Mercedes-Digital-Chef Sajjad Khan hat im Webcast "Automobilwoche TALKS BUSINESS" den Alleingang des Unternehmens bei der Entwicklung eines Betriebssystems verteidigt. Dies sei in Zukunft der Kern des Geschäfts. Und diesen wolle man selbst beherrschen. "Hier geht es vor allem auch um Geschwindigkeit", so Khan. Mit der Vorwegnahme der kommenden Technologiebausteine sei der Konzern in der Geschichte immer gut gefahren. Auch andere Hersteller hätten sich für diesen Weg entscheiden, weshalb dieser nicht so verkehrt sein könne. Allerdings sei man immer offen, Teile der neuen Technologien mit anderen zu teilen. Auch Partnerschaften wie mit Nvidia oder Microsoft seien Teil dieses Wegs.
Mathias Pillin als Chef der neu gegründeten Einheit Cross Domain Computing Solutions bei Bosch sieht die Hersteller beim Betriebssystem auf dem Holzweg. "Das ist nicht differenzierend, denn kein Kunde sieht, was da darunter ist", so Pillin. In erster Linie handle es sich beim Betriebssystem um einen Kostenfaktor für das Unternehmen. Erst in fünf Jahren werde sich zeigen, ob dieser Weg erfolgreich sei. Denn eine erste Version eines Betriebssystems sei relativ einfach, die Wartung und Pflege aber umso aufwändiger und teurer. "Ich glaube, dass viele Hersteller dies nicht leisten können", sagt Pillin. Als Bosch dagegen könne man komplette Lösungen anbieten und diese auch entsprechend skalieren.
Georg Kopetz von TTTech Auto ist zwar überzeugt, dass der Software-Stack am Ende vom OEM kommen wird. Er sieht dennoch viele Möglichkeiten zur Kooperation. Denn es komme letztlich darauf an, was in diesem Stack drin sei. "Unsere Plattform MotionWise kann ein wichtiger Baustein im Bereich der Sicherheit des automatisierten Fahrens sein", so Kopetz. Wichtig sei, dass sich die Hersteller eine Offenheit gegenüber den Zulieferern bewahrten. Letztlich komme es darauf an, dass die Autoindustrie in Europa schnell reagiere und so die Nase vorn habe im Wettbewerb mit den Tech-Konzernen wie Google und Co.
Für den Experten Peter Fintl von Capgemini spielt die Software in den kommenden Jahren die entscheidende Rolle bei der Zukunftsfähigkeit der Hersteller. Schließlich werde ein Großteil der Fahrerlebnisse dadurch ermöglicht. Auf diese Weise komme auch die traditionelle Hackordnung der Industrie in Bewegung, weil viele Tech-Firmen entsprechende Angebote an die Hersteller machten. Wie Kopetz sieht aber auch Fintl "genügend Potenzial für sinnvolle Kooperationen". So müsse nicht jeder Hersteller sein eigenes Süppchen kochen und einen eigenen Technologie-Stack aufbauen. Die großen Zulieferer müssten für ihre Position kämpfen, während kleinere Spezialisten gute Chancen auf einen Platz in der Wertschöpfungskette hätten. "Sie sind ein Accelerator, um bestimmte Funktionen schnell und sicher auf den Markt zu bringen."
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