Kartellvorwürfe drängen gute VW-Zahlen in den Hintergrund

Volkswagen wird nach dem ersten Halbjahr seine Prognosen wohl in die Höhe schrauben. Das erwarten Analysten. Die Kernmarke des Konzerns, VW Pkw, profitiert aktuell vom weiteren Aufschwung in Europa sowie der Erholung auf dem russischen und dem südamerikanischen Markt. Im wichtigsten Einzelmarkt China schwächelte dagegen die Premiummarke Audi. Sie konnte sich noch nicht vollständig vom Streit mit den Händlern in China erholen.

Für den Abgas-Skandal musste der weltweit größte Autobauer im abgelaufenen zweiten Quartal wohl keine nennenswerten Sonderkosten verbuchen. Deutlich mehr Umsatz und Gewinn ist zu erwarten, wenn VW an diesem Donnerstag (27. Juli) seine Halbjahresbilanz vorlegt. Aber vor dem Hintergrund der neuen Kartellvorwürfe gegen deutsche Autobauer dürften diese guten Zahlen in den Hintergrund treten.

Der "Spiegel" hatte über Kartellvorwürfe gegen die deutsche Autoindustrie berichtet. So sollen sich Vertreter von VW, Audi, Porsche, BMW und Daimler jahrelang in geheimen Kreisen über Fahrzeuge, Kosten und Zulieferer ausgetauscht haben und auch zum Umgang mit dem Thema Diesel-Abgase abgesprochen haben. Angeblich gibt es Selbstanzeigen von Daimler und Volkswagen. Bislang vermeiden es die Konzerne, sich konkret zum Tatvorwurf zu äußern - den Fragen wird sich VW-Finanzchef Frank Witter aber am Donnerstag stellen müssen.

Aus dem Tagesgeschäft kann Witter Positiveres berichten. Schon nach dem überraschend starken ersten Quartal sah die Margenprognose der Wolfsburger verhalten aus: 6 bis 7 Prozent vom Umsatz sollen bislang als Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) bleiben. Zwar hält sich VW oft bei der Prognose bedeckt, um im zweiten Halbjahr noch etwas in der Hinterhand zu haben, schreibt Deutsche Bank-Experte Gaetan Toulemonde. Das voraussichtliche Abschneiden im zweiten Quartal lasse den ursprünglichen Margenausblick aber nun noch vorsichtiger erscheinen. Wie Toulemonde rechnet auch Experte Horst Schneider von der HSBC mit einer Anhebung der Prognosespanne auf 6,5 bis 7,5 Prozent.

Von der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX befragte sechs Analysten erwarten im zweiten Quartal im Schnitt ein Umsatzplus von gut 4 Prozent auf 59,4 Milliarden Euro. Das operative Ergebnis soll auf 4,6 Milliarden Euro steigen. Das wäre mehr als doppelt so viel wie ein Jahr zuvor, als VW über 2 Milliarden für die rechtliche Bewältigung der Dieselaffäre beiseite gelegt hatte.

Die Umsatzrendite würde damit zwischen April bis Juni bei 7,8 Prozent liegen, ähnlich hoch wie im ersten Vierteljahr. Auch unter dem Strich dürfte VW deutlich mehr Gewinn ausweisen als noch 2016. Von Analysten geschätzte 3,35 Milliarden Euro wären fast dreimal so viel.

Die Anleger legen im Tagesgeschäft derzeit besonderes Augenmerk auf den geplanten Umschwung bei der Kernmarke VW. VW-Markenchef Herbert Diess ist angetreten, um die lange renditeschwache Marke fitter zu machen. Dazu hatte das Unternehmen im vergangenen Herbst mit dem Betriebsrat ein umfangreiches Sparpaket ausgehandelt, durch das weltweit bis zu 30 000 Stellen wegfallen. Im Gegenzug ist der Aufbau von 9000 Arbeitsplätzen in Zukunftsfeldern geplant. Im ersten Quartal zeigte die Rendite von VW-Pkw bereits deutlich nach oben, auch weil der Konzern einige große - und wenig rentable - Umsatzposten nicht mehr der Marke zuschlägt.

Im zweiten Quartal dürfte die Marge nach Schätzung der Experten mit 4,7 Prozent nochmal etwas höher ausfallen als zu Jahresbeginn. Vergleiche mit dem deutlich niedrigeren Vorjahreswert haben aufgrund der veränderten Rechnungslegung aber kaum Aussagekraft. (dpa-AFX/gem)

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