Autos, Busse und andere Fahrzeuge in der EU sollen künftig weniger umwelt- und gesundheitsschädliche Stoffe verursachen. Unterhändler des Europaparlaments und der EU-Staaten einigten sich am Montag in Brüssel auf die neue Schadstoffnorm Euro 7, wie beide Seiten mitteilten. Damit werden erstmals auch Grenzwerte für Brems- und Reifenabrieb eingeführt.
Brüssel bringt Euro 7 "Light" auf den Weg
Die EU-Unterhändler haben eine Einigung bei der Euro-7-Abgasnorm erzielt. Die Autoindustrie bewertet die Einigung nicht einvernehmlich positiv. Die Zulieferer haben längst Techniken entwickelt, um die Emissionen von Verbrennern noch stärker zu drücken - jetzt wird vieles davon nicht benötigt.
Mit den neuen Regeln sollen die von Fahrzeugen verursachten Schadstoffe strenger als bislang reguliert werden. Neu ist, dass künftig auch gesundheitsschädliche Stoffe wie Feinstaub, der durch Reifenabrieb oder Bremsen entstehen kann, reguliert werden sollen. Das bedeutet, dass die Vorschriften auch für Elektroautos und Wasserstofffahrzeuge gelten. Weiterhin sollen nach Parlamentsangaben Mindestanforderungen an die Lebensdauer der Batterien von Elektro- und Hybridfahrzeugen eingeführt werden.
Darüber hinaus soll mit jedem Fahrzeug ein Umweltpass kommen, der Informationen etwa über den Kraftstoff- und Stromverbrauch oder die Lebensdauer der Batterie enthält, wie aus der Mitteilung des Parlaments hervorgeht. Aktuelle Informationen dazu sollen Autofahrerinnen und Autofahrer über die Systeme im Auto bekommen.
Bislang standen Abgase im Fokus der Euro-Normen. Unter Euro 6 waren bislang Stickoxide (NOx), Kohlenmonoxid (CO), Partikel, Kohlenwasserstoffe und Methan sowie Ammoniak für Lastkraftwagen und Busse geregelt. Euro 7 schreibt strengere Regeln für die Emissionen aus dem Auspuff vor - allerdings laut Mitteilung nur für Busse und Lastwagen.
Für Autos und Kleintransporter einigten sich Länder und Parlament auf die Beibehaltung der derzeit geltenden Euro-6-Werte. Außerdem sollen nach Angaben des Parlaments für alle Fahrzeugarten die Euro-6-Testbedingungen weiterhin gelten.
Die Überarbeitung der Grenzwerte geht auf einen Vorschlag der EU-Kommission aus dem vergangenen Jahr zurück, der mit Blick auf die Abgasemissionen von Autos allerdings von Parlament und Ländern deutlich abgeschwächt wurde. Die von der Brüsseler Behörde vorgeschlagenen Regeln waren weder beim Europaparlament noch bei den EU-Ländern auf große Zustimmung gestoßen.
So sollten unter anderem die Regeln für Autos 2025 beziehungsweise für Lkw und Busse 2027 in Kraft treten. Teils waren die Vorschläge sogar dem von der Grünen-Politikerin Steffi Lemke geführten Umweltministerium zu weit gegangen, insbesondere die angedachten Einführungsfristen waren ihr zu knapp. Allerdings hatte sich Deutschland in den Verhandlungen für strengere Grenzwerte für Luftschadstoffe eingesetzt, war jedoch von einer Mehrheit der anderen EU-Staaten überstimmt worden.
Der europäische Herstellerverband ACEA begrüßte in einem Statement die Planungssicherheit, die durch die Einigung erzielt worden sei. General Director Sigrid de Vries wies aber auch darauf hin, dass "viele der neuen Bestimmungen zu einem entscheidenden Zeitpunkt bei der Umstellung auf emissionsfreie Mobilität erhebliche technische und investitionsbezogene Herausforderungen mit sich bringen". Der Verband will daran arbeiten, eine "realistische Euro-7-Norm" innerhalb der nun gesetzten Grenzen zu erreichen.
Für den VDA verbindet der Euro-7-Beschluss die "Verbesserung der Luftqualität mit Realisierbarkeit für die Industrie". Dadurch werde sichergestellt, dass die Hersteller ihre Ausgaben auf die Transformation hin zur klimaneutralen Mobilität konzentrieren können. "Der Zeitplan für die Einführung von Euro 7 ist ambitioniert und verlangt den Herstellern große Anstrengungen ab", ließ sich Präsidentin Hildegard Müller zitieren. "Klar ist aber: Der heutige Beschluss gibt den Unternehmen nun Planungssicherheit."
Kritik äußerte dagegen der Verband der europäischen Automobilzulieferer CLEPA. Generalsekretär Benjamin Krieger sagte: "Der Vorschlag der Kommission hätte mit einigen wichtigen Schutzklauseln umgesetzt werden können. Mit der heutigen Einigung wird der Vorschlag der Kommission größtenteils gestrichen. Positiv sind die Fortschritte bei den Grenzwerten für Bremspartikel, die eine weitere Bewertung der Leistung von Hybrid- und Brennstoffzellenfahrzeugen ermöglichen, sowie einige Verbesserungen bei NOx und Partikelgröße. Ein ehrgeizigerer Ansatz wäre jedoch technisch und wirtschaftlich machbar gewesen."
Die Nichtregierungsorganisation Transport & Environment verurteilte die Beschlüsse und sprach von einem vollen Erfolg der Autolobby. T&E-Direktor Lucien Mathieu sagte: "Die Autolobby hat nach einigen Jahren in der Diaspora nach Dieselgate wieder die Kontrolle übernommen. Die vom Gesetzgeber beschlossene Euro-7-Norm wird es den Autokonzernen ermöglichen, Fahrzeuge, die praktisch nicht sauberer sind, grün zu waschen. Das Europäische Parlament hat eine letzte Chance, diese schamlose Kapitulation vor der Autoindustrie abzulehnen."
Die EU-Staaten und das Europaparlament müssen der Einigung noch formal zustimmen. Die Regeln sollen nach Angaben des Parlaments 30 Monate nach ihrem Inkrafttreten für Autos sowie Kleintransporter und 48 Monate nach diesem Zeitpunkt für Busse und Lkw gelten.
Laut Studien der Europäischen Umweltagentur und der sogenannten Gemeinsamen Forschungsstelle war der Straßenverkehr 2018 für 39 Prozent der schädlichen NOx-Emissionen (Stickoxide) - in Städten 47 Prozent - und 11 Prozent der gesamten PM10-Emissionen (Feinstaub) verantwortlich. 2018 waren der EU-Kommission zufolge in der EU mehr als 70.000 Todesfälle auf die langfristige Belastung durch feinstaub- und stickoxidbedingte Luftverschmutzung durch den Straßenverkehr zurückzuführen. (dpa-AFX/mer/mik)
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