München. Die deutschen Unternehmen unter den weltweit Top 100 Automobilzulieferern haben ihren Umsatz im Jahr 2014 auf Euro 155 Milliarden Euro gesteigert (+8,5 Prozent). Damit legten sie im sechsten Jahr in Folge stärker zu als der Durchschnitt aller Unternehmen (+6,6 Prozent vor Währungskurseffekten). Dies ist ein Ergebnis einer aktuellen Studie der Unternehmensberatung Berylls.
„Die deutschen Automobilzulieferer haben trotz des schwierigen europäischen Marktumfeldes weiter ihre Marktposition zum Spitzenreiter der Branche ausbauen können“, sagt Jan Dannenberg, Partner von Berylls. „Dass allerdings in Europa nicht alles zum Besten steht, sieht man an der Entwicklung der sonstigen europäischen Top 100 Zulieferer. Französische, britische, italienische, spanische oder schwedische Zulieferer konnten nur um 4,1 Prozent zulegen.“Die 25 US-amerikanischen Unternehmen der Top 100 konnten laut der Untersuchung hingegen nach über zehn Jahren den Abwärtstrend im Jahr 2014 stoppen: mit einem Umsatz von Euro 166 Milliarden (+7,2 Prozent wechselkursbereinigt gegenüber 2013) sind sie kräftig gewachsen; die drei Jahre davor stagnierten sie noch. Durch die starke Aufwertung des US Dollars (+ 11,7 Prozent im Jahresvergleich) sind viele amerikanische Player im Ranking gestiegen. Bei den amerikanischen Zulieferern erkennt Berylls eine Trendwende. "Sie haben seit der Krise 2009 vieles getan, um wieder wettbewerbsfähig zu werden. Mit den Amerikanern ist ab sofort wieder global zu rechnen“, meint Dannenberg. Die japanischen Zulieferer haben laut Berylls mit Euro 193 Milliarden +7,4% gegenüber dem Vorjahr gewonnen und erstarken ebenfalls wieder.Deutsche Unternehmen setzen sich weiter ab
„Selten war die Automobilindustrie und ihre Zulieferer so gesund wie im abgelaufenen Jahr 2014“, so Tobias Keil, Berater bei Berylls Strategy Advisors und Co-Autor der Untersuchung. „Das fünfte Jahr in Folge haben die Top 100 der Automobilzulieferindustrie wieder alle Rekorde gebrochen.“ Mit einem durchschnittlichen operativen Ergebnis (EBIT oder Operating Income) von 8,1 Prozent (+0,6 Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr) vom Umsatz wurde der höchste Wert seit über zehn Jahren erreicht. 80 Prozent der Unternehmen, die ihre Ergebnisse bereits veröffentlicht haben (Stand 19.03.2015), lagen oberhalb des langfristigen Mittels von 5,3 Prozent bei der Gewinnmarge. Nur zwei Unternehmen konnten ihre Gewinne nicht steigern: Michelin und Pirelli, die unter starkem Einfluss der Rohölpreisentwicklung stehen.
Insgesamt stiegen laut der Untersuchung die Gewinne um 11,2 Prozent gegenüber 2013 und somit stärker als die Umsätze. Wie im letzten Jahr auch hat keines der untersuchten Unternehmen Verluste geschrieben.Die Unterschiede bei den Gewinnmargen zwischen den „Ländergruppen“ sind gering. Deutschland liegt erstmalig mit 9,0 Prozent Gewinnmarge vom Umsatz an der Spitze der profitabelsten Automobilzulieferer. Die Europäer (ohne Deutschland) erreichen 8,7 Prozent, die US-Amerikaner ebenfalls 8,7 Prozent, die Japaner liegen bei 7,2 Prozent und die restlichen Asiaten bei 8,9 Prozent.Die profitabelste Gruppe bestand wieder aus den 10 großen Reifenherstellern; sie kamen in 2014 auf ein durchschnittliches Jahresergebnis von 12,3 Prozent vom Umsatz. Ohne die Reifenhersteller lag bei den restlichen Zulieferern die Gewinnmarge bei 7,3 Prozent (+0,6 gegenüber Vorjahr).Der Profitabilitäts-Champion des Jahres 2014 ist ITW Illinois Tool Works aus den USA; mit einem EBIT von 23,2 Prozent vom Umsatz konnte sich der Spezialist von Fluidtechnik und Komponenten an die Spitze der erfolgreichsten Zulieferer setzen. Die Spitzengruppe ist zudem breiter geworden. Dort finden sich der Steckerspezialist TE Tyco Electric (21,1 Prozent Operating Income vom Umsatz), der Antriebsstrang-Komponenten-Anbieter Eaton (16,1 Prozent) sowie Hankook Tires (15,4 Prozent). Mit Ausnahme von Hankook Tires liegt der Automotive-Anteil bei den ersten vier Zulieferern allerdings bei deutlich unter 50 Prozent.In diesem Jahr spiegelt sich der Branchentreiber „Innovation“ besonders stark in den Wachstumszahlen der Automobilzulieferer wider. Zulieferer, deren Produktlösungen zur Reduzierung von Emissionen durch „Downsizing“, Aufladung oder Abgasnachbehandlung beitragen konnten, erleben laut Berylls aktuell einen Boom. So konnte der Turbolader-Hersteller BorgWarner 7 Plätze gut machen (auch durch die Übernahme des Esslinger Temperatur- und Abgasmanagementspezialisten Wahler), der Abgasanlagenspezialist Eberspächer konnte um 23,4 Prozent wachsen (plus 6 Plätze), die Motorenhersteller Weichai Power und Cummins wuchsen um 31,6 Prozent bzw. 22,8 Prozent.
