Hannover. Nachrichten aus Russland sorgen in der Autowelt derzeit vor allem für Sorgenfalten - Unkraut aus Russland ist dagegen heiß begehrt. Denn aus einer speziellen Züchtung des russischen Löwenzahns will der Zulieferer Continental Kautschuk für seine Reifen gewinnen. Einen ersten Ausblick auf den Pusteblumen-Pneu gewährte das Unternehmen auf der Nutzfahrzeug-Messe IAA in Hannover. Die Idee: Mit dem Rohstoff aus der Löwenzahn-Wurzel würde Conti unabhängiger vom tropischen Kautschukbaum - und damit vom schwankenden Weltmarktpreis. Außerdem kann der Löwenzahn auch in Europa angebaut werden.
Der Reifen auf Unkraut-Basis ist eine der skurrilsten Innovation auf der Nutzfahrzeug-IAA. Die meisten Erfindungen und Neuheiten drehen sich aber um das Thema Sparen - sei es bei Sprit, Zeit oder Aufwand.
Der Technologiespezialist und Autozulieferer Bosch beispielsweise sieht die Dieseleffizienz der Brummis noch lange nicht ausgereizt. «Insgesamt können wir mit unseren Maßnahmen den Verbrauch von Nutzfahrzeugen bis Ende der Dekade um weitere 15 Prozent reduzieren», sagt der Chef der Bosch-Kfz-Sparte, Wolf-Henning Scheider.
Solche Aussagen sind hochrelevant in der Branche, in der jeder Cent wettbewerbsrelevant ist. Zu den 15 Prozent berichtet Scheider: «Das bedeutet bei aktuellen Kraftstoffpreisen und einer durchschnittlichen Fahrleistung von 135.000 Kilometern eine Betriebskostenersparnis von 10.000 Euro pro Lkw und Jahr.»
Aber nicht nur an Motor und Antrieb lässt sich feilen. Neben dem Dauerthema Infrastruktur haben die Hersteller auch den Gasfuß der Fahrer im Blick. Mit Schulungen für verbrauchsarmes Fahren ließe sich mehr sparen als mit manch technischer Neuerung - der Branchenverband Acea spricht von durchschnittlich rund fünf Prozent.
Auf lange Sicht soll ohnehin der Computer die meiste Arbeit im Führerhäuschen übernehmen. Daimlers Prototyp mit Autopilot erkennt nicht nur in Gefahrensituationen, wann er den virtuellen Fuß vom Gas nehmen muss. Er weiß auch um Kurven und Steigungen und optimiert dafür die Schaltwege - und er könnte auch, zentimetergenau auf Spur gehalten, im Windschatten eines Kollegen fahren, um Sprit zu sparen.
Deutlich mehr Ersparnis würde allerdings eine denkbar einfach klingende Maßnahme bringen: Fuß vom Gas. Weil der Luftwiderstand bei höherer Geschwindigkeit überproportional zunimmt, steigt dabei auch der Spritverbrauch rasant. Würden 40-Tonner nur mit Tempo 80 fahren, wären auf langen Strecken laut einer Acea-Studie vier Prozent Ersparnis drin - bei 70 Kilometern pro Stunde sogar das Doppelte.
Ein anderes Beispiel weiterer Technikinnovationen an Bord: Die großen Außenspiegel können durch kleine Kameras und Bildschirme im Inneren ersetzt werden. Auch das drückt Luftwiderstand und Verbrauch.
Eine Etage tiefer arbeiten die Reifenhersteller am Rollwiderstand ihrer Produkte. Contis neue Reifen-Familie EcoPlus für Autobahnen und Schnellstraßen senkt den Verbrauch den Angaben zufolge im Vergleich zum Vorgänger um fast zwei Liter je 100 Kilometer.
Lkw-Reifen haben laut Conti Einfluss auf insgesamt rund 40 Prozent der Gesamtbetriebskosten eines Lastwagens. Größter Einzelposten über die ganze Lebensdauer eines Brummis ist der Treibstoff, der fast ein Drittel ausmache - da rechnen sich also schon kleinste Reduzierungen.
Entsprechend in Aufruhr war die Branche, als zum Jahreswechsel die strengere Abgasnorm Euro 6 in Kraft trat. Die Sorge: Der Spagat aus weniger Schadstoff und gleichzeitig weniger Verbrauch sei ausgereizt - die neuen Motoren damit nicht nur teurer in der Anschaffung, sondern auch weniger effizient im Verbrauch. Die Folge waren regelrechte Hamsterkäufe von Euro-5-Lkw, die den Markt Ende 2013 völlig auf den Kopf stellten. Die Nachwehen spüren die Hersteller noch heute, die Nachfrage in Europa ist auch wegen dieser Vorzieh-Effekte im Keller.
Doch zumindest laut einer Studie des Prüfkonzerns Dekra kann sich die Umstellung auf Euro-6 recht rasch wegen Sprit- und Mautersparnissen rechnen. Denn bei einer üblichen Jahreslaufleistung von 140.000 Kilometern machten Einsparungen bei Diesel und Straßengebühren die höheren Anschaffungskosten nach zwei Jahren wieder wett. Das ergab ein 2007 begonnener Langzeittest der Dekra mit sieben Lastern der Hersteller DAF, Iveco, MAN, Mercedes, Renault, Scania und Volvo. (dpa/gem)