Herr Plass, Sie konzipieren alle Messeauftritte von BMW. Für die IAA haben Sie eine Art Elektroauto-Achterbahn entworfen. Wie entsteht so eine Idee?
Wir schauen uns zunächst das derzeit bestimmende Portfolio-Thema der Marke an. Und die Fragestellungen im Markt, in den Medien. Im Idealfall passt alles zusammen. Meistens hat eine große Marke automatisch die Produkte in der Pipeline, die zum übergreifenden Trendthema der Branche passen. Aber natürlich nicht immer. Mancher reagiert erst kurzfristig auf bestimmte Trends. Das sieht man dem Messeauftritt dann auch an.Bei BMW steht derzeit das Thema E-Mobilität ganz oben auf der Agenda…Richtig. Zeitgleich aber steht man dem Thema in Deutschland eher skeptisch gegenüber. Die begrenzte Reichweite der Fahrzeuge, die lückenhafte Infrastruktur, und auch die Konkurrenten Audi und Mercedes nähern sich dem Thema eher zögerlich. Es gibt viele negative Konnotationen. In diesem Umfeld mussten wir unsere Idee zum Leben erwecken.Sollen die Besucher also in Halle 11 gehen und sagen: Alles klar, Elektromobilität finde ich gut, ich nehme einen i3, wo geht's zur Kasse?Immer langsam… Unser Ziel ist erst einmal, dass die Besucher nach Verlassen der Halle 11 sagen: Wow! Was für ein Markenauftritt! Was für tolle Produkte! Wir haben eine reale Straße in die Halle gebaut, auf einer 10.000 Quadratmeter großen Fläche. Drei Stockwerke hoch. Man ist respektvoll erschlagen, von der Geste dieser Architektur. Das ist ein starkes, emotionales Bild. Wir wollen damit vermitteln: Das sind echte Autos. Die können fahren. Man betritt die Halle, da kommt einem schon das erste Elektroauto entgegengesaust. Dynamisch wie ein BMW, mit 60 km/h, was in so einer Halle schnell ist. Die Message ist: Das E-Auto ist ein verlässlicher Mobilitätspartner. Es fährt und fährt und fährt.Für einen Werber ist es eher ungewöhnlich, dass er seine Ideen auf 10.000 Quadratmetern Realität werden lassen kann. Normalerweise kreieren Werbeagenturen TV-Spots, Internet-Gimmicks…Das ist genau der Kick! Deswegen liebe ich diese Disziplin so. Wir schaffen etwas Echtes. Etwas Innovatives. Der Kunde wie auch wir als Agentur stehen ja unter einem enormen Innovationsdruck. Wir müssen, zumal auf der so wichtigen Messe IAA, etwas Außergewöhnliches schaffen. Von der kreativen Idee her, aber auch in Sachen Technik.Wie übersetzt man Markenwerte in Messe-Architektur?Am wichtigsten ist: Der Kunde muss sich fokussieren. Er muss ein Thema definieren, das wir umsetzen. Das ist die große Herausforderung für ein Unternehmen, in dem unzählige Abteilungen alle mit ihren Themen auf den großen Marktplatz IAA drängen. Markenwerte bekomme ich aber nur vermittelt, indem ich eine Eigenschaft herausarbeite. Der Besucher soll die Halle mit einer klaren Idee im Kopf verlassen. Die Themenfülle auf so einer Messe ist ja unendlich. Da steht Messetand neben Messetand neben Messestand, Weltpremiere neben Weltpremiere neben Weltpremiere.Wie grenzen sich die großen Hersteller dabei voneinander ab? Deren Markenwerte ähneln sich ja sehr. Nehmen wir einmal Mercedes…Mercedes kommt über das Luxusverständnis. Man hat eine traditionelle Marke, die sich mit tradierten Elementen inszeniert. Die Festhalle ist ein Traditionsgebäude, das passt zu Mercedes. Dort präsentiert man sich in einer Art Kaufhausästhetik: Mit den Rolltreppen geht es nach ganz oben, von dort nach unten erschließt sich das Produktportfolio. Das ist nicht sonderlich progressiv, aber passend.Und Audi und Volkswagen?Volkswagen versucht, anders als Mercedes, keine Distanz zum überhöhten Produkt aufzubauen. Man will Nähe für die Massen suggerieren. Das ist dann eher so eine Händler-Ästhetik. Der Messestand sagt: Komm' herein und schau' Dir in Ruhe unsere Produkte an. Audi wiederum geht es um ihren "Vorsprung durch Technik", um Hochwertigkeit und Sportlichkeit. Die Themen Hightech und Architektur werden immer auf den höchstmöglichen Level getrieben. Da wird übrigens ein Großteil der Messearchitektur hinterher abgerissen. Bei BMW ist das Thema Nachhaltigkeit – passend zum Thema Efficient Dynamics – in die Messe-DNA mit eingebaut. 