"Ins Knie schießen": BMW-Chef Zipse mit Kritik an geplanten Anti-China-Zöllen

Knapp einen Monat vor der Europawahl am 9. Juni tobt die Debatte um das Verbrenner-Verbot in der EU ab 2035. Politik und Automobilhersteller bringen sich mit ihren Positionen in Stellung. Das Thema prägt auch den jetzt immer stärker hochlaufenden Wahlkampf. BMW-Chef Oliver Zipse hat nun einen konkreten Vorschlag unterbreitet, wie eine wirksamere Regulierung der CO2-Flottenziele in der Europäischen Union aussehen könnte.

Im Rahmen des Calls zu den Quartalszahlen von BMW nach den ersten drei Monaten 2024 erklärte Zipse auf Nachfrage der Automobilwoche: "Wir haben momentan eine Regelung, die vorsieht, dass die CO2-Flottenziele nur alle fünf Jahre angepasst werden. Das entspricht überhaupt nicht dem, wie man Fahrzeuge entwickelt. Unser Vorschlag lautet: Die CO2-Emissionen jedes Jahr um einen Wert X absenken. Damit erreichen sie viel schneller eine CO2-Wirkung als mit einem Stufenansatz. Also kontinuierliche Verbesserung, statt alle fünf Jahre anzuspannen."

Aktuell hat die EU bis Ende 2024 für Pkw eine Flottenobergrenze von 95 Gramm CO2 pro Kilometer festgelegt. Für jedes Gramm darüber ist für jeden im jeweiligen Jahr neu zugelassenen Pkw ein Bußgeld von 95 Euro fällig. Ab 2025 verschärft sich die Obergrenze auf 93,6 Gramm CO2 pro Kilometer, erst ab 2030 auf 49,5 Gramm und schließlich ab 2035 auf null Gramm CO2. Weitere Zwischenziele gibt es zwischen 2025, 2030 und schließlich 2035 nicht. Bereits auf der Jahreskonferenz von BMW im März hatte Zipse dieses Modell kritisiert.

Der CEO des Premium-Herstellers unterbreitet der Politik auch noch einen zweiten, konkreten Vorschlag für eine zukünftige Lösung. Zipse: "Wir dürfen nicht nur auf die Autos schauen. Größter CO2-Emittent sind auch die Kraftstoffe selber. Die sind überhaupt nicht mit eingespannt. Das ist absurd. Die ganze derzeitige Regulierung zielt nur auf Neufahrzeuge, aber nicht auf die Bestandsflotte, obwohl die sehr viel größer ist. Eine wirksame Regulierung von CO2-Emissionen erreichen sie nur, wenn sie die Kraftstoffindustrie ebenso mit einspannen. Das könnte unter anderem durch E-Fuels sein. Unsere Autos sind schon jetzt befähigt, höhere Beimischungen zu nutzen. Das wäre alles deutlich effektiver, ohne dabei die gesamte Industrie zu gefährden."

Von der neuen EU-Kommission erwartet der CEO der Münchener nicht nur eine Neuordnung der CO2-Flottenziele. Auch die Strafzölle gegen aus China importierte Elektroautos will Zipse nach den Europawahlen auf den Prüfstand stellen. Aktuell zeichnet sich ein Beschluss der Strafzölle noch durch die alte Kommission ab, der umgehende Gegenmaßnahmen chinesischer Hersteller provozieren dürfte. Zipse: "Vielleicht machen wir das ja auch nur ein paar Monate. Das wollen wir erstmal sehen. Meine Erwartungshaltung an die neue Kommission ist, dass sie das Thema Wettbewerbsfähigkeit stärker in den Fokus stellt. Das Wichtigste für Europa ist freier Handel. Das muss man deutlich unterstreichen. Nur so können wir auf Augenhöhe agieren. Das fehlt mir noch als Punkt auf der politischen Agenda."

Oliver Zipse weiter: "Die Anti-Subventions-Untersuchung gegen China ist das Gegenteil von dem, was wir erwarten. Über die Hälfte der chinesischen Importe nach Europa sind von nicht-chinesischen Unternehmen. Daran sieht man sehr deutlich, wie schnell man sich damit ins Knie schießen kann. Zölle sind schemenhafte Schutzfunktionen, durch die wir uns im Wesentlichen selber schaden. Der Marktanteil chinesischer Hersteller in Deutschland und Europa liegt bei unter einem Prozent. Europa wird nicht überschwemmt mit chinesischen Produkten und vor lauter Angst versuchen wir, die Grenzen zuzumachen."

Das Fazit des BMW-Chefs zu den aktuellen Plänen beim Verbrenner-Verbot und den Strafzöllen auf chinesische E-Autos: "Wir stehen im globalen Wettbewerb und keine andere Region hat so ein hartes Regime, weder China noch die USA, dass am Schluss der eigenen Wettbewerbsfähigkeit so sehr schaden wird."

Ungewöhnlich deutlich widmete sich Zipse in seiner Rede zu den Quartalszahlen von BMW auch aktuellen Wettbewerbern. Zipse teilte die Branche weltweit dabei in drei Gruppen ein. Zum einen gebe es Neueinsteiger, die mit einzelnen Produkten einen großen Hype generierten, aber nur einzelne singuläre, technische Highlights anbieten. Ein versteckter Hinweis auf unter anderem chinesische Player wie Zeekr und IM Motors. Eine zweite Gruppe seien etablierte Hersteller, die versuchen würden, diesen neuen Ansatz zu kopieren und dabei ihre eigene Identität aufs Spiel setzen. Eine dritte Gruppe seien laut Oliver Zipse die Hersteller, die mit der Geschwindigkeit des Wandels schwer mithalten könnten und so in den traditionellen Geschäftsmodellen gefangen bleiben.

Bei BMW, so stellte Zipse klar, wolle man trotz des erstmals etwas schwächeren ersten Quartals, weiter auf einen eigenen Weg setzen und sieht sich damit gleichzeitig unverändert als Vorbild für die Branche. "Sie können davon ausgehen: Jeder Akteur in dieser Industrie, egal ob ambitionierter Neueinsteiger oder etablierter Hersteller, hat die BMW Group ebenfalls sehr genau im Blick", sagte Zipse zum Abschluss seiner Erläuterung der Quartalszahlen.

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