Berlin. Hersteller und Zulieferer müssen stärker auf die Bedürfnisse der künftigen Käufergeneration eingehen und ausgetretene Pfade verlassen, ohne jedoch die eigene Identität preiszugeben. So lautete das Fazit der Podiumsdiskussion mit dem Marketingexperten Michael Trautmann, ZF-Chef Stefan Sommer und dem Volvo-Vertriebsleiter Alain Visser, zu den künftigen Erfolgsfaktoren in der Autoindustrie. "Es ist heute sehr wichtig, dass der Technologieeinsatz in einem Auto angemessen ist, das Fahrzeug also nicht overengineered ist. Künftige Generationen haben eine andere Erwartungshaltung an Funktionalität und auch an die Kosten", so Sommer. Er plädiert dafür, neue Technologien mit Blick auf möglicherweise veränderte Kundenbedürfnisse von Grund auf neu zu entwickeln statt alte Konzepte fortzuschreiben. Als Beispiel dafür nannte er die Elektromobilität und Bedienkonzepte im Fahrzeug.
Auch Visser ist der Ansicht, dass ein Hersteller viel stärker als bisher bei der Produktentwicklung die Wünsche der Kunden berücksichtigen muss, weil das Auto mit der neuen Käufergeneration in der Gesellschaft in den nächsten zehn Jahren einen anderen Stellenwert erhält. "Man muss aber der Seele der Marke treu bleiben. Kontinuität ist ein Erfolgsgeheimnis der Autobranche", so der Manager. Allerdings brauche ein Autohersteller auch eine gewisse Flexibilität, um einen Markt bearbeiten zu können. Volvo soll beispielsweise weiter für skandinavisches Design und Understatement sowie Sicherheit stehen. Diese Positionierung kollidiert mit den Kundenerfordernissen in wichtigen Wachstumsmärkten. In China sind die Kunden nicht bereit, für Sicherheit Geld zu bezahlen; in Russland ist Understatement nicht angesagt. Trotzdem will Visser die Markenpositionierung in diesen Regionen nicht ändern: "Wir haben eine Heritage. Das steht für etwas. Klar ist aber auch, dass wir in Russland etwas andere Fahrzeuge anbieten müssen." Michael Trautmann, Marketingexperte und Chef der eigenen Agentur kempertrautmann, unterstützt den Volvo-Manager: "Man kann eine Markenpositionierung etwas auf das Land anpassen. Sie muss aber aus der DNA der Marke kommen. Sonst wird es sehr teuer und hat wenig Aussicht auf Erfolg."Erfolgsfaktoren Kontinuität und Flexibilität
Generell messen alle drei Podiumsteilnehmer der Pflege der Marke in Zukunft noch größere Bedeutung als heute bei, weil sie sich die Fahrzeuge technologisch und qualitativ kaum mehr unterscheiden. "Die Produktunterschiede werden kleiner. Damit wird die Markenorientierung extrem wichtig", so Visser. Seiner Ansicht nach wird sich der Markt aufteilen in Hersteller, die stark auf die Technologie fokussiert sind und die Kundenbedürfnisse nicht ernst nehmen. Und solche, die sich an den Anforderungen der neuen Generation orientieren. "Erfolgreich werden die Autohersteller sein, die auf Technologien, die der Kunde nicht spürt, verzichten und gleichzeitig auf Plattformstrategien setzen", so Sommer. Wenn die Kunden "etwas loslassen" könnten und über mehr Flexibilität verfügten, könnten die Zulieferer über mehrere Hersteller hinweg für Skaleneffekte sorgen.
Allerdings ist der Aufbau eines Markenimages ein langwieriger Prozess. "Das, was Audi gelungen ist, ist auch heute noch möglich,wenn einem die Anteilseigner die Zeit lassen", so Agenturchef Trautmann, der früher das Marketing des Ingolstädter Premiumherstellers verantwortete. Sowohl Trautmann als auch Visser plädierten für einen radikalen Wandel im Marketing: Anstatt letztlich austauschbare Werbebotschaften in den klassischen Medien zu platzieren, sollten die Autohersteller viel näher an die künftige Käufergeneration, die mit elektronischen Medien groß geworden ist, herangehen. "Das Silodenken muss aufhören. Noch immer sind die Marketingabteilungen aufgeteilt in klassische und elektronische Medien. Die Prozesse müssen geändert und es muss deutlich Ego-befreiter gearbeitet werden - beim Hersteller und der Agentur", stellt Trautmann klar. Der künftige Erfolg in der Autobranche wird von der Balance zwischen Kontinuität und Flexibilität abhängen, so die einhellige Meinung auf dem Podium.