"New Auto" nennt VW die neue Strategie. "Weil das Auto hier ist, um zu bleiben", wie Diess selbstbewusst erklärte. Zwar arbeitet auch VW an alternativen Mobilitätsdiensten, die in der neuen Strategie sogar noch größeren Raum erhalten. Doch, davon ist Diess überzeugt: Auch 2030 wird das Gros der Fahrzeuge individuell genutzt werden. Das werde auch zum Ende des Jahrzehnts 85 Prozent des Verkehrs ausmachen. "Und diese 85 Prozent sind unser Kerngeschäft."
Mit der neuen Strategie will Diess nun dafür sorgen, dass VW beim "New Auto" genauso erfolgreich ist wie beim bisherigen Pkw. "Es ist also Zeit, sich neu zu erfinden."
Elektromobiltät: Die Elektrifizierung der Flotte soll konsequent weiter vorangetrieben werden. 2030 soll bereits die Hälfte aller Modelle des Konzerns rein elektrisch fahren. 2040 wolle man dann in den Hauptmärkten bereits auf nahezu 100 Prozent kommen.
Einheitsplattform: Helfen soll dabei die neue „Scalable Size Platform“ (SSP), die ab 2026 über alle Marken und Baureihen vom Kleinwagen bis zum Oberklasse-SUV ausgerollt werden soll. Sie werde dann die beiden bisherigen Elektro-Plattformen MEB (entwickelt von Volkswagen) und PPE (von Audi und Porsche) nach und nach ersetzen. "Bis Ende des Jahrzehnts haben wir die SSP über alle Marken ausgerollt", sagte Audi-Chef Markus Duesmann, der im Konzernvorstand zugleich für Forschung und Entwicklung zuständig ist.
Mit der neuen Einheitsplattform will VW deutlich mehr Synergien heben als bisher. Da künftig alle Fahrzeuge elektrisch fahren und es auch keine Unterschiede mehr zwischen Front- und Heckanrieb gibt, benötige man dann auch keine verschiedenen Plattformen mehr. Diess: "Es ist jetzt die richtige Zeit, das zu konsolidieren."
Verbrenner: Parallel zum Hochlauf der E-Mobilität will VW die Zahl der Verbrennermodelle reduzieren. "In Europa wollen wir die Zahl der Verbrennermodelle bis 2030 um 60 Prozent reduzieren", sagte Finanzvorstand Arno Antlitz. Vor allem die Zahl der verfügbaren Motorvarianten werde ausgedünnt. Denn die Nachfrage nach Modellen mit Benzin- oder Dieselantrieb werde deutlich zurückgehen. "Der Verbrenner wird ab 2025 unter Druck kommen", sagte Diess. "Der Verbrenner-Markt wird in den kommenden zehn Jahren um mehr als 20 Prozent zurückgehen."
Kurzfristig verabschieden will sich VW von der Technik aber nicht. Schließlich müsse man damit das Geld verdienen, um den Umbau des Konzerns zu finanzieren. Daher werde man auch weiter in die Weiterentwicklung der Modelle investieren, sagte Antlitz. "In den kommenden Jahren müssen wir unsere Verbrennermodelle wettbewerbsfähig halten." Ab 2024 werde man den Entwicklungsaufwand für Verbrenner aber deutlich zurückfahren können. Spätestens dann soll auch die Rendite bei den E-Autos mit denen der Verbrenner gleichziehen.
Software und Autonomes Fahren: Nach der E-Mobilität will Diess nun die Software im Fahrzeug zur neuen Kernkompetenz des Konzerns ausbauen – allen voran das autonome Fahren. Helfen soll auch hier eine einheitliche Plattform für den gesamten Konzern: die neue Softwarearchitektur, die die neue Tochter Cariad entwickelt. Erstmals zum Einsatz kommen soll sie ab 2025 beim Artemis-Modell von Audi, 2026 dann beim Trinity von VW.
"Die Mobilität 2030 wird autonom sein, digital, smart, nachhaltig und sicher", sagte Diess. Den Auftakt beim autonomen Fahren nach Level 4 soll das Artemis-Modell von Audi machen. "2026 sollten wir in Europa Level 4 fahren, etwas später auch in Amerika", sagte Diess. Auch der Trinty von VW soll 2026 bereits für Level 4 vorgerüstet sein, die Software dann bis 2030 dann per Update nachgerüstet werden können.
Geschäftsmodell 2.0: Der neue Fokus auf die Software soll auch das Geschäftsmodell komplett umkrempeln. Statt nur mit dem Verkauf der Fahrzeuge will VW auch mit Software, Updates und Zusatzdiensten Geld verdienen, und zwar über die gesamte Nutzungsdauer der Fahrzeuge. "Software spielt die entscheidende Rolle bei der Transformation von einem reinem Autohersteller zum integrierten Mobilitätskonzern", sagte Cariad-Chef Dirk Hilgenberg. "Bis 2030 kann Software - auf Basis des autonomen Fahrens eine bedeutende Einnahmequelle in unserer Branche werden."
So hatte die Marke VW jüngst vorgerechnet, dass man autonomes Fahren auch stundenweise für rund sieben Euro pro Stunde freischalten könne. Die neue Cariad-Software, die bis 2030 auf 40 Millionen Fahrzeugen aller Konzernmarken im Einsatz sein soll, biete hierfür die Grundlage.
Mobilitätsdienste: Beim autonomen Fahren durchbricht VW allerdings das neue Prinzip, dass alles nur einmal zentral für den gesamten Konzern entwickelt werden soll. Parallel zu Cariad arbeitet daran auch das bei VW Nutzfahrzeuge angesiedelte Gemeinschaftsprojekt Argo AI mit Ford. Im Mittelpunkt stehen hier aber nicht Anwendungen für private Pkw, sondern voll autonom fahrende Shuttles und Lieferfahrzeuge.
Erstmals zum Einsatz kommen soll das ab 2025 beim ID.Buzz in Hamburg. Dann soll der konzerneigene Mobilitätsdienstleister Moia, der bisher seine Dienste bisher klassische mit Fahrern anbietet, dort selbstfahrende E-Bullis in Dienst nehmen. Erste Pilotfahrzeuge des ID.Buzz AD sollen bereits 2023 getestet werden, kündigte VWN-Technikchef Christian Senger an. "Bis zum Ende des Jahrzehnts wird das autonome Fahren die Welt der Mobilität vollständig verändern", sagte Senger. "Der Volkswagen-Konzern will in diesem wichtigen Zusatzgeschäft eine hohen Marktanteil erreichen und zusätzliche Einnahmequellen erschließen."
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