine Öle, Filter und Zündkerzen mehr gewechselt werden müssen, sinkt der Aufwand in der Werkstatt und mit ihm das Teilegeschäft dramatisch.

Kummer sieht die Hersteller gefordert, Strategien zu entwickeln, dem Gewinneinbruch im Aftermarket entgegenzuwirken. Es gäbe zwar keine Universalhandlungsempfehlung, die für jeden Hersteller und jede Handelsgruppe passen, so der Berylls-Berater, aber verschiedene Instrumente, um der Entwicklung entgegenzuwirken.

Schaffen die traditionellen Hersteller es nicht, die Profite in den Werkstätten zu halten, sind die Händler gezwungen, neue Geschäftsfelder und Partner zu erschließen. Das kommt vor allem den neuen Playern zugute.  Die Berylls-Analyse kommt zu dem Schluss: Die Unterstützung ist elementar wichtig, um neue Wettbewerber aus dem asiatischen Raum auf Abstand zu halten. Denn die sind dringend auf erfahrene Vertriebs- und Servicepartner angewiesen.