Die Internationale Automobilausstellung in Detroit ist schon immer der Gradmesser für die Gefühlslage der US-Autobranche gewesen. In diesem Januar 2011 kann man dort kaum ein Gespräch führen, in dem nicht das Wort "fantastic", "great" oder "overwhelming" fällt. In der Tat gibt das Marktwachstum von elf Prozent im vergangenen Jahr auf 11,6 Millionen verkaufte Neuwagen Anlass zu Optmismus. Doch die Autobranche lebt nicht von wenigen fetten Jahren. In Punkto Langfristigkeit kann aber kein Zweifel bestehen: Die nächste Ölkrise steht nicht nur vor der Tür, sie hat schon angefangen. Branchenexperten in den USA rechnen schon für diesen Sommer mit einem Preis von wieder vier US-Dollar pro Gallon Benzin an den Zapfsäulen in Nordamerika, also dem Schockpreis vom Sommer 2008, als halb Amerika davor stand, auf Elektroautos umzurüsten.
Kommentar - Erholung gibt US-Autobauern Zeit zur Besinnung
Die Stimmung in den USA ist auch deshalb (noch) so gut, weil die Verbraucher aus europäischer Sicht extrem kurzsichtig agieren. Deshalb verlaufen die Verkaufsraten der spritfressenden Pickups fast deckungsgleich mit dem Auf und Ab der Benzinpreise. Die extreme Verschuldung des Staates und die anhaltend hohe Arbeitslosenquote, die in den USA realistisch betrachtet bei rund zwölf Prozent liegen dürfte, werden den Konsumrausch schon bald wieder einbremsen. Dann werden diejenigen Autobauer in der Gunst steigen, die bezahlbare, sparsame und trotzdem emotionale Autos anbieten können. Die deutschen Hersteller können hier sicher noch punkten, vor allem Volkswagen mit der nun bald Wirklichkeit werdenden Produktion des nordamerikanischen "Passat" im Riesenmarkt USA. Doch niemand sollte die japanischen und koreanischen Autobauer aus dem Blick verlieren, obwohl sie auf der diesjährigen NAIAS überwiegend sehr bescheiden Auftreten - mit Ausnahme von Hyundai: die Koreaner sehen sich angesichts des angeschlagenen Riesen Toyota auch jenseits des Atlantik auf der Gewinnerspur.
Angesichts dieser Ausgangslage hat von den drei US-Herstellern zweifellos Ford die beste Startposition für Marktanteilsgewinne. Zwar schicken alle "Detroit 3" kleinere, sparsame Autos ins Rennen um die Gunst der Verbraucher, aber allein Ford scheint dabei eine langfristige, globale Strategie zu verfolgen. Für europäische Augen war es beeindruckend zu sehen, welche Autos Ford diesmal bei seiner traditionell bombastischen Show in der Cobo-Hall auffuhr: es waren zehn Autos, die allesamt in Europa entwickelt wurden, genauer gesagt in Deutschland. Kein Pickup F-150, kein großer SUV ŕ la Explorer, kein neuer Jahrgang des Muscle-Cars Mustang. Die Produktpalette von Ford in Nordamerika ist der von General Motors um mindestens drei Jahre voraus, der von Chrysler um Lichtjahre. Am pfiffigsten macht die GM-Kernmarke Chevrolet vor, was die Nummer eins in den USA immer noch gut kann: seine gobalen Entwicklungs- und Produktionskapazitäten nutzen, um günstige und gut aussehende Autos ohne extremen technischen Anspruch auf die Weltmärkte zu werfen. Europäische Kritiker sollten auch nie vergessen, dass Amerika ein Kontinent ist und der Pickup zur amerikanischen Kultur gehört. Statt mit hunderten Millionen Dollar einige wenige Elektroautos zum Marktdurchbruch zu verhelfen, wäre eine konsequente Verbesserung der klassischen großen Verbrennungsmotoren deshalb gerade in den USA die richtige Antwort auf die Herausforderungen der Zeit. Nur noch mit dem Kopf schütteln kann ein Europäer deshalb angesichts neuer Pickup-Riesen wie dem GMC Sierra, der knapp 400 PS aus einem 6,6 Liter großen V8-Aggregat presst. Die US-Hersteller wagen es aber nicht, den Diesel im Pickup-Bereich zu promoten, weil sie befürchten, dass dann auch im Pkw-Segment der Selbstzünder gefragt sein könnte - dort aber sind sie technologisch blank. Immerhin gibt es Hoffnung auf Besserung: Die neueste Generation des Ford-Parade-Pickups F-150 ist nach Angaben des Herstellers die leichteste und sparsamste aller Zeiten.