Strotz Opel vor Selbstbewusstsein? Gottlob nein. Der seit März amtierende Vorstandsvorsitzende Karl-Thomas Neumann ist kein Utopist, der sich und der Mannschaft in die Tasche lügt. Deshalb beispielsweise hat er eine behutsame preisliche Neuausrichtung der Opel-Verkaufspreise eingeleitet - nach unten. Aber Neumann hat wieder eine realistische Strategie, mit der der hoch defizitäre Autobauer sein jahrelanges Siechtum beenden kann. Der ehemalige Conti-Chef und VW-Manager hat den Kompass und Sextant wieder gefunden, um das zeitweise führerlos wirkende Schiff aus Rüsselsheim auf einen Kurs einzuschwören, der zum rettenden Hafen führen kann.
Kurz formuliert lautet die Anweisung des Kapitäns: Neue, wirklich attraktive Modelle entwickeln, Top-Technolgie bei Konnektivität und Antrieben anbieten, Überkapazitäten abbauen, im Heimatmarkt Deutschland den Marktanteil wieder auf acht Prozent oder mehr heben, neue Märkte in Russland und in der Türkei ausbauen, das schwer beschädigte Image durch Konsistenz im Markenversprechen wieder aufrichten. Das braucht neben viel Geld auch eine Menge Zeit - ob Neumann diese hat, kann er vermutlich selber nicht wissen.
Für die nächsten vier Jahre zumindest kann der Opel-Chef auf die lange Zeit ungewisse Unterstützung durch die Mutter General Motors setzen. Der Preis dafür ist allerdings hoch: Opel muss sich auf Dauer damit begnügen, eine Regionalmarke zu bleiben, wenn auch eine sehr wichtige, die GM deutsches Engineering und eine starke Marke in Europa verschafft.
Die Anleger von General Motors haben Opel diese Chance gegeben - eine weitere wird es nicht geben. Notfalls könnte GM seine globale Hauptmarke Chevrolet auch in Europa zur Kernmarke machen und Opel zum reinen Technologielieferanten degradieren.
Doch so lange es dazu nicht kommt, muss klar sein, dass Chevrolet in Europa klar hinter Opel ins zweite Glied tritt. Sonst stellt sich GM beim Wiederaufbau von Opel selber ein Bein. Auf diese Klarstellung wird Karl-Thomas Neumann bei den Gesprächen um die Neupositionierung beider GM-Marken in Europa pochen. Wenn GM nicht darauf eingehen würde, wird der Opel-Chef wissen, dass er die Koffer packen kann.
