Im europäischen Autohandel wimmelt es von Traditionen. Die können manche Homepage schmücken, gut ist es auch, wenn der Seniorchef die Kundschaft schon in der dritten Generation kennt. Aber reicht das für eine zukunftssichere Aufstellung?
Während die Autohersteller und die Zulieferer schon seit Jahrzehnten ihr Heil in China suchen, blicken die allermeisten Autohändler nicht über den Tellerrand hinaus. In der jungen Autonation China zeigen Handelsbetriebe, wie sie - ohne den Ballast von Tradition und alteingefahrenen Strukturen - den Handel der Zukunft aufbauen. Zugegeben, die Rahmenbedingungen sind grundverschieden - sowohl was die Kunden, die rechtlichen Rahmenbedingungen wie auch die Finanzierungsmöglichkeiten betrifft. Dennoch sollte eine "Pilgerreise" der europäischen Autohändler nach China zum Pflichtprogramm eines modernen Händlers gehören.
Beim Stichwort "Kundenorientierung" können Chinesen nur lachen, wenn sie nach Europa blicken. Öffnungszeiten an Weihnachten und Silvester? Kein Problem. Direktabholung beim Kunden - sowieso. Penible Einhaltung aller Termine und zuvorkommendste Behandlung im Autohaus? Ehrensache.
Aber auch technisch sind die neuen Autohäuser in China auf dem allerneuesten Stand - kein Wunder, entstanden sie doch allesamt in der jüngsten Zeit. Massig Hebebühnen, neueste Diagnosegeräte, permanente Fortbildung aller Servicemitarbeiter - so funktioniert das in China.
Und woher kommen in China die Kunden? Jedenfalls nicht aus dem Bestand, denn der ist nahe Null. Akquise fängt in China nicht im Autohaus an, sondern im Internet. Aus allen Online-Rohren feuern die chinesischen Vertriebler. Und es gibt auch neue Ansätze, die in Europa fast noch gar nicht erprobt werden: in einem Flagship-Store in der Metropole werden die vorbei flanierenden Kunden auf eine Marke oder ein Modell aufmerksam gemacht, der blitzblanke Stützpunkt mit Werkstatt befindet sich dann verkehrstechnisch günstig am Rande der Stadt.
Und noch etwas sollte dem Markenhandel in Europa zu denken geben: Markenidentifikation kennen auch die chinesischen Händler - aber nicht bis zur Nibelungentreue. Praktisch alle Handelsbetriebe sind erstens weit größer als der Durchschnitt in Europa und alle führen sie mehrere Marken - nicht selten mehr als zehn - in fein säuberlich getrennten Marken-Showrooms. Aber eine sauber aufgebaute Werkstatt für alle reicht doch.
Also, auf zur Pilgerreise nach China!
