Volkswagen: Diese Herausforderungen warten auf Martin Sander

Die Nachricht glich einem Paukenschlag: Ab 1. Juli zieht ein neuer Vertriebs- und Marketingvorstand für die Marke Volkswagen Pkw ins Hochhaus in Wolfsburg ein. Dann löst Martin Sander Imelda Labbé ab, die aus persönlichen Gründen aus dem Unternehmen ausscheidet.

Sander war bislang Chef der Ford-Werke GmbH und verantwortete außerdem den europäischen Arm von Fords Elektrosparte Model e. Ein Job mit vielen Baustellen, aber auch bei Volkswagen erwartet den neuen Marketing- und Vertriebsvorstand eine Menge Aufgaben.

Zehn Milliarden Euro soll die Marke Volkswagen Pkw bis 2026 sparen. Der Vertrieb bleibt davon nicht ausgenommen: Er soll mit vier Milliarden Euro den größten Beitrag der Summe liefern. Kostenreduzierungen wie zum Beispiel der Stellenabbau auf Grundlage des Altersteilzeit- und Abfindungsprogramms sollen dabei lediglich für die Hälfte des Einsparpotenzials sorgen.

Die andere Hälfte will Volkswagen über höhere Fahrzeugpreise realisieren, wie es Ende letzten Jahres aus Konzernkreisen hieß. Eine Aufgabe, die sich vor dem Hintergrund der aktuellen Marktlage so wohl kaum umsetzen lässt. Zum Beispiel stützt Volkswagen seine Elektroautos in Deutschland bis Ende Juni mit pauschal 3750 Euro je Fahrzeug.

Volkswagen setzt voll auf die E-Mobilität. Die läuft für die Wolfsburger aber nicht in allen Teilen der Welt rund. Während sich dem Thema in China Vorstandskollege Ralf Brandstätter annehmen muss, kann Sander die mangelnde Performance Volkswagens in der Elektromobilität anderswo nicht von sich wegschieben.

So entwickelte sich der Gesamtmarkt für Elektroautos 2023 deutlich besser als die Marke Volkswagen. Was Sander dabei nicht hilft: Noch fehlen VW die günstigen Einstiegsmodelle in den Markt. Die Serienversion des ID.2 will Volkswagen erst Ende 2025 präsentieren, das günstige Einstiegsmodell ab 20.000 Euro kündigte Wolfsburg kürzlich für 2027 an.

Bis dahin müssen es ID.3, ID.4, ID.5 und der ID.7 richten. Mit neuer kleiner Batterie steht der ID.3 seit Ende Mai zumindest ab 36.900 Euro in der Preisliste. Davor startete der Elektro-Kompakte bei rund 40.000 Euro Listenpreis.

Schon 2020 hatte Volkswagen den Vertrieb seiner Elektroautos auf die unechte Agentur umgestellt. Jetzt wollen die Wolfsburger den nächsten Schritt gehen: Künftig soll das Konzept auch auf Verbrenner-Modelle ausgeweitet werden. Die Umsetzung wird zwar nicht vor 2027 erfolgen, Konflikte mit dem Handel sind aber dennoch programmiert.

So hat der deutsche VW-Audi-Partnerverband (VAPV) bereits seinen Unmut zur Ausweitung geäußert. Es gelte, diesen Agenturvertrieb zu verhindern, so VAPV-Präsident Dirk Weddigen von Knapp gegenüber der Automobilwoche. Viel Gefahrenpotenzial also für Martin Sander, und eine Aufgabe, die viel Durchsetzungskraft und Diplomatiegeschick zugleich erfordert. Die Erfahrung aus dem Vertrieb bringt Sander aber bereits mit.

Die Wettbewerbssituation im Automobilgeschäft ist so fordernd wie lange nicht. Vor allem die Präsenz neuer Player aus China ist für die etablierten Marken eine Herausforderung. Auch wenn der Sturm der chinesischen Hersteller bislang ausgeblieben ist: Ein Handvoll neuer Anbieter aus Fernost wird sich langfristig auch in Europa etablieren.

Eine Mammutaufgabe auch für Martin Sander: Er muss die Marke Volkswagen dagegen wetterfest positionieren. Zumal auch einige Volkswagen-Händler bereits die Potenziale der neuen Anbieter für sich erkannt haben.

Zugegeben: Mit einem Volkswagen verbinden viele Menschen positive Emotionen. In der Markenkommunikation spiegelte sich das lange Zeit aber kaum wider. Vielmehr ging es – wie bei anderen Herstellern allerdings auch – darum, den Menschen die noch neue Technik E-Mobilität zu erklären. Die Emotionen litten.

Die neue Markenkampagne „YourWagen“ soll das ändern. Sie erzählt Geschichten aus dem Leben von Volkswagen-Besitzerinnen und -Besitzern und soll so zu Emotionalisierung beitragen. Ein guter Ansatz auf dem Weg zur "Love Brand", den die VW-Mannschaft unter Martin Sander dann auch in die Praxis übertragen muss – im Team und bei den Kunden.

Einiges zu tun also für Martin Sander. Seine neue Aufgabe bringt viele Herausforderungen mit sich. Was ihm dabei zu Gute kommt: Fremd ist ihm der Volkswagen-Konzern nicht, seine Zeit bei Ford war nach einer langen Audi-Karriere nur ein kurzer Ausflug aus der Wolfsburger Konzern-Welt. Zumindest für den Start keine schlechten Voraussetzungen für die Marketing- und Vertriebswelt von Volkswagen Pkw.