Langfristig werden Automobilzulieferer laut Berylls nur in innovationsgetriebenen Sektoren der Automobilzulieferindustrie überdurchschnittlich wachsen können. „Wer heute nicht auf Lösungen für Emissionsreduzierung, Kraftstoffeinsparung, Connectivity und Digitalisierung oder automatisiertes Fahren setzt, wird in den kommenden 10 Jahren im Ranking nach hinten durchgereicht“, so Dannenberg.Der weltgrößte Automobilzulieferer bleibt mit Euro 34,5 Milliarden Continental – selbst wenn die non-automotive Aktivitäten der ContiTech (Conveyors, Compounding, Elastomer Coating, etc.) mit geschätzten Euro 1,1 Milliarden abgezogen werden. Die zehn größten Automobilzulieferer der Welt sind noch die selben wie im vergangenen Jahr. „Im Jahr 2014 hat eine Flut an M&A Aktivitäten zu großen Verschiebungen bei der Rangliste geführt. Vor allem die großen amerikanischen Zulieferer haben sich durch Akquisitionen massiv nach vorne gearbeitet“, stellt Dannenberg fest.
Visteon hat durch den Erwerb von JCI Electronics sowie ein starkes organisches Wachstum 11 Plätze gut gemacht. Lear konnte durch den Zukauf von Eagle Ottawa zwei Plätze hinzugewinnen. Aber auch die deutschen Zulieferer haben zugeschlagen: Der Sitzspezialist AUNDE beispielsweise ist durch den Erwerb des Interior-Spezialisten Fehrer erstmals in die Top 100 gerutscht.Der Trend über Akquisitionen zu wachsen hält laut Berylls weiter an. Der Kauf von TRW Automotive durch ZF Friedrichshafen wird dazu führen, dass im Jahr 2015 drei deutsche Automobilzulieferer die Plätze 1, 2 und 3 belegen werden. Durch die 100 prozentige Übernahme von ZF Lenksysteme (Euro 4,3 Milliarden Umsatz in 2014) wird Bosch in 2015 wieder auf Platz 1 rücken. Die erstmalig in 2015 konsolidierte Akquisition von Veyance (+ Euro 1,5 Milliarden Umsatz) wird nicht ausreichen, damit Continental weiter die Spitzenposition halten kann. Das Ziel von Continental bis zum Jahr 2020 die Euro 50 Milliarden Umsatzgrenze zu erreichen, ist laut der Studie durchaus möglich und über ein organisches Wachstum von 6,4 Prozent pro Jahr erreichbar. Sehr wahrscheinlich werde Continental aber weitere große Firmenübernahmen durchführen. Einen Umsatz von Euro 50 Milliarden können – sofern keine Konjunkturkrise die Branche zurückwirft – neben Continental auch Bosch, ZF Friedrichshafen, Denso, Magna und Hyundai Mobis erreichen.Ferner rechnet Berylls damit, dass weitere neue Player in den kommenden Jahren durch M&A Aktivitäten entstehen werden. Bestes Beispiel hierfür sei HVCC (Umsatz Euro 4 Milliarden), Halla Visteon Climate Control. Die Klimatechnik-Aktivitäten von Visteon werden an das seit den 90er Jahren gehaltene Joint Venture von Visteon und Mando, der Firma Halla, übertragen. Visteon verkauft in 2015 seine 70 prozentige Beteiligung an HVCC – es entsteht ein neuer, eigenständiger Player. Neben derartigen Zerschlagungen werden nach Meinung von Berylls in den kommenden 10 bis 15 Jahren auch erstmalig die großen chinesischen Zulieferkonzerne wie Huayu Automotive Systems, Yuchai Machinery (Guangxi), Guangzhou Automobile, Dongfeng Motor Parts oder Beijing Hainachuan als eigenständige Automobilzulieferkonzerne aufgestellt. Ähnlich wie die Ausgründungen der amerikanischen Big 3 in den 80er und 90er Jahren, die zur Gründung von Delphi, Visteon oder American Axle geführt haben, werden dann die chinesischen Staatskonzerne und -OEMs sich von diesen Zulieferern trennen.„Das Eintrittsticket für den Top-100-Club wird daher bis zum Jahr 2020 bei zirka Euro 3 Milliarden Umsatz liegen“, so Dannenberg . Für das laufende Jahr 2015 rechnen die Experten von Berylls wiederum mit einem leichten Wachstum von 3 Prozent. „Zum größten Unsicherheitsfaktor entwickelt sich der chinesische Markt, der in den vergangenen 10 Jahren die größte Stütze für eine positive Entwicklung der Automobilindustrie war“, stellt Tobias Keil von Berylls fest. „Das Halten der Profit-Marge auf über 8 Prozent EBIT vom Umsatz wird allerdings aufgrund des aktuell anziehenden Preisdrucks der OEMs wieder eine echte Herausforderung.“