90 Prozent des BMW-Messestandes wird ab- und bei einer anderen Messe, in Detroit oder Paris, wieder aufgebaut. Das ist ein System wie von Lego.Bei welchen Ständen des Wettbewerbs schlagen Sie innerlich die Hände über dem Kopf zusammen?Bei den meisten. Und ich habe Erfahrung, ich bin jedes Jahr auf jeder wichtigen Automobilmesse. Für viele ist Messe eben nur Messe, ein Marktplatz, auf dem ich meine Neuheiten präsentiere. Volvo zum Beispiel enttäuscht mich seit Jahren. Die haben überall rund um den Globus immer wieder den gleichen Auftritt. Da verändert sich im Kern nichts. Langweilig. Die große Chance, die gesamte Marke in einem bestimmten Licht erscheinen zu lassen, wird von vielen Herstellern verspielt.Auch die amerikanischen Hersteller zum Beispiel präsentieren sich eher reserviert.Es hängt eben auch mit der Location zusammen. In Detroit präsentieren die sich viel aufwändiger als auf der IAA. Die Deutschen wiederum ziehen ihr Ding auf allen Messen durch. Die wollen auf allen Märkten punkten. Da weiß man: Detroit, langweiliges Publikum. Aber riesiges Medieninteresse, wegen des Termins zum Jahresanfang. Das muss man der Presse Bilder anbieten, zeigen: Hier, bei uns, da passiert es! Die deutschen Premiumhersteller sind auch deswegen so erfolgreich, weil sie das Thema Markenmanagement verstanden haben, gerade in der Verbindung von Kommunikation und Architektur. Jeder will Talk-of-Show werden.Wie wichtig ist der entsprechende Auftritt in China?Natürlich immens wichtig. Wobei man in Peking oder Shanghai mit ganz anderen Herausforderungen zu kämpfen hat. Da bewegen sich Aber-Millionen von Besuchern über deinen Stand. Da geht es vor allem darum: Wie lotse ich diese Massen über die Ausstellung? Zum Beispiel müssen die Abstände zwischen den Autos deutlich größer sein – deswegen will jeder möglichst viel Ausstellungsfläche ergattern.Das Internet wird in der Automobilindustrie immer wichtiger. BMW zum Beispiel will seinen i3 ja auch übers Web verkaufen. Wird es bald eine Internet-IAA geben, bei der man sich durch virtuelle Messehallen bewegt?Nein. Natürlich wird das Leben immer digitalisierter und damit auch virtueller. Trotzdem braucht der Mensch reale Erlebnisse. Man muss ja etwas erleben, über das man dann bei Facebook berichten kann. Die Leute gehen nicht mehr mit offenen Augen über die Messe, die laufen ihren Handys hinterher. Mit einem Marktplatz wie der IAA bietet man aber genau so ein Erlebnis, über das die Menschen sich dann im Social Web austauschen können.Sie planen jedes Detail für BMW. Bestimmen Sie auch, wie hoch die Absätze der Hostessen neben den Fahrzeugen sein müssen?Nein. Die langbeinige Hostess ist ein Anachronismus. Zumindest bei den großen deutschen Premiummarken werden Sie die nicht mehr finden. Ein Produkt muss für sich überzeugen. Man sagt: Wir als Marke haben eine bestimmte Begegnungskultur, und die spiegelt sich auch im Personal wieder, das auf einem Messetand arbeitet. Da herrscht das Business-Outfit vor, die Mitarbeiterinnen treten als kompetente Berater auf, nicht als langbeinige Schönheit.Interview
"Wir wollen damit vermitteln: Das sind echte Autos."
Die Design-Agentur Mutabor hat für BMW auf der diesjährigen IAA einen besonderen Auftritt organisiert. Automobilwoche sprach mit Mutabor-Chef Johannes Plass.
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