Der Trend für Robotikanwendungen in der Automobilindustrie ist nicht mehr bestimmt von einzelnen Robotertypen, so die Überzeugung von Susanne Bieller, Generalsekretärin der International Federation of Robotics. Einer der Trends sei, dass Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen für die Programmierung genutzt werden Zudem seien die Themen digitaler Zwilling und virtuelle Simulation „extrem wichtig“.
Zwar sind nach ihrer Einschätzung KI und maschinelles Lernen schon länger Themen in der Robotik, „aber jetzt finden sie sich auch in kommerziellen Anwendungen“. In den vergangenen drei bis fünf Jahren seien KI und maschinelles Lernen eher Forschungsthemen gewesen, an denen alle Roboterhersteller gearbeitet hätten. Der Roboter lerne durch maschinelles Sehen und Lernen seine Umgebung besser kennen. „Das heißt, perspektivisch kann der Roboter seine Bewegungen an den Menschen anpassen“, sagt Bieller.
Roboter: Wie KI die Entwicklung treibt und Trends setzt
KI und maschinelles Lernen gewinnen bei den Roboterherstellern an Bedeutung. Humanoide Roboter stehen allerdings noch am Anfang.
Dank vorausschauender KI lasse sich beispielsweise vorhersagen, wann ein Roboter gewartet werden muss. Im nächsten Schritt, getrieben durch den Boom bei der generativen AI, programmiere sich der Roboter selbst. Dabei werde dem Roboter vorgegeben, welche Arbeiten er ausführen soll „und die generative AI schreibt anschließend die Software oder optimiert diese. Damit wird der Programmieraufwand für den Anwender deutlich geringerer“, erklärt Bieller.
Stärker in den Fokus rücken humanoide Roboter, die allerdings noch am Anfang ihrer Entwicklung stehen. „Insbesondere in den USA ist dieser Robotertyp sehr populär“, erklärt die IFR-Generalsekretärin. Vor allem die großen Automobilhersteller würden sich dieses Themas annehmen. Sie analysieren und testen derzeit, in welchen Bereichen sich humanoide Roboter einsetzen lassen und wo sie gegenüber klassischen Automatisierungs- und Robotiklösungen Vorteile bieten. Auch hiesige Fahrzeughersteller wie BMW testen mögliche Einsatzgebiete für humanoide Roboter. Dafür kooperiert der OEM mit dem kalifornischen Roboterhersteller Figure.
In den USA wird laut Bieller bereits viel Geld in solche Maschinen investiert. Auch China ist aktiv. Das chinesische Industrieministerium habe angekündigt, Weltmarktführer bei den humanoiden Robotern werden zu wollen. Einen Treiber für die Entwicklung humanoider Roboter sieht sie darin, dass Komponenten und Technologien weiterentwickelt werden, die auch in anderen Bereichen der Robotik zum Einsatz kommen und die Robotik insgesamt weiterbringe. Allerdings werden die humanoiden Roboter nicht so schnell die klassischen Industrieroboter ablösen. „Das ist ein längerer Prozess.“
Nicht mehr so stark im Fokus der Automobilhersteller stehen die kollaborativen Roboter, kurz Cobots. Auf diesen Robotertyp entfallen weltweit und branchenübergreifend rund zehn Prozent des Gesamtmarkts. Welcher Anteil davon auf die Automobilindustrie entfällt, wird laut IFR nicht ermittelt. Bei Cobots gehörte die Automobilindustrie zu den frühen Kunden und stellte dabei hohe Ansprüche an diese Industrieroboter. Das betrifft sowohl die Präzision als auch Geschwindigkeit und Verlässlichkeit der Maschinen.
Cobots werden oft als Komplettsystem inklusive Software, Kamera und Greifer geliefert. „Aber die Automobilindustrie hat ihre eigenen Programmierer und ihre eigenen Netzwerke von Lieferanten, um die Roboter zu komplettieren und nach ihren Wünschen zu konfigurieren“, sagt Bieller. Die Automobilindustrie würde sich zwar noch mit dem Thema Cobots beschäftigen, aber in erster Linie gezielt für Szenarien, in den klassische Roboter an ihre Grenzen stoßen.
Cobots werden beispielsweise eingesetzt, um schwere Bauteile wie ein Rad an ein Auto zu montieren und dabei das Rad für den Schraubvorgang in einer bestimmten Position gehalten werden muss, oder für Schraubarbeiten, die überkopf ausgeführt werden. „Da gibt es immer noch sehr unergonomische Prozesse in der Automobilindustrie. Auch in der Endmontage werden sie eingesetzt“, so Bieller.
Global größter Kunden für Roboteranwendungen ist die Elektroindustrie, gefolgt von der Automobilindustrie, „aber in Europa ist nach wie vor die Automobilindustrie der wichtigste Abnehmer“, ergänzt Bieller. Weitere wichtige Kunden sind der Maschinenbau und die Kunststoffindustrie. Insgesamt nehmen die Anwendungen laut Bieller europaweit bei kleinen und mittelständischen Unternehmen wegen des Arbeitskräftemangels zu. Roboterinstallationen seien vor allem für Unternehmen außerhalb der Automobilindustrie in der Fertigung zu einem Wettbewerbsfaktor geworden. „Einerseits, um den Fertigungsbedarf abzudecken, andererseits um sich als innovativer Hersteller und interessanter Arbeitgeber zu positionieren.“
Zwar gebe es neue Anbieter, insbesondere aus China, „aber nach wie vor sind die etablierten Hersteller aus Japan und Europa die Hauptlieferanten der Automobilindustrie, weil die chinesischen Hersteller die benötigte Qualität bisher nicht liefern können. Auch bei den chinesischen Fahrzeugherstellern haben die etablierten Roboterhersteller die Nase vorn“, sagt Bieller. Zu den größten Herstellern gehören die japanischen Anbieter Fanuc und Yaskawa, ABB Robotics aus der Schweiz aber auch das deutsch-chinesische Unternehmen Kuka.