Report aus Schanghai: Wie Huawei in seinem Flagship-Store nebenbei Autos verkauft

An diesem Mittwoch beginnt die Auto Shanghai 2025. Und so mancher europäische Hersteller schaut bangen Blickes in die südchinesische Metropole. Denn vor zwei Jahren hatten die chinesischen Hersteller nach den versteckten Jahren während der Pandemie erstmals wieder ihre Neuheiten aufgefahren – und damals so manchen etablierten Autobauer mit Modellen, Technologie und elektrischen Reichweiten geschockt.

In diesem Jahr wird der Sprung gegenüber der vorangegangenen Autoshow wohl etwas kleiner ausfallen. Doch für Überraschungen sind die chinesischen Hersteller immer gut. So wie der Technik-Konzern Huawei, der noch vor wenigen Tagen quasi im Vorbeigehen eine neue Marke gegründet hat.

Die Automobilwoche hat vor der Eröffnung der Messe eines der modernsten Autohandels-Geschäfte in China besucht: den Flagship-Store von Huawei im Herzen des zentralen Einkaufsviertels. Es ist ein Besuch in der Zukunft des Automobilvertriebs.

Das Konzept ist schnell erklärt: Huawei will "Erlebniszentren" für Kunden und Neugierige schaffen. Die Stores liegen niemals fern von der City an irgendeiner spärlich besuchten Automeile, sondern immer mittendrin, im Falle des Stores in Schanghai direkt an der Haupteinkaufsstraße im zentralen Stadtteil Huangpu.

Im Innern des im Art-Deco-Stil gehaltenen Flagship-Stores wird deutlich, dass in China meist größer gedacht und gebaut wird als in Europa. Auf drei Etagen und 5000 Quadratmetern erstreckt sich der im Juli 2020 eröffnete Store von Huawei. Monitore so weit das Auge reicht, viel Raum, jede Menge Sitzgelegenheiten.

Der erste Stock ist fünf Alltagsaufgaben gewidmet: Smart Home, mobiles Arbeiten, Fitness und Gesundheit, einfach Reisen und Entertainment.
"Jeder Besucher soll hautnah erleben können, wie eine allgegenwärtige Konnektivität, eine nahtlose KI-Integration in allen Aspekten unseres täglichen Lebens Einzug hält", beschreibt Huawei-Manager Herman Zhu die Idee des Stores.

Doch der Store will mehr sein als ein Verkaufsraum. Täglich gibt es Vorträge zum Einsatz der Technik im Alltag. Das Unternehmen will damit natürlich aber Kaufanreize setzen.

Inzwischen hat Huawei weltweit mehr als 800 ähnliche Flagship-Stores errichtet; in Schanghai gibt es seit 2023 sogar noch einen zweiten, 1800 Quadratmeter großen Shop. Auch in Europa wurde das Konzept schon mehrfach umgesetzt, unter anderem in Paris und Barcelona.

Jerry Tung, so nennt er sich, kommt schnell auf den Kunden mit europäischem Aussehen zu, der zwischen den neuesten Modellen des Konzerns steht. "Sie wollen sicher kein Auto kaufen", sagt er in fließendem Englisch: "Wollten Sie sich die Smartphones dort drüben anschauen?"

Nein, die neuesten Handys sind nicht das Ziel des Automobilwoche-Reporters. Dennoch fällt auf: Der Smartphone-Bereich ist deutlich größer als die rund 400 Quadratmeter, die für fünf Fahrzeuge aus dem Konzern reserviert sind. Und bei den Smartphones tummeln sich auch deutlich mehr Menschen. Dutzende Verkäufer stehen dort bereit, um Fragen zu beantworten.

Doch auch die Neuwagen sind gut besucht. Junge Leute, Familien mit Kindern und ältere Herren zerren an den Türen und Kofferräumen, setzen sich ans Steuer, drehen an den Scheibenwischer-Schaltern.

Ehefrauen und Partnerinnen inspizieren dabei oft andere Bereiche des Wagens als ihre männlichen Begleiter. Ganz so, wie man das aus Deutschland kennt. Doch damit hören die Gemeinsamkeiten auch schon auf.

"Die Leute kommen zu uns in den Flagship-Store nicht, um ein Auto zu kaufen", sagt Autoverkäufer Tung. "Sie haben sich meistens schon im Internet mit den Modellen beschäftigt und wollen jetzt einmal die Fahrzeuge anfassen und sich hineinsetzen."

Eine Probefahrt kann Tung den Interessenten nicht anbieten. "Die meisten wollen noch eine Probefahrt machen, aber nicht alle. Wir machen für diese Kunden einen Termin für eine Probefahrt in einem unserer Auslieferungszentren, davon gibt es mehrere für jede Marke."

Diese Fahrten seien üblicherweise kein Test auf Herz und Nieren, wie das so mancher Autokunde in Deutschland im Sinn hat. "Es geht einmal um den Block herum, dann parkt man ein, das reicht den meisten." Highspeed-Touren auf der Autobahn sind in China bei einer Probefahrt sogar unerwünscht, die Versicherungen spielen da nicht mit.

Gekauft werde fast zu 100 Prozent online, versichert Tung. "Die Kunden können zwischen ein paar Ausstattungslinien entscheiden, meistens drei oder vier, dann klicken sie auf eine Variante und können das Auto bestellen. Vielleicht suchen sie sich noch andere Felgen aus. Das alles geht in drei Minuten."

Tung zeigt seinem Besucher einige Apps des Konzerns, für jede Marke gib es eine eigene App. "Ein Aito spricht eben andere Menschen an als ein Maextro. Das ist in den Apps klar zu erkennen."

Tatsächlich ist das Markengeschäft in China für manchen Europäer verwirrend. Anders als in Europa spreizen die meisten chinesischen Hersteller ihre Marken nicht für jede erdenkbare Zielgruppe. Vielmehr wird umgehend eine neue Marke gegründet, wenn eine Zielgruppe präzise erfasst werden soll.

Ein Beispiel dafür ist Huawei. Erst in der vergangenen Woche gab Huawei-Vorstand Richard Yu bekannt, die mittlerweile fünfte Automarke des Konzerns auf den Markt zu bringen. Mit SAIC zusammen wurde die Marke Shangije vorgestellt, schon im Herbst soll ein erstes Modell im Handel stehen.

Zuvor waren bereits die Marken Aito mit dem Partner Seres Group, Stelato mit der BAIC-Gruppe, Maextro mit JAC und Luxeed mit Chery gegründet worden.

Möglich macht dies eine tief gestaffelte Allianz, bei der Huawei seinen OEM-Partnern entscheidende Vorgaben macht. Huawei steuert dabei stets ein hypermodernes Cockpit und intelligente Fahrassistenten bei. Außerdem ist der Technikkonzern am Design der Baureihen beteiligt.

Nicht zuletzt kommt diesen ungewöhnlichen Allianzen das Know-how von Huawei in den Bereichen Produktion, Verkauf, After Sales und Marketing zu Gute. Im Wesentlichen ist es die Aufgabe der OEMs, das so vereinbarte Modell dann zu produzieren. Fast wie ein Auftragsfertiger.