In dem Fall ging es zwar konkret um einen Tesla, aber für die Situation des Fahrers und die Argumentation des Oberlandesgerichts Karlsruhe dürften sich sich leicht Analogien in anderen Fahrzeugen finden. Der Fahrer wollte im März 2019 die Frequenz der Scheibenwischer in seinem Tesla ändern und musste dazu offenbar den Tesla-typischen großen Touchscreen in Fahrzeugmitte nutzen: das Scheibenwischersymbol antippen und dann aus einem Untermenü eine von mehreren Einstellungen auswählen. Das lenkte ihn offenbar so lange vom Fahren ab, dass er von der nassen Fahrbahn nach rechts abkam, in eine Böschung fuhr und dort mit einem „Netzknotenstationierungszeichen“ und mehreren Bäumen kollidierte.
OLG kritisiert "problematische" Touchscreens in Bedieneinheiten
Zusätzlich zum Schaden hatte der Fahrer danach auch den Amtsrichter am Hals, der 200 Euro Bußgeld und einem Monat Fahrverbot verhängte. Denn durch die Beschäftigung mit dem Touchscreen habe er gegen § 23 Abs.1a StVO verstoßen. Dieser „Handy-Paragraph“ regelt, welche elektronischen Geräte der Fahrer parallel zum Fahren wie bedienen darf. Den Touchscreen im Tesla hätte der Fahrer laut Amtsgericht nur nutzen dürfen, wenn dies „mit einer nur kurzen, den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen angepassten Blickzuwendung zum Bildschirm bei gleichzeitig entsprechender Blickabwendung vom Verkehrsgeschehen verbunden ist“. Das war offenbar nicht der Fall, wie der Unfall zeigt. Das Amtsgericht beurteilte den Fall genauso, als wenn der Mann verbotenerweise sein Handy ans Ohr gehalten hätte.
Allerdings argumentierte der Autofahrer, diese Touchscreen-Nutzung falle nicht unter diese Regelung, weil er sich hier nicht einer Infotainment- oder Navigationsfunktion, sondern einer direkt mit dem Fahren verbundenen Aufgabe gewidmet habe – nur eben auf dem Touchscreen statt wie früher an einem Hebel neben dem Lenkrad.
Damit hatte er in der Revision keinen Erfolg, wie das im Blog des Rechtsanwalts und ehemaligen OLG-Richters Detlef Burhoff veröffentlichte Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe zeigt.
Auf Basis einer langen Argumentation kommt das OLG zur klaren Aussage: Der Paragraph „dient der Unfallverhütung und soll Ablenkungen des Fahrzeugführers vom Verkehrsgeschehen, die durch die Blickzuwendung bei der Bedienung elektronischer Geräte entstehen, verhindern. Es macht dabei für die Ablenkung des Fahrzeugführers keinen Unterschied, welcher Zweck mit der Bedeutung des elektronischen Gerätes konkret von ihm verfolgt wird. Die Blickzuwendung auf einen Berührungsbildschirm während der Fahrt lenkt die Aufmerksamkeit des Fahrers unabhängig davon ab, ob er einen Kurs in das Navigationsgerät eingibt oder den Scheibenwischer einstellt.“
Das bedeutet, der Paragraph gilt für „alle fahrzeugbezogenen Bedienungseinheiten mit Touchscreen“. § 23 Abs, 1 a StVO, so erläutert der Bußgeldsenat des OLG „könnte sich infolgedessen – möglicherweise vom Verordnungsgeber unbeabsichtigt – als limitierender Faktor für die zunehmende, aus Sicht der Verkehrssicherheit problematische Verwendung von Touchscreens in Kfz-Bedieneinheiten erweisen.“
(OLG Karlsruhe, Beschl. v. 27.03.2020 – 1 Rb 36 Ss 832/19)
Lesen Sie auch:
Tesla darf nicht mehr mit "Autopilot" werben
So fühlt es sich an, ein E-Auto zu fahren
Sprachsteuerung erreicht nächste Dimension
Aus dem Datencenter:
Assistenzsysteme von Audi, BMW und Mercedes im Kundenurteil 2018