Detroit. Glaskugel und Kaffeesatz können Besucher der Motorshow in Detroit diesmal getrost zu Hause lassen: Wer die Designstudien auf der North American International Auto Show (NAIAS, bis 27. Januar) anschaut, braucht über deren Zukunft nicht lange zu rätseln. Sind die sogenannten Showcars für gewöhnlich nur eine Fingerübung der Formgestalter, um neuen Strömungen nachzuspüren und Aufmerksamkeit zu erregen, haben sie auf der US-Messe überraschend viel Bodenhaftung: Was dort den Beinamen «Concept» trägt, wird man in den meisten Fällen schon bald als Serienfahrzeug sehen.
«In wirtschaftlich so schwierigen Zeiten haben die Autohersteller keine Muße und keine Mittel für hochtrabende Träume», erklärt Marktbeobachter Nick Margetts von Jato Dynamics. «Sie investieren ihr Geld vor allem in neue Modelle, die schnell auch neue Kunden finden.»Hondas Konzeptfahrzeug Urban SUV etwa könnte schon in gut einem Jahr gegen kleine Geländewagen wie den Opel Mokka antreten. Denn die Studie teilt sich eine neue Plattform mit Klein- und Kompaktwagen wie Jazz und Civic, erläutert der japanische Hersteller. Und auch die passenden Motoren - die Rede ist von Dieseln, Benzinern und einem Hybridantrieb - sind in diesen Modellen bereits im Einsatz.Ähnlich greifbar und realitätsnah sind der VW Cross Blue, aus dem möglichst schnell ein großer, aber günstiger Geländewagen vor allem für den US-Markt werden soll. Oder der gewaltige Pick-up Ford Atlas, der den Generationswechsel beim amerikanischen Bestseller F-150 vorwegnimmt. Die SUV-Studie Lincoln MKC ist nicht viel mehr als ein Ford Escape im feinen Zwirn. Und der schwarze Sportwagen auf dem Messestand von Acura hat nach Werksangaben mittlerweile außen wie innen viel vom neuen NSX, mit dem sich Honda innerhalb eines guten Jahres auf der Überholspur zurückmelden will.Seriennahe Studien der Detroit Motorshow
Egal ob Gelände- oder Sportwagen, Limousine oder Lastenträger - was bei allen Fahrzeugstudien in Detroit auffällt, sind ihre markanten Linien. Weil die Blechbearbeitung nach Angaben von VW-Stilführer Klaus Bischoff immer mehr Präzision zulässt und Charakterlinien offenbar im Trend liegen, haben sie alle sehr sehnige Flanken, an deren scharfen Kanten sich eindrucksvoll das Licht bricht. Dazu gibt es verspielt designte Scheinwerfer wie die riesigen Lichthaken beim Nissan Resonance oder die vierfachen Knopfaugen beim kleinen Geländegänger von Honda - und jede Menge Chromglanz.
Aber nicht alle Studien, die es auf der Motorshow zu sehen gibt, sollen fast fertige Serienautos sein. Der Toyota Furia mit seiner zerklüfteten Front und den zweifarbigen Flanken wird so wohl nie gebaut. Vielmehr sei dieses Showcar als ein Versprechen zu verstehen, dass der nächste Corolla eine sportlichere Optik bekommt, sagte ein Sprecher am Messestand.Ob der wie ein kantiger Audi A7 gezeichnete Hyundai HCD-14 tatsächlich gegenläufige Türen erhält, wenn er in ein, zwei Jahren als neuer Genesis in Serie gehen wird, ist mehr als fraglich. Und auch die Front und Flanken des Nissan Resonance werden wohl noch spürbar geglättet, bis daraus mal ein neuer Murano wird.Dass viele Details der Konzeptautos überzeichnet sind, dient dem Showeffekt auf der Messe. Golden eingefärbtes Karbon in den Spoilern des Nissan Resonance und Felgen mit elektronisch gesteuerter Luftführung am Ford Atlas haben in der Produktion keine Chance. Und natürlich wird es so schnell keine Innenräume geben, in denen nur noch Touchscreen-Computer montiert sind, wie man sie zum Beispiel in den Kopfstützen des VW CrossBlue sehen und ausprobieren kann. Doch all diese Schminke lässt sich auf dem Weg von der Bühne aufs Produktionsband leicht abwischen.
Was bei der Fahrzeugentwicklung teuer ist und einen langen Vorlauf braucht, das sind neben Bodengruppe und Blechen vor allem die Antriebe. Auch die sind bei den meisten in Detroit enthüllten Studien realistischer denn je: Der rund 221 kW/300 PS starke Sechszylinder im Ford Atlas und der fünf Liter große Achtzylinder im Hyundai HCD-14 kommen bereits in aktuellen Modellen zum Einsatz. Und wer am 225 kW/306 PS starken Plug-in-Dieselhybrid des CrossBlue zweifelt, dem hält VW-Entwicklungschef Ulrich Hackenberg die Flexibilität des Modularen Querbaukastens entgegen, auf dem die Studie basiert: «Diese Antriebskombination haben wir dort von Anfang an mit eingeplant.»Dass der CrossBlue keine blanke Utopie ist und wohl in wenigen Jahren die Modellpalette von VW bereichern wird, legt eine weitere Aussage Hackenbergs nahe: «Bei der Arbeit an der Studie hatten wir immer die Serienfertigung im Sinn.» Und damit - so der Eindruck auf der US-Messe - steht VW mit seiner Studie nicht alleine da. (dpa/gem)