Der Kohlefaserspezialist hat zwei schwierige Jahre hinter sich. Strukturelle Veränderungen in wichtigen Branchen wie Automobil oder Luftfahrt machten dem Wiesbadener Unternehmen zu schaffen. Dazu wurden 2019 Planungsfehler bekannt, das Unternehmen musste seine Jahresprognose kurz nach deren Bestätigung doch zurücknehmen und seine mittelfristigen Ambitionen begraben. Der damalige Chef Jürgen Köhler nahm seinen Hut, nur kurze Zeit, nachdem er erst seinen Vertrag verlängert hatte. Das Vertrauen der Anleger in das Unternehmen war zunächst dahin.
Im vergangenen Jahr machte SGL Carbon dann die Corona-Pandemie massiv zu schaffen, das Unternehmen schrieb Verluste. Im Herbst vergangenen Jahres kündigte der neue Chef Thorsten Derr ein massives Sparprogramm an - unter anderem sollte jede zehnte Stelle bei den Wiesbadenern gestrichen werden. Mit dem gesamten Programm werden Ergebnisverbesserungen von über 100 Millionen Euro pro Jahr bis zum Jahr 2023 angepeilt.
Nun, im Sommer 2021, hat sich die Situation aufgehellt. Das Unternehmen kommt mit seinem Sparprogramm inklusive des Abbaus von 500 Arbeitsplätzen voran. Bis Ende Juni seien rund zwei Drittel der Initiativen und 84 Prozent des Stellenabbaus umgesetzt worden, sagte das Management jüngst bei der Vorlage der Halbjahreszahlen. Per Ende Juni beschäftigten die Wiesbadener noch gut 4700 Personen.
Die Kostensenkungen entfalteten neben der Erholung der Nachfrage, insbesondere aus der Autoindustrie, in den vergangenen Monaten bereits Wirkung. Bei einem Umsatzwachstum um knapp neun Prozent auf rund 497 Millionen Euro steigerte SGL Carbon das operative Ergebnis (bereinigtes Ebitda) im ersten Halbjahr im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um fast 71 Prozent auf knapp 72 Millionen Euro. Unter dem Strich schaffte das Unternehmen mit einem Überschuss von knapp 18 Millionen Euro die Rückkehr in die Gewinnzone.
Zudem konnte Konzernchef Derr im Juli die Jahresprognose erhöhen: Er kalkuliert mit einem Umsatzanstieg auf rund eine Milliarde Euro sowie mit einem operativen Gewinn von 130 bis 140 Millionen Euro. Dazu prognostiziert SGL ein leicht positives Konzernergebnis. Bisher hatte die Führung ein bestenfalls ausgeglichenes Ergebnis in Aussicht gestellt. Bei der neuen Prognose geht der Vorstand allerdings davon aus, dass Einkaufspreise und Logistikketten stabil und Produktionslinien in Betrieb bleiben. Es darf also keine Verschlechterungen der Rahmenbedingungen durch die Corona-Pandemie geben.
An SGL Carbon sind die Autobauer BMW und VW sowie BMW-Großaktionärin Susanne Klatten über ihre Beteiligungsgesellschaft Skion beteiligt.