Nach einer halben Stunde bricht es aus der Schwester des Opfers heraus. "Du wirst Deine gerechte Strafe erhalten", schreit sie dem ergrauten Mann auf der Anklagebank in türkischer Sprache entgegen. Jenem Menschen, der während einer Frühschicht im Mai in der Sindelfinger Mercedes-Produktionshalle wie aus heiterem Himmel eine Waffe gezogen und auf ihren Bruder und einen weiteren Kollegen geschossen hat. Jenem Menschen auch, der durch diese tödlichen Schüsse das Leben von zwei Familien zum Beben gebracht und in den Grundfesten verändert hat. Die Schwester trägt ein schwarzes T-Shirt mit dem Konterfei ihres Bruders: ein freundliches Gesicht, weißes Hemd, lockerer schwarzer Schlips und dunkles Sakko.
"Für die Familien war die Zeit danach eine Achterbahn der Emotionen. Es sind Familien, die zerstört worden sind", sagt der Anwalt der zwölf Nebenkläger am Donnerstag zum Auftakt des Mordprozesses gegen den mutmaßlichen Schützen vor dem Stuttgarter Landgericht. "Die Angehörigen haben Fragen, sie können sich die Tat nicht erklären, sie ist völlig unverständlich. Monatelang kannten sie kein Motiv."