Friedrichshafen. Der Eintrag in das Handelsregister umfasst nur wenige Sätze.«Gegenstand des Unternehmens ist die Herstellung von Zahnrädern und Getrieben für Luftfahrzeuge, Motorwagen und Motorboote», heißt es in den Dokumenten des Amtsgerichts Tettnang am Bodensee. «Das Stammkapital beträgt 50.000 Mark.»
Der Name der Firma: Zahnradfabrik GmbH. Dahinter verbirgt sich ein Konzern, der inzwischen auf der Rangliste der Automobilzulieferer zu den zehn größten Unternehmen weltweit zählt. Die ZF Friedrichshafen AG feiert im Jahr 2015 ihren 100. Geburtstag - und steht gerade imJubiläumsjahr vor großen Herausforderungen.
Gelegt wird das Fundament am 9. September 1915:Das Unternehmen ZF entsteht im Umfeld des Luftschiffbauers Ferdinand Graf von Zeppelin und soll ein neues Verfahren zur Herstellung von hochwertigen Zahnrädern nutzen. Doch schon wenige Jahre später macht die Inflation der deutschenWirtschaft schwer zu schaffen - auch die finanzielle Situation der ZF verschärft sich.
Anfang der 1920er Jahre wird ZF dann in eine Aktiengesellschaft umgewandelt - damit stellt das Unternehmen die Weichen für die zukünftige Richtung. Auch inhaltlich findet eine Neuausrichtung statt: ZF bietet seine Technik nun für Automobilhersteller an.
Während des ZweitenWeltkriegs steht dagegen die Rüstungsproduktion im Vordergrund.ZF liefert Getriebe für Kettenfahrzeuge und Militärlastwagen, die Herstellung anderer Produkte nimmt rapide ab. Auch Zwangsarbeiter werden in den Werken beschäftigt. «Ihre Anzahl stieg bis Kriegsende auf rund 2800 kontinuierlich an», heißt es bei dem Unternehmen.
Nach Kriegsende startet ZF erneut mit der Produktion von zivilen Produkten - zunächst mit Getrieben für Nutzfahrzeuge und Ackerschlepper. 1965 beginnt das Unternehmen mit der Serienfertigung des ersten Stufenautomatik-Getriebes für Pkw.
Weitere Meilensteine sind die Übernahmen der Lemförder Gruppe 1984 und der Mannesmann Sachs AG 2001. 1989 erhält ZF mit der Zeppelin-Stiftung, die von Graf Zeppelin gegründet und seit 1947 von Friedrichshafen aus verwaltet wird, einen neuen Gesellschafter. Sie ist mit 93,8 Prozent Hauptaktionär des Konzerns und die größte kommunale Stiftung deutschlandweit.
Dass ZF ein Unternehmen inStiftungshand ist, mache seinen besonderen Charakter aus, sagt Vorstandschef Stefan Sommer: «Wir schauen sehr nachhaltig in die Zukunft und stehen nicht unter dem kurzfristigen Druck der Kapitalmärkte.» Ähnlich argumentiert der Direktor des Instituts für Automobilwirtschaft, Willi Diez: «Eine Stiftung kann längerfristig handeln. Das war auch immer eine ganz entscheidende Stärke von ZF.»
Im Jubiläumsjahr, in dem der Konzern mit zahlreichen Veranstaltungen weltweit seinen 100. Geburtstag feiert, steht aber auch eine großeHerausforderung an:Im Sommer 2014 kündigte ZF an, den US-ZuliefererTRW Automotive zu übernehmen. Damit rückt der Konzern unter die größten Zulieferer weltweit auf, zusammen kommen ZF und TRW auf rund 30 Milliarden Euro Jahresumsatz.
Mit dem Zukauf steigt das Unternehmen vom Bodensee ins Geschäft mit Elektronik und Sicherheitstechnik im Auto ein - und baut sich neue Kompetenz auf dem Feld des automatisierten Fahrens auf. Bislang verstanden sich die Friedrichshafener vor allem auf Antriebe und Fahrwerke.
Aber passt das auch mit Blick auf die Unternehmenskultur?Ein Konzern in Stiftungsbesitz, der einen börsennotierten US-Konzern übernimmt? Ja, sagt Sommer. Allerdings werde die Kultur eines Unternehmens auch durch die Märkte und das Wettbewerbsumfeld geprägt - und da bestehe ein Unterschied: «ZF ist stark mit Premiumkunden unterwegs, TRW ist stärker im Volumensegment. Das wird die große Herausforderung sein, diese beiden Welten zusammenzubringen.»
Die Betriebsräte von ZFund TRW sehen in dem Zukauf Chancen - aber in einer erfolgreichen Integration der Konzerne zugleich die größte Herausforderung. «Da prallen Welten aufeinander», sagt etwa der Vorsitzende des europäischen TRW-Betriebsrats, Erdal Tahta.
Auch sei noch einiges ungeklärt: wie die Unternehmensstrukturen bei TRW aussehen werden oder wer dessen Führung übernehme - denn TRW soll nach ZF-Angaben als separate Division integriert werden. «Herr Sommer bemüht sich sehr, Vertrauen aufzubauen», sagt Tahta. «Aber trotz allem gibt es noch einige Fragen zu beantworten.» (dpa/gem)