EXKLUSIV: VW-Finanztochter stellt Gebrauchtwagenplattform Heycar ein

Volkswagen-Tochter Financial Services (VWFS) schließt ihre Gebrauchtwagenplattform Heycar und nimmt sie vom Markt: "Die Anteilseigner haben entschieden, Heycar nicht weiter mit Finanzmitteln auszustatten“, bestätigte ein VWFS-Sprecher auf Anfrage der Automobilwoche. Die Plattform gehe nicht in Insolvenz, werde aber samt Marke aufgegeben.

In Deutschland ist für Heycar Mitte Mai Schluss, Großbritannien soll einige Wochen später folgen. In Frankreich ist aufgrund noch ausstehender arbeitsrechtlicher Prüfungen eine Liquidierung beabsichtigt, aber noch nicht beschlossen.

Das Aus trifft 126 Mitarbeiter, davon 26 in Deutschland. Die restlichen Mitarbeiter verteilen sich auf Großbritannien und Frankreich. Zu Hochzeiten waren bei Heycar rund 450 Mitarbeiter beschäftigt.

„Wir gehen davon aus, dass wir uns von einem Großteil der Heycar-Mitarbeitenden trennen müssen“, sagte der VWFS-Sprecher. „Allerdings prüfen wir, ob ein Teil der Mitarbeitenden in UK die Möglichkeit bekommt, von VWFS UK übernommen zu werden, um das Gebrauchtwagengeschäft im B2B-Bereich weiter auszubauen.“

Zu den Investitionen in Heycar wollte sich VWFS nicht äußern. Früheren Medienberichten zufolge investierte die VW-Tochter mindestens 300 Millionen Euro in die Plattform. Allein an Marketingkosten soll jedes Jahr ein mittlerer zweistelliger Millionenbetrag angefallen sein.

In Deutschland verliert das Plattform-Duopol von Mobile.de und Autoscout24 damit ihren härtesten Wettbewerber. Allerdings konnte Heycar nie zu den beiden Platzhirschen aufschließen und blieb immer mit Abstand die Nummer 3 im Markt.

Volkswagen Financial Services hat Heycar Ende 2017 an den Markt gebracht. Auf der Plattform wurden lediglich Fahrzeuge angeboten mit weniger als 150.000 Kilometer und jünger als acht Jahre. Zudem gab es für alle Fahrzeuge eine Garantie. Mit den Vorgaben zielte Heycar auf höherwertige Gebrauchten und wollte sich vom Wettbewerb absetzen. Die Händler mussten erst für den Lead bezahlen, wenn er zum Verkauf des Gebrauchten führte.

Das Potenzial im Zielsegment sah Heycar bei 600.000 bis 700.000 Fahrzeugen, eine halbe Million wollte man mindestens erreichen. Daraus wurde nichts. Zeitweise waren rund 400.000 Angeboten auf der Plattform gelistet.

Zuletzt gehörte der VW-Finanztochter noch mehr als drei Viertel (78 Prozent) an der Gebrauchtwagenplattform. Den Rest teilten sich Volkswagen (13 Prozent) und Renault (9 Prozent). Autobauer Mercedes und Versicherungskonzern Allianz waren bereits zuvor ausgestiegen.

Auch einige Autohausgruppen halten noch eine stille Beteiligung an der Plattform. Ihnen zahlt VWFS die Einlagen zurück.

Zwar zeichneten sich die Schwierigkeiten schon länger ab, das Aus kommt dann aber doch überraschend. Drei Gründe nennt VWFS: "Wir haben die Entwicklung des digitalen Kaufverhaltens falsch eingeschätzt und die Marketingkosten unterschätzt", sagte der VWFS-Sprecher.

Einen dritten, aber weniger bedeutenden Grund, ist für VWFS das Verhalten der Händler. "Wir hätten uns ehrlicherweise ein größeres Committement gewünscht", so der VWFS-Sprecher.   

Die Vertriebspartner hatten zwar zunächst über die Initiative von Volkswagen gejubelt, eine Alternative zu den beiden großen Plattformen zu schaffen, sich dann aber abgewendet. Sie fürchteten im Rahmen der Umstellung auf das Agenturmodell, Teile des Gebrauchtwagengeschäfts an VWFS zu verlieren. Im Frühjahr 2023 hat der Audi- und VW-Partnerverband eine Kooperation mit der Autoscout24-Gruppe geschlossen. Das war bitter, aber nicht entscheidend.

Viel kritischer war der Markenaufbau und die damit verbundenen Kosten. Sowohl Mobile.de als auch Autoscout24 wurden beide zwei Jahrzehnte vor Heycar gegründet. Beide sind bei Verbrauchern fest verankert, Heycar schaffte es nicht in die Köpfe.

Die Mehrheit der Verbraucher nutzen Mobile.de (65 Prozent) und Autoscout24 (59 Prozent), um sich über Gebrauchte zu informieren. Nicht einmal jeder Zehnte (9 Prozent) ging auf Heycar. So eine Studie des Instituts für Automobilwirtschaft aus dem vergangenen Jahr.

Den jahrelangen Vorsprung konnte Heycar trotzt Millionen-Investitionen ins Marketing nicht mehr aufholen. Beim Fußball-Club Braunschweig war Heycar als Sponsor auf der Brust, zur Primetime mit Spots auf reichweitenstarken TV-Sendern. Ohne die erhoffte Wirkung.

Heycar ist nicht ist die einzige Gebrauchtwagenplattform, der die fehlende Markenbekanntheit zum Verhängnis wurde. Anfang des Jahres stellte auch Handelsriese AVAG seine Plattform Alles.Auto ein.

Auch das Kaufverhalten der Verbraucher änderte sich nicht wie erwartet. Mit dem Aufkommen des E-Commerce sahen einige schon das Ende der Autohäuser. Zwar spielt das Internet im Vertrieb eine entscheidende Rolle, aber nur wenige Verbraucher kaufen rein digital.

Mittlerweile ist klar: Verbraucher wollen beides. Sich im Internet informieren und das Fahrzeug im Autohaus testen. Am phygitalen Verkauf führt kein Weg vorbei. Daran hat auch der Digitalisierungsschub durch Corona nichts verändert.

Die Pandemie samt folgende Krisenjahre haben den Niedergang von Heycar eher beschleunigt. Das fehlende Gebrauchtwagenangebot mit steigenden Restwerten hat zwar bei VWFS zu großen Gewinnen geführt, die Plattform aber eher überflüssig gemacht. Davon hat sich Heycar nie erholt.