Analyse: Warum Contis Strategie aufgehen könnte

Continental-Chef Nikolai Setzer ist zufrieden: Der Zulieferer konnte sich trotz der schwachen, wirtschaftlichen Marktentwicklung im vergangenen Jahr behaupten. 6,6 Prozent mehr Gewinn (bereinigtes EBIT) im Jahr 2024 verkündete der CEO und freut sich über eine auf 6,8 Prozent gestiegene Marge (plus 0,7 Prozentpunkte). Zum Vergleich: Wettbewerber wie Bosch oder ZF müssen sich mit rund 3,5 Prozent zufriedengeben. 

In Europa ging der Automobilmarkt im vergangenen Jahr um rund fünf Prozent zurück, die Markanteile von Contis Kunden seien "in Bewegung", wie Setzer es im Rahmen der Jahrespressekonferenz nannte. Heißt konkret: Geht es den Herstellern schlecht, leidet auch Continental. 

Ein großer Vorteil der Hannoveraner: Seit der Abspaltung der Antriebssparte Vitesco ist Continental nahezu unabhängig von der Antriebsart: Reifen sowie Displays, Bremsen oder Assistenzsysteme brauchen Benziner, Diesel und Elektroautos gleichermaßen.

Die von EU-Kommissionspräsidentin Von der Leyen angekündigte Neuregelung der CO2-Strafzahlungen für die Autohersteller begrüßt der Zulieferer dennoch, jeder Euro, den ein OEM nicht an Strafe zahlen muss, kann er theoretisch bei Continental ausgeben – oder besser gesagt: bei Continental Automotive.

Der Spin-Off der Autosparte hat für Setzer und seinen Finanz-Kollegen Olaf Schick oberste Priorität im Jahr 2025, beide werben bei der Pressekonferenz für den Deal. Schließlich müssen erst noch der Aufsichtsrat und Ende April die Anteilseigner der Abspaltung zustimmen.

Dass dies passiert, gilt als gesetzt; im Sommer sollen bei einem Kapitalmarkttag dann weitere Details folgen, in der zweiten Jahreshälfte die Trennung vollzogen werden. Man sei voll im Plan, betont CFO Olaf Schick, und auch die jüngsten, globalen Herausforderungen würden daran nichts ändern.

Die Automobil-Sparte machte zuletzt eher negative Schlagzeilen, gerade erst verkündete Automotive-Chef Philipp von Hirschheydt, dass weitere 3000 Mitarbeiter aus Forschung und Entwicklung gehen müssen, insgesamt trennt sich der Unternehmenszweig von 10.000 Mitarbeitern.

Ein Problem: Gerade im Automotive-Bereich dürften aufgrund der gewachsenen Strukturen auch zahlreiche Doppelfunktionen vorhanden sein. Klar ist: die Kosten müssen sinken, weiterhin sollen 400 Millionen pro Jahr gespart werden. Mit einer EBIT-Marge (bereinigt) von 2,3 Prozent bleibt die Sparte die derzeit noch unrentabelste Division im Konzern; Tires kommt auf 13,9 Prozent, ContiTech auf 6,2 Prozent.

Technisch aber dürfte das Unternehmen fraglos aufs richtige Pferd setzen und fit für die Zukunft sein. Im Fokus stehen komplexe Softwarelösungen der Tochter Elektrobit, Sensoren für Assistenzsysteme und autonomes Fahren. Hinzu kommen Hochleistungsrechner, die die heutzutage noch üblichen, teilweise über 100 Steuergeräte in einem einzigen Fahrzeug bündeln können.

Im Serieneinsatz sind die Conti-Rechner bereits in den ID-Modellen von VW und beim chinesischen Hersteller GAC. Interessant: Während Setzer hier die Niedersachsen als Erstes nennt, fällt bei der Aufzählung der Erstausrüstungs-Kunden für den neuen Reifen EcoContact 7 zunächst der Name BYD, vor Mercedes und VW.

Mit Blick (nicht nur) auf den chinesischen Markt betont Setzer, den "local for local"-Ansatz des Unternehmens. In den vergangenen Jahren investierte der Konzern rund drei Milliarden Euro in China, etwa die gleiche Summe floss in die USA. 

Die lokale Produktion könnte für die Niedersachsen in den aktuellen Zoll-Streitigkeiten zum Vorteil werden. In den USA macht Continental 20 Prozent seines Umsatzes, in Nordamerika inklusive Mexiko sind es 26 Prozent. Dazu, wie die Zölle das Geschäft beeinflussen könnten, wollte sich die Konzernführung aber noch nicht äußern. Man müsse die Lage erst gründlich analysieren und wolle dann mit den Partnern Gespräche führen. Die Rede ist davon, dass Lieferketten angepasst werden könnten.  

Neben dem zukünftig wahrscheinlich eigenständigen Automotive-Bereich will Continental auch die dann verbliebenen Sparten Tires und die Industriesparte ContiTech deutlich selbstständiger aufstellen. Die aktuellen Herausforderungen erfordern mehr Agilität und Fokussierung, erklärt CEO Setzer den Schritt zu mehr Unabhängigkeit von der Zentrale. 

ContiTech, die unter anderem mit Förderbändern groß im Geschäft ist, wird sich im laufenden Jahr vom Geschäftsfeld Original Equipment Solutions (OESL) trennen, das alle Gummiprodukte außer Reifen für Automobilhersteller fertigt. Im Reifengeschäft, der Cash-Cow des Unternehmens, sind die Niedersachsen mit ihren Produkten führend und machen auch bei Forschung und Entwicklung große Sprünge: 2024 wurden erstmals mehr Reifentests am Computer simuliert und Berechnungen durchgeführt als auf der Straße.

Jeder Lauf im Simulator erspart dem Unternehmen rund 400 Kilometer Fahrt und zahlreiche Reifen. Ausgestattet mit Sensoren zur Messung der Profiltiefe, Laufleistung und Temperatur können Continental-Reifen außerdem Flottenmanager darin unterstützen, die Effizienz und Planbarkeit von Reifenservices zu verbessern.

Dass 2025 – wieder einmal – kein leichtes Jahr wird, ist den Managern klar. "Wir rechnen nicht mit Rückenwind aus dem Markt", gibt Nikolai Setzer unumwunden zu. Trotzdem strebt er einen finanzielle Verbesserung des Konzerns im laufenden Geschäftsjahr an. Bis zu 41 Milliarden Umsatz könnten drin sein und eine bereinigte EBIT-Marge von 7,5 Prozent.

Dafür braucht es gute Produkte und motivierte Mitarbeiter. Setzer will dieses Jahr die Belegschaft wieder an den Konzernergebnissen beteiligen, schwieg auf Nachfrage von Automobilwoche zunächst aber noch zur genauen Prämienhöhe; in den vergangenen drei Jahren wurden die Bonuszahlungen ausgesetzt.

Im Nachgang zur Pressekonferenz verkündete das Unternehmen dann: Je nach Sektor und Region bekommen die Mitarbeiter zwischen 361 Euro und 977 Euro extra, am meisten profitieren die Angestellten im Bereich Tires. Ob die Summe ausreicht, die Unsicherheiten durch den Stellenabbau und den geplanten Spin-Off zu beruhigen, bleibt abzuwarten. 

Ähnlich viel "Prämie" soll übrigens ein Aktionär bekommen, der knapp 400 Anteilsscheine besitzt; das entspricht einem Investment von aktuell gut 25.000 Euro. Der Vorstand will der Hauptversammlung eine Erhöhung der Ausschüttung von 2,30 auf 2,50 Euro vorschlagen.