VW-Chef Blume verspricht "Nordstern" und "Europe Speed"

Erst am Tag zuvor verkündete man den Bau des neuen Einstiegs-Elektroautos, jetzt blickte Konzernchef Oliver Blume auf der 64. ordentlichen Hauptversammlung des Konzerns am 29. Mai auch grundsätzlich optimistisch in die Zukunft.

So hält das Unternehmen trotz herausfordernden Marktumfelds weiter an seinen Prognosen für 2024 fest. Und blickt auch deutlich über das laufende Jahr hinaus: Noch in diesem Jahr wolle man den Grundstein für die neue Konzernstrategie 2035 legen, sagte  Konzern-Chef Blume während rein virtuellen Hauptversammlung: „Sie wird der Nordstern für das Handeln in den kommenden zehn Jahren sein.“

Auf weitere Details dazu ging Blume während der Hauptversammlung nicht ein. Aber natürlich dürfte die Entwicklungsgeschwindigkeit eine Rolle spielen. Volkswagen will und muss schneller werden bei der Fahrzeugentwicklung, um mit Konkurrenten mitzuhalten. "Volkswagen ist in der Lage, schnell zu entwickeln. Effizient und effektiv – mit Europe Speed", sagte Blume.

Grundsätzlich wird auch die Strategie 2035 verzahnt sein mit den Fünfjahres-Plänen sowie den jährlichen Top-10-Programmen des Konzerns. Sie dienen als Basis dafür, die Strategie 2035 von einer Vision in eine gelebte Strategie zu transformieren. Die Top-10-Programme dienen laut Volkswagen dazu, auch unterjährig flexibel auf neue Herausforderungen reagieren zu können. Das Top-10-Programm 2024 umfasste die Bausteine Performance, Produkte, Regionen, Digitalisierung, Software, Architekturen, Batterie, Mobilitätslösungen, Nachhaltigkeit sowie Team & Organisation.

Klar ist allerdings bereits heute: Eine wichtige Rolle in der neuen Strategie wird das Thema Nachhaltigkeit spielen. So wird die Nachhaltigkeitsstrategie „Regenerate +“ ein wesentlicher Pfeiler der neuen Konzernstrategie werden, so Blume vor den Aktionären.

Details zu diesem Baustein stellte der Volkswagen-CEO bereits auf der Jahrespressekonferenz im März vor. Dazu zählt etwa, das Ziel der bilanziellen CO2-Neutralität von 2050 auf 2040 vorzuziehen, aber auch ein stärkerer Beitrag der Produktion, der verstärkte Einsatz von Recycling-Produkten oder der Start eines Biodiversitätsfonds.

Für 2024 plant Volkswagen weiter mit einem operativen Ergebnis vor Sondereffekten zwischen 7,0 und 7,5 Prozent. Das erfolgreich verlaufene Jahr 2023 gebe den Rückenwind dafür, so CEO Blume. Außerdem sollen die großangelegten Effizienz- und Performance-Programme ebenso Früchte tragen wie die „größte Produktoffensive in der Geschichte des Volkswagen-Konzerns“.

Mehr als 30 neue Modelle sind dieses Jahr weltweit geplant. Dabei bleibt der Umstieg auf die E-Mobilität die geltende Leitlinie, in der Phase der Transformation setzt man aber auf ein flexibles Antriebsangebot. Dazu zählen verstärkt Plug-in-Hybride, deren Nachfrage in vielen Märkten, auch in China und den USA, derzeit spürbar steigt.

Mit Blick auf China bekräftigte Blume die „In China für China“-Strategie: Dort sollen  lokale Kooperationen sowie Investitionen in das lokale Entwicklungszentrum VCTC für  schnellere und kundenorientiertere Fahrzeugentwicklungen sorgen. In Nordamerika lege man mit der elektrifizierten Marke Scout den Grundstein für die Teilnahme im größten und erfolgreichsten Marktsegment. Einen ersten Scout-Prototypen will Volkswagen noch dieses Jahr vorstellen. Darüber hinaus sei man mit Blick auf Konzern-Baustellen wie der Software-Schmiede Cariad auf einem guten Weg.

Deutlich kritischer sahen – vor allem die institutionellen – Investoren die Lage im Volkswagen-Konzern. Im Zentrum der Debatte standen vor allem die Corporate Governance und dabei insbesondere die Doppelrolle Oliver Blumes als Konzern-CEO und Porsche-Chef sowie die Überschreitung der Regelaltersgrenze im Aufsichtsrat (75 Jahre zum Zeitpunkt der Wahl) für das zur Wiederwahl stehende Mitglied Hans Michel Piech.

Kritik hagelte es außerdem an der aus Sicht der Investoren unterdurchschnittlichen Entwicklung der Volkswagen-Aktie, hinterfragt wurden auch die Aktivitäten in China. Dabei ging es nicht nur um die internen Herausforderungen des Unternehmens in Fernost, sondern auch den zunehmenden Handelsstreit zwischen China und den USA und dessen Auswirkungen auf das Volkswagen-Geschäft.

Auch zur aus Investorensicht zu geringen Dividenden-Differenz zwischen Vorzugs- und Stammaktien regten sich kritische Stimmen. Darüber hinaus kam deutliche Kritik aus Kreisen von Klima- und Umweltschützern. Der Tenor: Volkswagen tue nicht genug für den Klimaschutz, halte vielmehr zu stark an der alten Verbrennerwelt fest.

Fast ausnahmslos äußerten die Aktionäre mit Blick auf den eingeschränkten persönlichen Austausch zudem Kritik am virtuellen Format der Sitzung. Nach der Präsenz-Veranstaltung im letzten Jahr mit Protestaktionen von Klimaschützern und einem Tortenwurf in Richtung des Aufsichtsrats-Vorsitzenden Hans Dieter Pötsch findet die Sitzung dieses Jahr wieder rein digital statt.

Trotz der Kritik aus Aktionärskreisen verabschiedeten die Anteilseigner für das Geschäftsjahr die Dividende in Höhe von 9,00 Euro je Stamm- und 9,06 Euro je Vorzugsaktie. Auch wurden Hessa Sultan Al Jaber, Hans Michel Piech und Ferdinand Oliver Porsche jeweils nahezu einstimmig für eine volle Amtszeit von fünf Jahren in den Aufsichtsrat der Volkswagen AG wiedergewählt. Damit zeigt das Gremium in seiner Besetzung weiterhin Kontinuität.

Seit der letzten ordentlichen Hauptversammlung 2023 gab es lediglich zwei personelle Änderungen im Volkswagen-Aufsichtsrat: Simone Mahler, Vorsitzende des gemeinsamen Betriebsrats der Volkswagen Financial Services AG und der Volkswagen Bank GmbH, schied als Vertreterin der Arbeitnehmer zum 31. Mai 2023 aus dem Gremium aus, für sie rückte zum 11. Juli 2023 Karina Schnur, Vorsitzende des Gesamt- und Konzernbetriebsrats der MAN Truck & Bus SE nach. Auf Peter Mosch (Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats der Audi AG), der sein Aufsichtsratsmandat zum 31. Dezember 2023 niederlegte, folgte zum 9. Januar 2024 Rita Beck, stellvertretende Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats der Audi AG.